1. Timotheus 6,6
Andachten
„Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässt sich genügen.“
Was ist denn ein großer Gewinn? Da redet die Schrift anders, als sich's die einfältigen Menschenkinder gewöhnlich denken. Ein großer Gewinn, so sagt Paulus, sei's, gottselig zu sein und an dem, was da ist, sich genügen zu lassen! Das ist Gewinn, das ist Reichtum, das ist das Wahrhaftige, ist wahrer Besitz. Denn damit ist der Mensch fertig und innerlich zur Ruhe gebracht, nicht mehr innerlich umgetrieben wie andere. Andere nämlich können Tag und Nacht sorgen und sich abmühen und immer das Gefühl haben, arm zu sein, weil ihnen das nie genug ist, was sie haben. »Arm“ ist offenbar also der, der nie genug haben kann, und »reich“ ist der, der nicht mehr begehrt (, als er unbedingt braucht). Jener ist »hungrig“, dieser ist »satt“. Also: aufgespeicherte Schätze machen nicht reich, wenn man meint, noch mehr haben zu müssen; und das Gefühl der Armut hat der nicht, der nur wenig besitzt, aber nach seiner Stimmung genug daran hat.
Gottselig sein schließt den Besitz Gottes und des Heilandes in sich; und dann geht's nach dem Worte Luthers: „Bleibt der Zentner mein Gewinn, fahr der Heller immer hin!“
Unter dem „Zentner“ versteht Luther das Wahrhaftige in Gott, das bleibt und nicht wieder verloren geht; nur ein Heller aber ist ihm aller irdische Besitz. Was ist er doch auch mehr? Nicht einmal den Wert eines Hellers hat er, sei er noch so groß; denn nicht einmal einen Heller nehmen wir mit in die andre Welt. Wie arm ist doch dort der Reichste dieser Welt!
Der nun, dem Gott, Seine Gnade und Sein Reich zu eigen ist, will im Äußerlichen weiter nichts, als was ihm not tut zum Durchkommen, und er ist mit Geringem und Wenigem zufrieden, wenn ihm nicht mehr wird. Denn auch das Wenige wird ihm viel, weil er seinen Gott dabei hat, dem Er vertraut - der auch machen kann, wenn's sein muss, dass „das Mehl im Topf nicht verzehrt werden und dem Ölkrug nichts mangeln soll“ (1. Kön. 17, 14). So sucht er denn nichts weiter, als soweit die Treue auch im Kleinen - wie der HErr das Zeitliche nennt- es von ihm fordert. Das nun, so sagt der Apostel, sei ein großer Gewinn, während es umgekehrt ein großer Verlust ist, wenn man mit Drangabe der Gottseligkeit irdisch emporzukommen trachtet; denn man kann doch nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon!
Da gebe uns der HErr helleres Licht, helleren Verstand, um das eine wie das andre - d. h. Gott und Mammon - richtiger zu bewerten und klug zu werden in uns und in unsern Bestrebungen!
Denn was hilft's, einmal von hinnen zu fahren - und nicht reich zu sein in Gott (Luk. 12, 21)? (Christoph Blumhardt)
Es ist aber ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässt ihm genügen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, lasst uns begnügen. Immer tiefer in Gottes Wesen einzudringen, immer lebendiger und klarer seine unaussprechliche Herrlichkeit im Geist und Gefühl zu erfassen, immer genauer in unserer Gesinnung mit seinem Willen zusammenzustimmen, immer eifriger zu werden in Beobachtung seiner heiligen Gebote, hierzu bedarf es nicht großen irdischen Gutes.
Wenn wir nur Nahrung und Kleidung haben, das heißt, wenn für unsere und der Unseren notwendige Bedürfnisse gesorgt ist, dann können wir dies hohe Ziel ungestört und mit Freudigkeit verfolgen. Dieses Ziel im Auge, werden wir großes Gut und irdische Pracht und Herrlichkeit wohl eher scheuen, als von unruhiger Begierde danach getrieben sein. Wir kennen ja die Gefahren, die damit verbunden sind, und denen man unterliegt, ehe man sich's versieht.
Wie halten die Güter dieser Welt unser Herz so leicht mit festen Banden gefangen und machen uns blind für unsere wahre Bestimmung! Und wie ist es so schwer, sich von ihnen loszureißen und frei nach dem einen aufzustreben, das not tut. Auf der andern Seite aber ist doch unleugbar, dass ein einfaches Leben, welchem irdische Freuden nur sparsam zugemessen sind, den Sinn heiter und klar und empfänglich sein lässt für jeden übersinnlichen Eindruck, und wir hierbei so viel leichter volle Lust und Freiheit zur Ausübung alles Guten und Gottwohlgefälligen uns bewahren können.
Nur allein deswegen möchten wir uns vielleicht größeres Gut wünschen, um die Liebe, die wir gegen unsere Nebenmenschen im Herzen tragen, ihnen auch in reicher Fülle an den Tag legen, um so mehr Segen allenthalben um uns her verbreiten zu können. Es ist ja aber die ewige Weisheit und Liebe selber, die, gewiss nur zu unserm eigenen und zu unseres Nächsten Heile, so und so viel Besitztum uns zugewiesen. Auch wissen wir sehr wohl, dass Gott ein reicher Gott ist, der selbst in Ausführung bringen kann, was wir gern wollten, aber zu leisten nicht imstande sind. Zudem bleibt uns auch die freudige Aussicht, dass Gott dereinst, wenn wir über wenigem getreu gewesen, uns über viel sehen wird. Und endlich, gleichwie, wenn die irdische Freude nicht mehr Ziel und letzter Zweck unsers Strebens ist, wir uns selbst alsbald reich, ja von der göttlichen Barmherzigkeit recht eigentlich übergossen fühlen mit Gütern und Freuden, die wir vorher, in der Unruhe unsers Herzens, als gewöhnliche und gemeine Gaben geachtet und gar nicht bemerkt hatten, so werden wir nun, durch Einschränkung unserer Begierden, reich auch für andere, und strömet uns für sie immer neuer, reicher und voller Segen zu.
So ist denn fürwahr die Genügsamkeit ein hoher, großer Gewinn, den wir bemüht sein wollen, durch gottseligen Sinn und Wandel uns zu erringen. (Julius Hamberger.)