Johannes 19,30
Andachten
“Jesus neigte das Haupt und verschied.“
Das war ein wunderbarer Augenblick, da JEsus Sein Haupt neigt, und nun sein Geist entweicht, wie hinausgescheucht von der Menschheit. Aber Er lässt sich doch nicht wegscheuchen. Sie jagen Ihn fort, und Er lässt sich nicht verjagen. Er bleibt doch der Ihrige. Wer Ihn ruft, dem ist Er zur Hand. Denn es ist, als sagte Er: „Ich bin dennoch euer Bruder (Joh. 20,17); ihr könnet mir mein Brudersein nicht nehmen; denn Ich bin’s.“ Wer Ihn nun seinen Bruder sein lässt, und sich zu das zu Nutze machen will, der hat Ihn, und kommt durch Ihn hinauf zur Herrlichkeit des Vaters. Wer aber fortfährt, Ihn wegzuscheuchen, Ihm gleichsam den Odem zu nehmen trachtet, wie Seine Feinde es getan, - natürlich, zuletzt, zuletzt muss er von dem auch wegbleiben. Dann wehe solchem! O, dass wir’s ergreifen möchten und festhalten, was der heutige Tag uns geben soll, und dass wir auch durch das heilige Mahl, das wir empfangen, möchten eine neue Lebenskraft bekommen, einen neuen Zug zu Ihm, dass wir nicht von Ihm lassen können, auch wenn wir wollten. (Christoph Blumhardt)
Es ist vollbracht!
Kein Mensch und kein Engel kann aussprechen, was der Inhalt dieser drei Worte ist. Schon manche große Tat hat eine große Überschrift bekommen; in obigen Worten haben wir die größte Überschrift über die größte Tat: Es ist vollbracht! Zunächst war das Leiden und der Leidenskampf vollendet. Der Kelch, vor dem dem Herrn so bange war, war völlig getrunken. Die tiefste Glaubensprüfung, die Nacht der Gottverlassenheit lag hinter ihm. Ein Leben ununterbrochener Selbstverleugnung und Erniedrigung und eines völligen Gehorsams war vollendet. Die Erweisung der ewigen Gerechtigkeit Gottes am Kreuze, das volle Gericht über die Sünde war vollbracht. Das Opfer zur Versöhnung der Menschen mit Gott lag geschlachtet auf dem Altar und das ganze Werk der Erlösung war vollendet, als der Heiland den völligen Glaubenssieg errungen hatte und bereit war, seinen Geist in des Vaters Hände zu befehlen. Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ist der himmlische Wiederhall auf die Worte: es ist vollbracht, das göttliche Amen für jedes Sünderherz, das sich sehnsuchtsvoll und gläubig ausstreckt nach dem Lamme Gottes am Kreuzesstamm. Wenn das Licht des Wortes Gottes über deine Vergangenheit den Stab bricht und deiner Seele bange wird vor dem wohlverdienten Gericht, so ruft dein Heiland dir vom Kreuz herab zu: es ist vollbracht! dein Gericht ist von mir getragen. Stellt der Feind dir nach, wenn du in innerem Leid über die Sünde stehst und sagt er dir: du hättest noch lange nicht Buße genug getan, so denke an Jesu Wort: es ist vollbracht! Man erkauft die Gnade nicht mit der Buße, das vollendete Opfer Jesu hat sie uns erworben. Merkst du, dass dein Leben zu Ende geht und dein ganzes Tagewerk auf Erden kommt dir so armselig, mangelhaft und unvollendet vor, so höre Jesu Ruf: es ist vollbracht! Du darfst dich mit allem Mangel einhüllen in die völlige Erlösung durch sein Blut. Trauerst du bei der Herzenshärtigkeit der Menschen und fragest bange: wo will es noch hinaus mit der Menschheit? so antwortet dir dein sterbender Erlöser: sei getrost, ich muss dennoch siegen; es ist vollbracht, der Feind ist überwunden. Wenn einst deine Lippen sich im Tränentale schließen, so tröste dich als letzter Seufzer das Wort: es ist vollbracht!
Lieber Heiland! Ja, Du hast es vollbracht. Ich sinke anbetend zu Deinen durchgrabenen Füßen und Preise Deine Liebe, dass auch ich armer Sünder erlöst bin. Amen.(Elias Schrenk)
Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht; and neigte das Haupt und verschied.
(1. Betrachtung.) „So lange nicht alles vollbracht ist, so lange ist noch nichts vollbracht,“ antwortete einst der große Julius Caesar den Männern, die ihm nach einem glorreichen Sieg Heil und Glück wünschten. In drei Weltteilen waren schon seine Waffen ertönt; eine ganze Reihe überwundener Völkerschaften lag zu seinen Füßen, dennoch sagte er: Es ist noch nichts geschehen, bis der ganze Kreis der Erde unterworfen ist. Rastlos stürmte der Welteroberer vorwärts von Stadt zu Stadt und von Land zu Land; als aber die Dolche der Feinde in sein Herz fuhren, da sank er verzweifelnd zusammen; denn nun war alles aus; sein Leben, seine Hoffnung, sein Reich.
Wie so gar anders ist's mit dem Mann, der hier auf Golgatha stirbt! Dieser König im Reich der Wahrheit ruft „vollbracht“ mitten im Sterben, ja grade weil er stirbt. Auch Er ist ein Weltüberwinder, aber Er überwindet sie, um sie zu beseligen, und Er überwindet sie, indem er von ihr überwunden wird. Ja, er ist ein Überwinder der Hölle, des Todes und der Sünde und dies Alles, indem Hölle, Tod und Sünde über ihn zu triumphieren scheinen. Wenn sonst ein Mensch stirbt, (er heiße Caesar oder Sklave,) so ist es eben aus mit ihm und mit seinem Wirken für diese Welt. Stirbt er vollends eines gewaltsamen Todes, unterliegt er der List und Macht seiner Feinde, wie hier unser Heiland, so scheint ein solcher Mensch samt seinem Werk ruiniert. Jesus aber hat von vorne herein sein Leiden und Sterben als sein eigentliches Hauptgeschäft, oder, sagen wir lieber als die Vollendung aller seiner Werke auf dieser Erde, hingestellt. Und darum ruft er jetzt: „Vollbracht!“ Mögen immerhin die Feinde Jesu jetzt sich die Hände reiben, mögen sie auch meinen, dass ihr Werk vollbracht sei; mögen andrerseits die treuen Freunde Jesu jetzt im Winkel sitzen und trauern, in der trostlosen Meinung, dass „Alles aus“ sei, - dennoch gilt für alle Ewigkeit dieses königliche „Vollbracht“. Es ist nicht ein wehmütiger Ausdruck, wie das „Vollbracht“ des schwer aufatmenden Mannes, der eine schmerzliche Operation aushalten musste, sondern es ist das Siegeswort des Feldherrn, der, von seinem erhabenen Standpunkt aus, die bestürzten Feinde auf allen Punkten fliehen sieht, sein Vaterland aber gerettet und verherrlicht.
Ja, Alles, was zur Erneuerung und Beseligung der Menschheit nötig ist, das ist nun vorhanden. Das Kreuz hält den Lebensbaum in sich, der aller Welt bis ans äußerste Ende Schatten, Frucht und Duft geben mag. Was ferner geschehen muss, bis ein neuer Himmel und eine neue Erde erscheinen werden, bis die Nationen wandeln im Licht Gottes und in dem heiligen Glanz, der von Ihm ausstrahlt, - das ist alles nur ein Wachsen der Pflanzung, die wir hier schauen, nur ein Ausgestalten und Eingestalten der nun vorhandenen Lebenskräfte.
Darum bebt die Erde freudejauchzend über dem „Vollbracht!“ - dieselbe Erde, die einst mit klagender Stimme zu Gott schrie, da sie das Blut des Abel trinken musste. Jetzt bebt sie in Freudeschauern; denn auch die Kreatur soll frei werden von dem Bann des Todes und der Eitelkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. - Darum „tun sich die Gräber auf und gehen hervor viele Leiber der Heiligen“. Sie sind nur Propheten von dem großen Tag, da Jesus Christus über die Schollen dieser Erde schreiten und an die Sonne rufen wird Alle, die je und je, in dieser und in jener Welt, seiner Stimme Gehör schenken.
Darum zerreißt der Vorhang, „der den Weg ins Allerheiligste sperrte, von oben an bis unten durch“, so dass nun Jedermann frei hineintreten kann. Denn nicht mehr sollen „Wehe! Wehe!“ rufen, die jetzt in die Heilige Nähe Gottes kommen; nein, mit freudigem Geist sollen sie herzutreten als Kinder. Sie sollen es wissen, dass der flammende Thron göttlicher Heiligkeit ein Thron der Gnade und Menschenfreundlichkeit für sie geworden ist, wenn sie sich nur von Jesu führen lassen wollen. Ja, was einst Jesus dem sinnenden, zweifelnden Nikodemus verkündigte, das ist nun anfangsweise erfüllt: „Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhte, also ist des Menschen Sohn erhöht worden; fortan sollen Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“. Vom ewigen Leben redet man fortan in der Welt des Todes; Kinder und Helden, Gelehrte und Bauernknechte werden ferner auf demselben Weg zum Frieden kommen, nämlich dadurch, dass sie glaubensvoll und liebentbrannt aufschauen zu dem Lebensfürsten, der über der Wüste dieser Welt im Tod schwebte und mitten im Tode triumphierte: „Es ist vollbracht“. (Otto Funcke)
Und Jesus sprach: Es ist vollbracht; und neigte das Haupt und verschied.
(2. Betrachtung.) Noch einmal lauschen wir heute auf das gewaltige „Vollbracht“, auf das große „Amen! Amen!“ darin alles Werk und Leiden Jesu ausmündet, und das wie der Klang himmlischer Feierabendglocken über die sturmbewegte, unruhvolle Welt hintönt. Seit die Menschenkinder im Schweiß des Angesichtes auf dieser Erde arbeiten, ist's Millionenmal aus frohem Munde erklungen; „Vollbracht! vollbracht!“ Wenn der Ackersmann den letzten Wagen seines Getreides, das er einst mit Tränen säte, glücklich unter Dach und Fach gebracht, wenn der Künstler nach monatelangen Mühen nun endlich den letzten Pinselstrich an seinem Gemälde getan hat; wenn der kleine Schuljunge nach vielen Fehlversuchen nun endlich sein 1 mal 1 zu Stande gebracht, oder wenn dem tiefsinnigen Gelehrten jetzt plötzlich die Lösung seines Problems aufleuchtet, wie freudig klingt dann das „Vollbracht!“
Allein was sind schließlich alle „Vollbrachts“ der ganzen Welt gegen das „Vollbracht“, das hier Jesus rufen darf? Bei jedem Menschenwerk werden doch Fehler gemacht. Wer am Ziel steht, wird sagen: „Ach, könnte ich wieder anfangen, ich - würde in mancher Beziehung anders verfahren, andere Wege ein: schlagen und dies und das vermeiden“. Und weil kein Menschenwerk vollkommen ist, so hat auch keines Bestand, sondern unterliegt mit der Zeit dem Gesetz der Eitelkeit. Und nie kommen wir ans Ende unserer Werke, immer aufs Neue beginnt das Ringen. Ist aber das Ziel unseres Erdenlaufes vorhanden, so haben wir das Gefühl, dass wir eigentlich doch nur wenig geschafft haben.
Einzig und allein das Werk Jesu ist ein vollkommenes Werk. Sein ganzes Leben war aus einem Guss. Jeder Blutstropfen darin war eitel Liebe und jede Minute darin war ausgefüllt von dem kindlichsten, willigsten Gehorsam. Aber darum nun ist Christi Werk (sein Leben nämlich ist sein Werk) gesichert gegen alle Stürme der Welt und der Hölle; und dieses Werk ist allgenugsam, denn kraft desselben kann und soll Alles, was Odem hat, zur ewigen Erneuerung geführt werden.
Rückwärts und vorwärts blickt also dies „vollbracht“. Rückwärts blickend redet es von dem Ende des Kampfes und von der Vollendung der Arbeit; vorwärts blickend kündet es den Sieg über Tod und Sünde und bezeugt den Kindern des Glaubens, dass ihre Erlösung vorhanden ist. Ja, sie ist da, für dich da, du arme, zitternde, schwankende, zagende Seele! Sie soll nicht erst kommen, nein, sie ist da; du sollst sie nur nehmen, so ist sie dein! Darum sollst du nicht sagen: „Ach, wenn ich mich nur auch ein Kind Gottes nennen dürfte!“ oder: „Wenn ich nur die Gewissheit der Seligkeit hätte!“ oder: „Wenn ich nur wüsste, dass auch ich noch einmal von aller Sünde frei und in Gottes Bild verklärt würde!“ - das ist Unglauben, so zu reden. Und Unglauben ist es, auf deine Schwächen, Anfechtungen, Zweifel, Unarten, Verdunklungen usw. hinzuweisen und daraus deine Bangigkeit zu rechtfertigen. Willst denn du, dessen Angesicht lauter auf Erneuerung und Heiligung gerichtet ist, willst denn du nicht verstehen, was Jesus hier ruft: „Es ist vollbracht!“ Hörst du nicht, dass Paulus schreibt: „Christus ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“? (1. Kor. 1,30.)
Nun ist es Alles wohl gemacht, Weil Jesus ruft: Es ist vollbracht!
Willst du denn Gottes Wort durchaus verkehren und schnell wieder allerlei „Wenns“ und „Abers“ einflicken? Ja, so kommst du dann freilich nie zum Frieden. Denn ob Gott das ganze Kleid deiner Herrlichkeit und Heiligkeit dir fertig machen wollte, dich aber verpflichtete, den letzten Saum zu fertigen, du würdest damit auf ewig nicht zu Stande kommen. So nimm doch einfältiglich, was Gott dir bietet, den ganzen Christus, der ganz, in allen Stücken und auf allen Gebieten dein Erretter sein will, der dir nicht nur zum Vorbild, auch nicht nur zur Versöhnung, sondern auch zur Heiligung und Weisheit, ja zur vollkommenen Erlösung gemacht ist und dich dahin bringen will, dass du auch keinem Seraph gegenüber mehr zu erröten brauchst. So glaube das doch: Mein Alles habe ich in Christo, dem Anfänger und Vollender meines Glaubens, - mehr noch wie ein Säugling in seiner Mutter sein Alles hat. In Christo ist vorhanden das Licht, das die Tiefen deines Herzens und deinen ganzen Weg durch die Zeit zur Ewigkeit erleuchten soll; da ist die Gerechtigkeit, die dich zu einem versöhnten Gotteskinde, da ist die Heiligung, die dich zu einem vollbürtigen Himmelsbürger gemacht hat. Ja, sagst du, aber was habe ich denn dabei zu tun? Freund, eben dies ist dein Fehler, dass du immer so viel tun willst, während Christus doch sagt: Es ist getan, was zu deiner Erlösung getan werden musste. Du sollst also nichts dazu tun, sondern nur nehmen, was getan ist. Glauben sollst du das „Vollbracht“ und darüber lachen und weinen wie ein seliges Kind. Ganzen Ernst sollst du, der du die Sünde hasst, mit diesen Wahrheiten machen. So wird dann nicht nur dein unruhiges Gewissen aufhören zu schreien und zu zagen, nein, du wirst auch erfahren, dass nichts dich so im Kampf wider die Sünde und in dem Fortschritt der Heiligung fördert, als eben dies, dass du Christo zutraust, dass in Ihm die Kräfte zu deiner Heiligung und Erleuchtung schon sind. O Christ, nimm das „Vollbracht“ so wie es gemeint ist, dann erst wirst du des Christennamens würdig werden. Nimm das „Vollbracht“ wie's gemeint ist, dann erst hast du Frieden; denn dann erst hast du den festen Standort, von dem aus du Sünde und Teufel, Tod und Hölle verscheuchen und überwinden kannst. Der neigt sein Haupt, o Mensch, und stirbt, Der dir erwirbt Das Leben, bis niemals verdirbt. Ich will nun abgestorben sein Der Sünd' und leben Dir allein. Es hat dein Tod das Leben mir Gebracht herfür, Und aufgetan die Himmelstür. (Otto Funcke)
Joh. 19, 30. Luk. 23, 46. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht; und neigte das Haupt, und verschied. Und Jesus rief laut, und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt, verschied er.
Das sind die beiden letzten Worte des sterbenden Erlösers. Sie klingen wie Triumph und Siegeslied. Es ist vollbracht, Alles vollbracht, sein Leid und unser Heil. Die Schuld bezahlt, Gott versöhnt, der Himmel geöffnet. Lobe den Herrn, meine Seele, und verzage niemals wieder, denn auch für dich hat Christus Alles vollbracht. - Es ist vollbracht. In des Kreuzes Kraft kannst nun auch du vollbringen, was du sollst. Christi Sieg ist dein Sieg. Schließ dich nur fest an ihn und sein Kreuz an, ergib dich ihm mit ganzer Seele; dann kannst du deinen Kampf selig vollenden, der Feind kann dir nichts anhaben, und auch im Tode bist du wohl geborgen. Durch Christum mit Gott versöhnt kannst du auch im Sterben sprechen: Vater, in Christo mein Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben. Selig, die also sterbend ihre Seele in des Vaters Hände befehlen. Willst du also sterben? - Du kannst es, wenn in allen Stunden bis in die letzte das Wort auch von deinen Lippen kommt: Vater, vergib ihnen. Du kannst es, wenn du in allen Stunden bis in die letzte die Deinen, die dir Gott gegeben, mit der Liebe umfängst, die nimmer aufhört. Du kannst es, wenn du in allen Stunden, bis in die letzte, treu vor Gott, dein Tagewerk vollbringst, in seinem Dienst. Du kannst es, wenn du in allen Stunden, bis in die Letzte, mit des Schächers Glauben bittest und flehst: Herr, gedenke an mich. Du kannst es, wenn Christus dein Leben ist, und der am Kreuze deine Liebe. (Adolf Clemen)
Jesus sprach: es ist vollbracht, und Er neigte das Haupt und verschied.
So beschreibt Johannes den Ausgang des Leidens und Lebens Jesu am Kreuz; Lukas aber meldet Kap. 23,46., Er habe nach dem Wort: es ist vollbracht, auch noch laut ausgerufen: Vater, Ich befehle Meinen Geist in deine Hände, und sei alsdann verschieden. Das Wort: es ist vollbracht, war kurz, aber von einer sehr großen Bedeutung. Vorher sagte Johannes V. 28., Jesus habe gewusst, dass schon Alles vollbracht sei, dass die Schrift erfüllt würde, oder was zur Erfüllung der Schrift nötig sei. Indem Er also sagte: es ist vollbracht, gab Er Seinem himmlischen Vater Rechenschaft wegen Seines Lebens und Leidens, dass es zur Erfüllung der Schrift hinreichend, folglich die Wahrheit Gottes dadurch bestätigt, und Sein Rat ausgeführt worden sei. Schon bei Seiner Taufe hatte Er gesagt, es gebühre Ihm, alle Gerechtigkeit zu erfüllen, und Joh. 4,34.: Meine Speise ist die, dass Ich tue den Willen des, der Mich gesandt hat, und vollende Sein Werk. Es war also immer bei Ihm auf etwas Ganzes, auf eine Vollendung angesehen. Nun hatte Er schon Joh. 17,4. in der Rücksicht auf Seinen Wandel unter den Menschen und auf Sein geführtes Lehramt zu Seinem himmlischen Vater gesagt: Ich habe Dich verklärt auf Erden und vollendet das Werk, das Ich tun sollte. Es war damals noch Sein letztes wichtiges Leiden übrig; da aber auch dieses vorbei war, sagte Er: es ist vollbracht, da Er denn freilich Sein ganz nahes Sterben auch mit einrechnete, und die wenigen Augenblicke, die bis dahin noch verflossen, für keine Zeit mehr achtete. Er sprach aber das Wort: es ist vollbracht, mit einem Herzen aus, das aus der vorigen Beklemmung und Finsternis empor stieg, und nun der nahen Ruhe zueilte. Das Werk, das Er hatte vollbringen sollen, war freilich ein sehr schweres Werk gewesen, sonderlich nach dem letzten Teil desselben; Er hatte es auch im lautersten Gehorsam gegen Seinen himmlischen Vater und in großer Treue gegen uns, deren Erlösung es betraf, vollendet, folglich nicht voreilig abgebrochen, nichts dabei übereilt und übergangen; doch war Er nun froh, dass Er nun sagen konnte: es ist vollbracht. Aber auch für uns ist dieses Wort des Heilands sehr tröstlich; denn wir wissen nun, dass Er mit einem Opfer vollendet, das ist vollkommen erlöst und mit Gott versöhnt habe alle, die geheiligt werden, so dass man zu diesem Seinem Werk nichts hinzu zu tun hat, und es für Alle, die selig werden wollen, ein genugsamer und fester Grund des Glaubens und der Hoffnung ist.
Zwischen der Schöpfung, welche vollendet worden, und zwischen der Verherrlichung, welche geschehen wird, steht die Erlösung mitten inne, welche von Christo vollbracht worden ist. Nach der Vollendung der Schöpfung folgte die Ruhe Gottes. Auch Christus ruhte, da Er Seine Arbeit vollbracht hatte; und wenn von dem Werk der Verherrlichung wird gesagt werden können: es ist geschehen, Off. 21,6., so werden alle verherrlichten Geschöpfe zu ihrer völligen Ruhe kommen, Hebr. 4,10.11. Gott treibt Alles bis zum Ziel.
Als Jesus gesagt hatte: es ist vollbracht, neigte Er das Haupt, wie ein Sterbender zu tun pflegt, und verschied. Er starb also wahrhaftig, und da Er uns in Allem, außer der Sünde, gleich werden wollte, so nahm Er auch die gewöhnliche Gebärde eines Sterbenden, hernach aber auch die Gestalt eines Toten an sich. Wir sollen uns nicht weigern, Ihm auch hierin ähnlich zu werden. (Magnus Friedrich Roos)
Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht; und neigte das Haupt und verschied.
Der heiligste Moment in der ganzen Weltgeschichte. Eine Vollbringung, wie es keine andere mehr gibt, weder in dieser noch in jener Welt. In einem Wort Alles zusammengefasst, was für die verlorene Menschheit zu tun war und getan worden ist! Das Trostreichste in dem Erlösungswerk Christi ist die Vollständigkeit desselben. Er hat uns vollendet, wie es anderswo heißt: Bliebe auch nur noch das Geringste zu unserer Errettung übrig, so könnte diese allerkleinste Lücke uns in Stunden, die der Feind wohl kennt, mit lauter Gewissensangst erfüllen. Aber, lobe den Herrn, meine Seele, es ist vollbracht, Alles, auch deine ewige, vollständige Erlösung. Nur diese Zuversicht macht fest, wenn auch die Berge weichen und die Hügel fallen sollten. Nicht nur etwas, nicht nur viel, nein, Alles hat Christus vollbracht; wie oft müssen wir es uns wiederholen, bis wir es glauben! Auch in der Ewigkeit werden wir noch staunen über das große, Alles umfassende Wort: Es ist vollbracht! So konnte nur Gott vollenden. So sehr wir unser Tun auch abrunden, so bleibt es doch Stück- und Sündenwerk; nur Christi Werk ist eine Vollendung zu nennen. Alles, was uns quält und uns noch quälen sollte in der letzten Stunde, ist nun abbezahlt. Das ganze Leben, so sehr auch die Sünde es zerrüttet hat, ist nun bedeckt von einem andern, das ein vollendet heiliges und Gott wohlgefälliges ist. Der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, kann nun auch in die mühseligste und beladenste Seele kommen; Jesus hat uns die Galle und den Essig weggenommen, auf dass wer an ihn glaubt, nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe. (Friedrich Lobstein)
Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!
Vollbracht war nun Alles, was die Schrift geweissagt hatte, und worin sie erfüllt werden musste. Vollbracht, bis auf den letzten Trank höhnenden Mitleids, war nun das in der Schrift geweissagte und zuvor verkündigte Leiden des Messias. Vollbracht war nun der im Leiden geübte und bewährte Gehorsam des anderen Adam, und zum letzten Sieg hindurchgeführt sein Kampf gegen den Satan, der ihn überall und besonders im Leiden versucht hatte. Vollbracht war nun Jesu persönliche Vollendung zum Heiligen Gottes, zum Herzog der Seligkeit, zum Mittler, Fürsprecher und Hohenpriester des menschlichen Geschlechts. Vollbracht war nun das große Sühnopfer für die Sünde der Welt, welches vorbildlich und wörtlich im alten Testament geweissagt war, weshalb auch in diesem Augenblick der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel zerriss, anzuzeigen, dass nun der vorbildliche Opferdienst beendigt und durch Jesu Sühnopfer der Zugang zum wahren Heiligtum, zum Himmel, eröffnet sei. Vollbracht war nun durch dieses Opfer Jesu die Versöhnung der Welt mit Gott, die Heiligung der Sünderwelt, das Gericht über den Satan, die Überwindung des Todes, die Wiederbringung des ewigen Lebens, die Wiederbringung des verlorenen Paradieses, weshalb in jenem Augenblick die Erde bebte, die Felsen zerrissen und die Gräber sich auftaten.
Kurz, alles, was zum Preise der göttlichen Barmherzigkeit, zur Erfüllung der Weissagung, zur Heilung des durch Adams Fall verursachten Schadens, zur Erwerbung des Heils für die verlorene Sünderwelt zu vollbringen war, das war nun vollbracht. Zwar erschienen war in jenem Augenblick noch nicht das ganze Heil, und ist es auch jetzt noch nicht; zur Erscheinung zu bringen war in jenem Augenblick noch vieles, und ist es auch jetzt noch; wir warten ja noch auf die Auferstehung und Verklärung des Fleisches, auf den Untergang der jetzigen Welt und auf die Erscheinung der neuen, himmlischen Welt; - aber zu erwerben und zu vollbringen war nichts mehr; was noch erscheinen wird, war in jenem Augenblick bereits erworben, und wird nur die Frucht des Sühnopfers Jesu sein. Und so war in jenem Augenblick wirklich alles vollbracht, was zu vollbringen war. Es ist vollbracht! Über dieses Wort hinaus liegt nichts mehr, auch nicht in der Ewigkeit.
Wem hat der Herr Jesus dieses Wort: „Es ist vollbracht!“ zugerufen?
Erstlich ihm selbst. Nach den voraufgegangenen Klagen ist es sein erster Sieges- und Freudenruf. Aus seinem letzten Dürsten brach jetzt hervor das Schmecken ewiger Freude, die Sättigung mit ewiger Wonne.
Ferner hat er es auch seinem himmlischen Vater zugerufen und sich mit diesem Wort dem Vater dargestellt als der Ausrichter des verordneten und geweissagten Sühnopfers.
Endlich hat er es der ganzen Welt, für die er sich geopfert hat, und somit auch uns zugerufen. Ehe noch die Apostel ausgingen und predigten, dass durch Christi Versöhnungstod alles Heil vollbracht und erworben sei, hat er's selbst vom Kreuze herab der ganzen Welt zugerufen. Ja, unsere Erlösung von Sünde und Tod, sie ist bereits vollbracht. Es wird uns nicht geboten, dass wir sie vollbringen sollen, was ja auch unmöglich wäre, sondern nur, dass wir an den, der sie durch sein heiliges Opfer am Kreuze bereits vollbracht hat, von ganzem Herzen glauben sollen, damit sie unser werde. Ein anderes Vollbringen, als an den Vollbringer Jesus und das von ihm Vollbrachte zu glauben, wird von uns nicht gefordert. Wer aber dieses Vollbringens sich weigert, hat keinen Teil an dem von Jesu am Kreuz Vollbrachten. (Traugott Leberecht Kämpfe.)
Jesus neigte das Haupt und verschied.
Der das ewige Leben hatte in sich selbst, sank in des Todes Arme; der Unsterbliche starb für die Sterblichen, der Schöpfer für die Geschöpfe seiner Hand; die Sonne der Gerechtigkeit ging unter, und die heilige Leiche hing da vor aller Menschen Augen. Er neigte sein Haupt und verschied. Gewiss war das ein seliger Augenblick, ein kühler Feierabend nach heißem, schwülem Tage! Stiller Friede lagerte sich auf Golgatha, und die Engel in der Höhe priesen Gott für diese Vollendung. Er neigte sein Haupt und verschied. Wie ein müder Arbeiter, der des Tages Last und Hitze getragen, unvermerkt sein Auge schließt, und ein sanfter, tiefer Schlaf ihn umfängt, wie dann ein stiller Friede über sein ganzes Wesen ausgegossen ist, und er nichts Mühseliges mehr kennt und fühlt, also war es dem Herrn. Kein Kampf des Lebens mit dem Tode, kein Ächzen, kein Stöhnen, keine Zuckung, nichts von dem erschwerte sein Ende, nichts erschütterte die Seinen, nichts machte den letzten Augenblick unheimlich; es war, als schlummerte er ein. Sein Lebenssabbat war angebrochen, die große Arbeit war getan, der saure Kampf durchgekämpft; die Pulse stockten, die heiligen Augen schlossen sich, und es ward still, totenstill auf Golgatha.
Möge unser Ende einst sein wie Christi Ende, und es wird so sein, wenn Christi Geist in uns lebt und uns sterben lehrt. Denn dann führen wir hienieden schon ein ewiges Leben, und niemand soll uns aus seiner Hand reißen; unser Wandel ist in dem Himmel. Dann haben wir etwas Bleibendes gefunden, was auch kein Tod uns rauben kann. Dann erscheint der Tod uns nur als ein Schlaf und wer bettete sich nicht gern, ermüdet von des Lebens Streit, zum letzten Schlummer? erscheint uns nur als eine Reise in die Heimat und ins Vaterhaus, und wer freute sich nicht auf den Augenblick, wo er diese Reise antreten kann? Dem Gläubigen ist der Tod das Aufhören des Sterbens und der Beginn des wahren Lebens. Die Feuersäule leuchtet vor ihm her; wie dunkel auch die Nacht ihn umgibt, in ihm ist es Licht; wie schwer auch die Augenblicke der Trennung der Seele vom Leibe sein mögen, der mächtige Arm des Herrn führt über alle Trennungen und Untiefen und Abgründe der letzten Stunde hinweg; Strahlen der Gnade umfließen die betende Seele, Engelwolken lassen sich nieder zu dem auffahrenden Geiste; der Schimmer himmlischer Verklärung verbreitet sich über dem Angesicht des Sterbenden, die Fesseln sind abgestreift ein Odemzug noch, vielleicht ein Blick, vielleicht eine Träne im Auge, und die erlöste Seele ist heimgegangen in die Perlentore der Gottesstadt, und sie beneidend verweilen die Zurückgebliebenen am Sterbelager, wünschen sich eine baldige gleiche Heim- und Himmelfahrt, und müssen es gestehen: des Christen Leben ist doch ein seliges Leben, es beginnt wohl mit Weinen, aber es endet mit Danken; müssen es gestehen, dass der sanfte Friede der Sterbestunde es wert ist, dass man um seinetwillen den Krieg eines langen Lebens nicht scheut!
Herr, bereite uns in unserm Leben vor auf solch ein seliges Ende. Einmal wird es jedem kommen, wir wissen es; denn es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben; wann es aber kommen wird, dann sei uns nahe mit deinem Frieden. Ja, dann lass dein Leiden unser Leiden versüßen, deinen Tod unsern Tod überwinden, dein Siebenwort am Kreuze wie die sieben Farben des Regenbogens uns deine Gnade verkündigen, oder wie ein glänzendes Siebengestirn aufgehen an unserem Sterbehimmel, dass wir in diesem Sterne und über diesem Sterne dich suchen und finden und haben mögen allezeit. Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt, erbarme dich unser, erbarme dich unser und gib uns deinen Frieden! Amen. (Friedrich Arndt.)