1. Korinther 7,29
Andachten
Die Zeit ist kurz. Das Wesen dieser Welt vergeht.
Paulus handelt in dem siebenten Kapitel des ersten Briefes an die Korinther von dem Ehestand und dem ledigen Stand. Er vergleicht beide Stände miteinander, und zeigt die Pflichten an, welche einem jeden derselben anhängig sind. Bei der Vergleichung sagt er, dass der ledige Stand sonderlich in trübseligen und gefährlichen Zeiten V. 26., seine vorzügliche Bequemlichkeit auch zum Wandel mit Gott habe V. 32.33.34.35., dass er aber doch Niemand nötigen wolle, in diesem Stand zu bleiben V. 35., weil man ohne Sünde in den Ehestand treten könne V. 38., ja weil Umstände vorkommen, bei welchen es ratsam, ja nötig sei, in den Ehestand zu treten v. 9.36. Zwischen dieses Alles hinein sagt Paulus: das sage ich aber, lieben Brüder, die Zeit ist kurz. Weiter ist das die Meinung: die da Weiber haben, dass sie seien, als hätten sei keine, und nicht ihren Weibern so anhangen, dass das anhangen an dem HErrn dadurch gehindert, und ihre Geisteskraft geschwächt werde; und die da weinen, wozu es an Ursachen im Ehestand nicht fehlt, sollen sein, als weinten sie nicht, und nichts von ihrem Glauben und Frieden Gottes dabei abgeben; und die sich freuen, sollen sein, als freuten sie sich nicht, und dabei nicht leichtsinnig und eitel werden; und die da kaufen sollen himmlisch gesinnt sein, als besäßen sie es nicht; und die dieser Welt brauchen, sollen sich hüten, dass sie derselben nicht missbrauchen. Paulus setzt also den Christen, die im Ehestand leben, die rechten Schranken, welche zum Teil auch für die Ledigen taugen. Er will, dass sie züchtig gerecht und gottselig leben, und ihr Geist, ob sie schon auch mit irdischen Dingen umgehen müssen, dem HErrn unverrückt anhange, und durch Christum nach der Hoffnung ins himmlische Wesen hinein versetzt bleibe, wie er Eph. 2,6. schreibt. Diese Ermahnung nun unterstützt er damit, dass er schreibt: die Zeit ist kurz, und: das Wesen dieser Welt vergeht. Die Zeit ist kurz, lasst uns also an Dingen, die wir bald verlassen müssen, nicht kleben. Lasst uns bei unsern Verbindungen oft an die nahe Trennung derselben denken, und in jenen so stehen, dass diese uns nicht schrecklich werde. Die Zeit ist kurz, lasst uns also keine Zeit verschleudern: weil sie kaum lang genug ist, um zur seligen Ewigkeit reif zu werden. Lasst uns eilen, und allen Fleiß anwenden, nicht eben viel sinnliche Freuden zu genießen, oder viel zu kaufen und reich zu werden: - sondern in der Heiligung fortzufahren, dem Ziel der Vollendung näher zu kommen, und viel Gutes zu tun. Das Wesen dieser Welt vergeht, zu welchem auch der Ehestand, das Weinen, die Freude, und das Kaufen gehört: folglich sollen wir uns in dieses Alles nicht so hinein setzen, dass unsere Seele davon gefangen werde, darin Ruhe suche, und sich darin verzehre. Der neue Himmel und die neue Erde, worin Gerechtigkeit wohnen wird, und worauf wir warten, werden ganz andere Dinge enthalten, und die himmlischen Dinge, welche schon jetzt sind, haben eine ganz andere Beschaffenheit als die irdischen. Weil nun unser Heimwesen im Himmel ist, so müssen wir schon auf Erden nach der himmlischen Lebensart gebildet werden, das unbewegliche Reich Gottes haben, und das Leben und unvergängliche Wesen, welches Christus durchs Evangelium ans Licht gebracht hat, durch den Glauben ergreifen. (Magnus Friedrich Roos)
Das sage ich aber, liebe Brüder, die Zeit ist kurz. Weiter ist das die Meinung: Die da Weiber haben, sollen sein, als hätten sie keine.
Weil die Zeit kurz ist, weil die Stunde des Abschieds vielleicht schon bald kommt, darum liebe Weib und sind, Bruder und Schwester, so lange du sie noch hast, nur umso mehr! lieb, so lang du lieben kannst, lieb, so lang du lieben magst, Die Stunde kommt, Die Stunde kommt, wo du an Gräbern stehst und klagst. Dass das Wort: Die Zeit ist kurz! in deinen Ohren klingen, dass es dich antreibe zur ernstesten Erfüllung aller deiner Pflichten gegen die Deinen; dass du nichts auf morgen verschiebst, da du nicht weißt, ob sie noch morgen mit dir auf dem Wege sind, ob du ihnen morgen noch Gutes und Liebes erweisen kannst. Bald wirst du Mann deinem Weibe, du Sohn deinem Vater zum Grabe folgen; liebe sie so, dass dann an ihrem Grabe die Bitterkeit deines Schmerzes nicht noch verschärft wird durch den Stachel der Reue und schwerer Vorwürfe. Denk recht oft: Die Zeit ist kurz, und der Tag der Trennung rückt mit jedem Abend näher, dann kann ich an ihnen nicht mehr gut machen, was ich ihnen Unrecht getan; dann kann ich nicht mehr ihre Verzeihung erbitten - das wird deine Liebe zu den Deinen ernster und treuer machen. So oft du siehst, wie plötzlich der Tod Menschen scheidet und trennt, so oft höre daraus die Mahnung: Sehe hin und liebe du die Deinen so, als hättest du sie schon nicht mehr. Inniger soll unsre Liebe dadurch werden, aber auch reiner und heiliger. Es kann ja geschehen, dass Einer aus Liebe zu Weib und Kind in die Versuchung kommt, Unrecht zu tun, dass ein Freund den andern zur Sünde verführt mit dem Wort: Tu es mir zu lieb, weil du mich liebst. Wenn du je in solche Stunden kommst, dann sollst du Weib und Kind und Bruder und Schwester und Freunde haben, als hättest du wirklich keine mehr. Das ist die rechte Liebe. (Adolf Clemen)
Weiter ist das die Meinung, dass die da weinen, sollen sein, als weinten sie nicht, und die sich freuen, als freuten sie sich nicht.
Wir dürfen weinen, wir dürfen uns freuen. Aber wenn wir Leid tragen, sollen wir gedenken, dass den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens die Freude. Alles Leid hat seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit. Und wird's auch trüb und immer trüber, Wir sprechen still: Es geht vorüber! Durch Leid zur Herrlichkeit. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Und ebenso sollen wir uns freuen, als freuten wir uns nicht, allzeit eingedenk, dass das Wesen dieser Welt vergeht, also, dass es eine Freude sei ohne Reue, ohne Schaden an der Seele. Wir sollen durch die irdische Freude, wie durch das irdische Leid uns gleich sehr zu Gott ziehen lassen, wie der Apostel sagt: Leidet Jemand unter euch, der bete; ist Jemand guten Mutes, der singe Psalmen. Die Kinder der Welt stehen da, heute himmelhoch jauchzend, morgen zum Tode betrübt, denn sie freuen sich ja ohne Gott, und sie weinen ohne Gott. Sind wir aber Gottes Kinder, dann werden wir immer ähnlicher dem Bilde des Meeres, dessen Oberfläche wohl die Stürme bewegen, in dessen Tiefe es aber ganz stille ist. Was uns auch von Außen berühre, wir haben dann im Innersten unsrer Seele ein Allerheiligstes, dahin die Wechsel des Lebens nicht dringen, ein Allerheiligstes der Gemeinschaft mit Gott, wo sein Friede wohnt. Der sanfte und stille Geist, der ist köstlich vor Gott. (Adolf Clemen)