Galater 4,26
Andachten
Aber das Jerusalem, das droben ist, das ist die freie, die ist unser Aller Mutter.
Mit diesen Worten eröffnet uns St. Paulus die herrlichste und seligste Aussicht. „Das Jerusalem, das droben ist“! Wie schön ist es, wie strahlen seine Mauern von Jaspis, wie funkeln seine Mauergründe von Edelsteinen, wie glänzen seine Perlentore und seine goldenen Gassen! Wie selig muss es dort sich wohnen, wo alle Arbeit in Ruhe, aller Kampf in Sieg, alles Leiden in Herrlichkeit, alle Trennung in Wiedersehen sich verwandelt! Wie selig muss es dort sein, wo die Hütte Gottes bei den Menschen ist, wo er selbst bei ihnen wohnen wird, wo er abwischen wird alle Tränen, und der Tod nicht mehr sein wird, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen mehr sein wird, weil das Erste vergangen ist. Das Jerusalem, das droben ist! Wir singen davon: Jerusalem, du schöne, Ach wie helle glänzest du! Ach, wie lieblich Lobgetöne Hört man da in sanfter Ruh'! Ach, der großen Freud' und Wonne, Jetzund geht auf die Sonne, Jetzund geht an der Tag, Der kein Ende nehmen mag.“
Wir seufzen oft: Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir! Um so köstlicher und tröstlicher klingt es, wenn uns der Apostel zuruft: „Das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser Aller Mutter“. Wir sind ihre Kinder. Dort ist unsere Heimat. Wir haben ein Anrecht darauf, wie die Kinder ein Anrecht haben auf das Vaterhaus. Wir sollen die Güter erben und ihre Freuden schmecken in Ewigkeit.
Das ist die selige Aussicht, die wir von Golgatha haben. Aber auch nur von Golgatha. Jesus Christus allein ist es, der durch seinen Tod uns frei gemacht hat. Jesus Christus allein ist es, in dem wir die Welt überwinden. Jesus Christus ist es auch allein, der uns das Erbteil und den Eingang in das Jerusalem, das droben ist, durch sein Leiden und Sterben erworben hat. Glauben wir an ihn, so sind wir Kinder der Freien, Kinder der Verheißung, und werden alles ererben. Glauben wir nicht an ihn, so sind wir Knechte, Söhne der Magd, und es gilt auch von uns das Wort: Stoß die Magd hinaus mit ihrem Sohne; denn der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohne der Freien.
Wir sehen uns auf Golgatha unter den Schatten des Kreuzes Christi. Tief und fest steht der Kreuzespfahl in der Erde; tief und fest soll das Kreuz unsers Heilandes auch in unseren Herzen wurzeln, dass wir bestehen in der Freiheit, damit uns Christus befreit hat. Zur Rechten und Linken weisen die Kreuzesarme hinaus über die Erde, zum Zeugnis, dass alle Länder der Erde dem Gekreuzigten übergeben sind. Wir freuen uns dessen auch unter allen Anfechtungen und Verfolgungen und rühmen seine Macht und Herrlichkeit. Hoch über uns weist der Kreuzesgipfel zum Himmel hinauf nach dem Jerusalem, das droben ist, wohin unser Herzog und Hoherpriester uns vorangegangen ist, um uns die Stätte zu bereiten. Wir schauen fröhlich und in freudiger Hoffnung auf den Gekreuzigten und auf uns, um uns und über uns, und sprechen mit Petro: „Herr, hier ist gut sein, hier wollen wir Hütten bauen“!
Jesu, lass mich für und für Unter deinem Kreuze bleiben; Lass mich keinen Feind von dir Und aus deinem Schatten treiben: Denn dein Kreuz und deine Pein Ist mein Trost und Ruh' allein. (Friedrich Ziethe.)