Römer 2,3
Andachten
Denkst du aber, o Mensch, der du richtest die, so solches tun, und tust auch dasselbige, dass du dem Urteil Gottes entrinnen werdest? oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmütigkeit? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? Du aber nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufst dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes.
Das war der Juden Weise, das Heidentum zu richten, das ohne geschriebenes Gesetz sündigt, und selbst unter dem Gesetz, derselben Sünde verfallen sein. Was aber nützt die Güte Gottes, die sich den Juden offenbart hat in Gesetz und Verheißung; was nützt Seine Geduld und Langmut, womit Er sie getragen von Ägypten an bis auf diesen Tag, wenn das Alles ihnen den steifen Nacken nicht gebeugt und das harte Herz nicht zerbrochen hat?! Es ist ein gewaltiges Wort: weißt Du nicht, dass Dich Gottes Güte zur Buße leitet? Ja, wer weiß das? gerade darin zeigt sich das Grund-Verderben des Menschenherzens, dass man alle die ewige Güte, darin man lebt und webt, an sich reißen mag, aber lässt sich nicht dadurch beugen, sondern aufblähen, nicht niedrigen, sondern erhöhen, nicht zur Erkenntnis bringen, sondern in Verfinsterung. Was soll man doch sagen von einem Kinde, das seiner eigenen Mutter ins Antlitz schlägt, und ob sie ihm auch nachgeht mit aller Geduld und Sanftmut des Mutterherzens, so will es sich doch nicht locken lassen. Ja, wahrlich! das verstockte und unbußfertige Herz häuft sich selbst den Zorn, auf den Tag des Zorns. Darum, liebe Leser und Hörer, lasst uns doch an jedem Abende nach vollbrachtem Tageslaufe mit uns selbst Gericht halten, dass wir sorgfältig den Spuren göttlicher Güte nachgehen, die sich ganz gewiss reichlich und köstlich finden werden auf unserem Wege, und zwar nicht bloß in guten, sondern wahrlich auch in den sogenannten bösen Tagen, welche oftmals die heilsamsten sind; und alsdann lasst uns recht scharf und klar darauf sehen, ob wir ganz klein und geringe gewesen und geworden sind in unsern eigenen Augen, dass wir gar keine Zeit hatten, Andere zu verurteilen und vors Gericht der Zungen zu ziehen, sondern hatten überflüssig genug mit uns selbst zu tun, damit wir doch ja ganz unten blieben auf dem letzten Bänklein, wo man einzig von lauter Gnad' und Barmherzigkeit lebt und atmet. Das hilf uns auch heute Abend, lieber himmlischer Vater, und segne uns das unterste Bänklein! (Nikolaus Fries)