Johannes 12,24
Andachten
“Es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt's allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte.“
Möchten wir viele Früchte bringen oder unser Leben so halbwegs behaglich für uns genießen? Ist das letztere unser heißester Wunsch, so kann, wenn er erfüllt wird, unser Weg ums Sterben, das hier gemeint ist, herumkommen; aber dann geht es uns mit seinem Ertrage für die Ewigkeit verloren. Im andern Falle gilt nur der Todesweg. Nicht immer so massiv wie bei Jesus, aber dafür ist das Sterben über viele Tage und Stunden unseres Lebens verteilt. Wir werden stückweise unsere Aussichten und Hoffnungen auf Erdenglück in den Tod geben müssen. Früchte gibt es nur in dem Maße, wie wir unserm eigenen Ich abgestorben sind. Und das ist ein zähes, langlebiges Ding! Das ist schon längst zum Tod verurteilt und hat schon manchen starken Stoß erhalten, und es ist doch nicht tot. Man spürt sein empfindungsreiches Leben deutlich, wenn wir verkleinert oder verkannt werden. Dann bäumt es sich gekränkt empor. Anstatt, dass wir uns freuen sollten, dass unsre Gegner uns wieder ein Stück Tod des alten Menschen bereitet haben, begehren wir auf, als widerführe uns etwas Seltsames. Die Freiwilligkeit zum Sterben findet sich sogar bei denen, die sich gern „Gestorbene“ nennen, oft in sehr winzigem Grade.
Herr Jesu! Zieh uns in dein Sterben. Lass mit dir gekreuzigt sein, was doch zu dir nicht passt und dir nur im Wege steht. Lehre uns dein Leben besser erkennen und verspüren, damit uns unser Sterben leichter fällt. Amen. (Samuel Keller)
Wahrlich, wahrlich ich sage euch: es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein, wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte.
Wir feiern oft Gedenktage, aber bei jedem Gedenktag wird der große Unterschied sichtbar zwischen dem, was der Gefeierte selbst erreicht hat, und dem, was seither als Ernte aus seiner Arbeit erwachsen ist. Die Anerkennung, die er selber fand, und der Erfolg, der ihm nachher beschieden war, sind weit von einander verschieden. Es gilt von allem, was groß ist und bleibt: erst muss das Weizenkorn in die Erde hinein. Sprich hier nicht von einem harten Schicksal. Gottes Gnade schützt dich gegen dich selbst, indem sie vor deine Ernte das Sterben des Weizenkornes stellt. Würdest du dich, wenn du deine Ernte selber sähest und zu sammeln vermöchtest, nicht zu jenen Weingärtner gesellen, die sich selber die Frucht des Weinberges zueigneten? Ständest du nicht plötzlich an der Seite Nebukadnezars, der in Babel seine Stadt sah, die er erbaut habe? Was dich vor dir selber schützt, wehrt nicht nur Fall und Verderben ab, sondern hat schaffende Kraft in sich. Das, was am Weizenkorn wie ein Sterben aussieht, ist die Bewegung und Entfaltung des lebendigen Keims, der Anfang jenes Prozesses, der die Frucht hervorbringt. Aus der Entsagung entsteht der Erfolg, aus dem Gehorsam die Macht und darin, dass ich in mir selbst nichts bin, besteht meine Fähigkeit zu Gottes Dienst. Unter diese göttliche Ordnung hat sich Jesus mit entschlossener Festigkeit gestellt. Das Wort vom Weizenkorn, das sterben muss, stellt Johannes damit zusammen, dass einige Griechen nach Jesus fragten. Wie lockend war für ihn der Blick hinüber zu den Griechen! Während er am galiläischen See wohnte, hatte er die griechischen Städte fortwährend vor Augen und bei jedem Fest in Jerusalem sah er auch Männer, die aus den griechischen Ländern gekommen waren. Sein Blick auf sie war von jüdischem Stolz völlig frei. Er sah mit dem leuchtenden Auge der göttlichen Gnade auf die Völkerwelt. Die reiche Ernte kommt! Sie kommt aber nicht dadurch, dass er vor dem Kreuze flieht und die Gemeinschaft mit Jerusalem zerbricht. Nur dadurch, dass er den Gehorsam vollendet bis zum Tod auf Golgatha, kommt der große Erntetag, der aus Griechen Kinder Gottes macht. Er sagte seinen Jüngern: es gibt auch für euch keinen anderen Weg zur Ausrichtung eures Amts. Sie bauten die Kirche in Jerusalem. Das war nicht mehr als ein in der Erde sterbendes Weizenkorn. Allein so und nur so entstand die Kirche, die für alle Völker offen ist.
Ich preise dich, unser Herr und Haupt, dass du den Weg all der Deinen anders ordnest, als sie selber es sich wünschten. Uns alle umringen hemmende Schranken und Unvermögen ist das Kennzeichen unseres Tuns. Denn das, womit wir Gott ehren, soll unser Gehorsam sein. So bleiben wir bei der Schar, die sich um dein Kreuz versammelt, den Ort, an dem das Weizenkorn in die Erde fiel, die Stätte, wo du bis zum Tod gehorsam warst. Amen. (Adolf Schlatter)