Jeremia 31,3
Andachten
Jerem. 31,3: „Ich habe dich je und je geliebt.“
Gott hat, um uns zu lieben, nicht gewartet, bis wir etwas wären, sondern vor aller Zeit und sogar bevor wir das Wesen hatten, das wir besitzen, dachte Er an uns und hatte nur den Gedanken, uns Gutes zu tun. Was Er in der Ewigkeit beschlossen, das hat Er in der Zeit ausgeführt. Seine wohltätige Hand hat jede Art von Gütern über uns ausgebreitet. Weder unsere Untreue, noch unser Undank, die wir ihm fast ebenso oft bewiesen, als Seine Huld uns zu Teil ward, haben es vermocht, die Quelle Seiner Gaben versiegen zu lassen und den Lauf Seiner Gnade aufzuhalten. O Liebe ohne Anfang, die du mich geliebet seit unbegrenzten Zeiten, selbst damals, als ich sie nicht empfinden und erkennen konnte! Liebe sonder Maßen, die Du mich zu dem gemacht hast, das ich bin, und mir noch unendlich mehr verspricht! Liebe ohn Unterlass und ohne Wandel, welche meiner Verderbnis bittere Wasser nicht haben erlöschen können. Muss ich nicht durchdrungen sein von Dank und zärtlicher Liebe zu Dir, wenn ich noch ein Herz habe?
Aber was sehe ich? Einen Gott, der sich selbst dahingibt, nachdem Er alles darangegeben hat, einen Gott, der auch meine Nichtigkeit, bis zu welcher ich durch meine Sünden gesunken bin, nicht scheut, um mich zu suchen; einen Gott, der Knechtsgestalt annimmt, um mich aus der Knechtschaft meiner Feinde zu befreien; einen Gott, der arm wird, um mich reich zu machen; einen Gott, der mich ruft, der mir nachgeht, wenn ich ihm entfliehe; einen Gott, der unter Qual und Marter stirbt, um mich den Armen des Todes zu entreißen und mir ein seliges Leben zu schenken. Und doch will ich oft weder von Ihm, noch von dem Leben, das Er mir darbietet, etwas wissen. Wofür würde man wohl einen Menschen halten, der einen andern so liebt, wie Gott uns liebt? Und welchen Fluch sollte hienach nicht der verdienen, welcher unseren Herren Jesus Christus nicht liebt! (1. Kor. 16,22.) (François Fénelon)
Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt.
Ja, fürwahr, die Liebe Gottes gegen uns ist eine vollkommene. Darum verstehen wir es nun auch, dass Er auch von uns vollkommen geliebt sein will. Was ist vollkommene Liebe? Den Herrn, unseren Gott, lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und aus allen Kräften. Ihn ausschließlich und über alles lieben, das ist vollkommene Liebe. Wir verstehen darunter ein inniges, kindliches, beständiges, beharrliches Hangen am Herrn. So sehr ist hier die Seele Ihm verbunden, dass sie nicht mehr ohne Jesus sein kann. Nur Er ist ihr genug, aber Er genügt ihr so vollständig, dass sie nichts weiteres begehrt. Alles Wünschen, Sehnen und Verlangen ist in Ihm gestillt. Die vollkommene Liebe ist ein völliges Ja-Sagen zum Herrn in allen Dingen. Da ist denn das Herz allem abgewandt, das wider die Liebe und wider die Heiligkeit Gottes ist. Es sagt sich vollkommen los von dem Wesen dieser „Welt“ und von aller Liebe zu allem Eitlen dieser vergänglichen Erde. In dem Maße, als die Liebe Gottes das Herz erfüllt, hasst es die Sünde in jeder Form und Gestalt. Es ist abgewandt von den Finsterniswerken, es verlässt alles und entsagt allem, um den Herrn allein, um Ihn ganz, um Ihn beständig und immerdar zu haben. Erst wenn das klar vor unserer Seele steht: Gott liebt mich von Ewigkeit her und Er will vollkommen von mir geliebt sein, so werde auch ich Ihn wieder lieben können und werde darnach trachten, Seinen Willen zu tun. Betrachte die Liebe Gottes. Warum hat Er dich erwählt? Warum hing Jesus am Kreuz? Warum öffnet Er dir den Himmel? „Es ist das ewige Erbarmen, das alles Denken übersteigt.“ (Markus Hauser)
„Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“
Hier haben wir einen ewigen Gedanken Gottes, aus dem Anfang aller Zeiten her, und ehe noch die Erde war. Schaue rückwärts in die endlose Vergangenheit - lange zuvor, ehe die sichtbare Welt erschaffen war, ehe die Engel ihren ersten Lobgesang gesungen hatten, als Gott noch allein war in der erhabenen Einsamkeit und schrankenlosen Ewigkeit, da schon gedachte Er Deiner, und Sein Denken war - Liebe!
Erwäge die Macht und Hoheit dieser Liebe. Er spricht nicht: Du hast Mich geliebt mit deiner armen, irdischen Liebe, darum habe ich dich gezogen nein, nein! es liegt nicht an dir oder irgendwelcher Güte und Frömmigkeit deinerseits. Der einzige Grund von allem, was Er getan hat, ist Gnade: „Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit, durch Seine große Liebe, womit Er uns geliebt hat.“ - Er erklärt selbst: Ich erbarme mich, wessen Ich will. „Jakob (diesen listigen, eigennützigen Menschen) habe ich geliebt.“ Manasse, diesen elenden König, der den Thron entehrt und Jerusalem mit Blut überschwemmt hatte, hat Er geliebt. Den Missetäter, der ein ruchloses Leben geführt hatte, und am Kreuz noch lästerte, hat Er geliebt. Weshalb, so mag ein Jeder unter uns fragen, ist aus mir nicht ein Kain oder Judas geworden? weshalb bin ich nicht zu Grunde gegangen gleich einem gescheiterten Schiff, wie Tausende vor mir? - Einfach deshalb: „Ich habe dich geliebt.“ Ehe du noch jemals an Mich gedacht hattest, und sogar dann, wenn dein Denken an Mich feindselig, rebellisch, voll Hasses war, selbst da waren Meine Gedanken an dich Gedanken der Liebe.
Und diese allgewaltige Liebe, wie sie von Ewigkeit her war, so ist sie auch zu Ewigkeit, ihre Dauer ist ohne Ende. Die Liebe der Kreaturen ist von gestern her, sie kann morgen schon verflogen sein, vertrocknet wie ein Bach im Sommer, wenn man seiner am nötigsten bedarf gegen Gottes Liebe unaufhaltsam von den ewigen Bergen herniederströmt. Wir lernen ihre Inbrunst und Tiefe würdigen, wenn wir den Heiland beten hören: „auf dass die Liebe, damit Du mich liebst, sei in ihnen.“ Diesem köstlichen Gedanken will ich mit dankbarer Freude nachsinnen, wenn mein banges Herz zagt und schwankt, wenn Zweifel sich erheben wollen - er ist ja eine ununterbrochene Kette von Liebe, jedes Glied derselben Liebe, und verbindet die Ewigkeit, die immer gewesen ist, mit der zukünftigen Ewigkeit. Gott hat an mich gedacht vor Grundlegung der Welt, hat mein zukünftiges Los und die ewige Seligkeit vorausbestimmt für mich, und sucht jetzt, den ganzen Schatz ewiger Liebe in Seinem Herzen tragend, wie Er durch dieselbe mich zu Sich ziehen möge.
Das ist der unaussprechliche Reichtum Seiner Liebe in Jesu Christo, das ist die gewaltige Anziehungskraft des Kreuzes, wodurch Er Seine Gläubigen von jeher zu Sich gezogen hat. „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie Alle zu Mir ziehen.“ Joh. 12,32. Zeuch uns denn Dir nach, Herr! so laufen wir. Zeige uns Deine wunderbare Güte, die Du uns in Deinem lieben Sohn hast kund werden lassen. Zwinge uns, Dich wieder zu lieben in Ihm, weil Du uns zuerst geliebt, und so sehr geliebt hast.
Weil denn weder Ziel noch Ende
Sich in Gottes Liebe find't,
Ei! so heb ich meine Hände
Zu Dir, Vater! als Dein Kind!
Bitte, wollst mir Gnade geben,
Dich aus aller meiner Macht
Zu umfangen Tag und Nacht,
Hier in meinem ganzen Leben;
Bis ich Dich nach dieser Zeit
Lob und lieb' in Ewigkeit. (John Ross MacDuff)