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Jesaja 64,1

Jesaja 64,1

Andachten

In dieser heiligen Adventszeit, wo das Gebet auf den Lippen aller Betenden liegt: „Ach, dass Du den Himmel zerrissest und führest herab!“ will ich in mich gehen und mich vor Dir, o Du mein Gott, sammeln, um im Stillschweigen das Geheimnis Deines Sohnes anzubeten und zu erwarten, dass Er im Grunde meines Herzens geboren werde.

Ich harre Dein, o göttlicher Jesus, wie die Propheten und Patriarchen Dein geharret haben. Von Herzen sage ich mit ihnen: „Träufelt, ihr Himmel, von oben, und die Wolken regnen die Gerechtigkeit, die Erde tue sich auf und bringe Heil.“ Du bist schon einmal gekommen, und die Deinen haben Dich nicht erkannt. Komme wieder, Herr, die undankbare Erde zu schlagen und die verblendeten Menschen zu richten. Wann wird es doch von oben über uns herab kommen, das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Wahrheit? Wann wird Dein Gericht über die verhärtete Welt hereinbrechen und der Tag Deines Triumphs? Erhebe Dich, Gott, richte Deine eigne Sache, rechtfertige Dich vor den Augen aller Völker: Deine Ehre suchen wir und nicht die unsere.

Ja, ich liebe Dich um Deinet-, und nicht um meinetwillen. Mein Herz grämt sich, dass ich die Ungerechtigkeit auf Erden überhand nehmen sehe und Dein Evangelium mit Füßen treten. Es grämt sich, dass ich mich wider meinen Willen der Eitelkeit unterworfen sehe. Wie lange, Herr, willst Du Dein Erbteil trostlos lassen? Kehre doch wieder, Herr Jesus, wende das Licht Deines Antlitzes wieder zu uns. Ich will nichts von den Dingen, die mich hienieden umgeben: sie werden bald nicht mehr sein. Die unermesslichen Vesten des Himmels werden zusammenstürzen, diese mit Sünden bedeckte Erde wird durch das rächende Feuer verzehrt und erneuert werden. Die Sterne werden herabfallen, ihr Licht wird verlöschen; die Elemente werden zerschmelzen und die ganze Natur zu Grunde gehen. Der Gottlose zittre, wenn das geschieht! Ich aber rufe mit Liebe und Vertrauen: schlage, Herr; verherrliche Dich, und rotte aus Alles, was Deiner Heiligkeit zuwider ist. Schlage auch mich und schone mein nicht, um mich zu reinigen und Deiner würdig zu machen. Ach, diese unverständige Welt ist nur mit dem gegenwärtigen Augenblick beschäftigt, der flugs dahin ist. Alles hier vergehet, und man will sein genießen, als würde es ewig bleiben; der Himmel und die Erde vergehen wie ein Rauch; Dein Wort allein bleibet in Ewigkeit! O Wahrheit, man kennet Dich nicht! Die Lüge wird angebetet und erfüllt des Menschen ganzes Herz. Alles ist falsch, Alles betrügt. Alles, was gesehen, Alles, was berührt werden kann, Alles, was sinnlich ist, Alles, worüber die Zeit Gewalt hat, ist Nichts. Muss denn dieser flüchtige Traum sich Wahrheit dünken und Deine unbewegliche Wahrheit für einen Traum gehalten werden? Ach, Herr, warum duldest Du ein solches Wesen? Die ganze Werde ist in Todesschlummer gefallen: wecke sie auf durch Dein Licht. Ich, Herr, ich will nur Dich; ich warte nur auf Dich; ich fürchte den Tod nicht, er ist die Befreiung Deiner Kinder. Ja, Herr, wir werden sterben, und der unglückliche Zauber wird sich plötzlich zerstreuen. Ich will Dich lieben, Herr, ich will Dich allein lieben, und mich nur in Dir und um Deinetwillen. O wie habe ich Deine Zukunft so lieb! Schon hebe ich nach Deinem Befehl die Augen und das Haupt auf, um Dir entgegen zu gehen. Ich bin schwach, elend, zerbrechlich; ich habe, wenn Du mich nach der Strenge Deiner Gerechtigkeit richtest, Alles zu fürchten; allerdings! aber eben meine Zerbrechlichkeit lehrt mich, dass das Leben Gefahr, und der Tod eine Gnade ist.

O Herr, nimm hinweg die Sünde; komm, und regiere in mir; entreiße mich mir selbst, und ich werde allein Dein sein und keines Andern. Was habe ich auf der Erde zu tun? Was kann ich hoffen in diesem Tränental, wo das Böse alle Gewalt zu haben scheint und das Gute unvollkommen ist? Nur Dein Wille kann mich darin zurückhalten. Ich habe nichts lieb von allem dem, was ich sehe; ich will nichts lieb haben als Deine Zukunft, und mich selbst nur in Dir und Deinem Wohlgefallen. Amen. (Friedrich Arndt)


Ach! dass Du den Himmel zerrissest und führest herab!
Nicht wahr, wie verzweifelt, wie sehnsuchtsvoll klingt dieses Geschrei, gleichsam aus langem, tiefem, innerem Ringen herausgeboren? Und es ist das Geschrei der Besten und Edelsten des Menschengeschlechts aus allen seinen Zeitläuften. Ach, wohin wir auch schauen auf dieser Erde, überall fließen der Tränen so viel. Wohin wir lauschen, überall verborgenes Seufzen und dumpfes Stöhnen, oder auch lautes, schrilles Wehklagen. Tränen und Seufzer über vielnamiges leibliches Leid und noch mehr über Herzenszerrissenheit, über schnöde Ungerechtigkeit, über betrogene Hoffnung, ungestillte Sehnsucht; finstere Verzweiflung über eigene Schuld, und Murren und Klagen und grimmer Zorn über fremde Schuld! Und die lustige Freude sie schwindet so schnell, und alle lachenden Blumen verwelken so schnell und aller Jubel und Reigen verklinget so schnell und wird allermeist schon, ehe er verklungen ist, übertönt von der großen finsteren Totenklage, die immer wieder anhebt im Geschlechte der Menschen, gleichviel unter welchem Himmelsstrich, gleichviel in welchem Jahrhundert es lebt. Und dieses Menschengeschlecht, obgleich es aus tausend Wunden blutet, hat doch eine unendliche Sehnsucht nach Leben ohne Tod, nach Freude ohne Schmerz, nach Glück ohne Störung, nach Vollkommenheit, nach Herrlichkeit, nach Frieden. Ist denn kein Arzt da, der helfen kann? Kein Balsam um die Wunden zu heilen? „Ach, dass Du den Himmel zerrissest und führest herab!“ - fleht der Prophet. „Bleibt uns mit dem Himmel weg!“ - antworten unzählige Kinder unseres Geschlechts. „Mag er nur hübsch verschlossen bleiben; was daher kommt, stört uns in unserem Werk und in unserem Genuss. Wir wollen uns ohne den Himmel behelfen, wollen uns, die Erde zum Himmel machen.“ Aber ach, sie die so sprechen, stehen vielleicht eine Stunde nachher ratlos, trostlos, von aller Kreatur und sich selbst verlassen, da und verzweifeln. Wahrlich, man muss es dem Menschengeschlecht nachsagen, dass es sich durch so viele Jahrtausende hindurch redlich gemüht hat, sein Heil zu schaffen. Es hat ritterlich gekämpft gegen die widrigen Mächte, es hat in saurem Schweiß gearbeitet und gerungen, um Glück und Freude zu finden. Und in der Tat, Großes ist erlangt. Das Unmögliche ist möglich geworden. Kunst und Wissenschaft, Kultur und Industrie und Handel, sie haben zusammengewirkt mit treuem Fleiß, um das Leben so reich und glänzend zu machen, wie es nun vor uns liegt. Ein Geschlecht trat immer auf die Schultern des vorigen und wirklich, wir sind hoch gestiegen und wir steigen noch immerfort. Kein Tag ist der nicht neue Erkenntnisse, kein Tag der nicht neue Genüsse und Freuden schafft für das wissenslustige, genusssüchtige, freudesuchende Menschengeschlecht. Und doch fließt keine Träne weniger, wie vor Jahrtausenden, und doch ist der Herzenszerrissenheit, der Unzufriedenheit, des Murrens, Hassens, Neidens, Zürnens nicht weniger, und doch ist, - trotz aller Arbeit des Menschengeschlechts, - das furchtbare Gesetz des Todes auf keinem einzigen Punkte gebrochen, und immer wieder und überall tönt die alte Klage, dass Alles, Alles eitel sei!

Wann endlich wird das gehegte Menschengeschlecht klug werden und hinaufschauen lernen und zu Gott schreien: „Ach, dass Du den Himmel zerrissest und führest herab!“ Der Himmel ist die Heimat des wahren Friedens, des bleibenden Glückes und Lebens, er muss zerrissen werden, von seinen Gütern und Kräften muss das Menschengeschlecht empfangen; der Himmel ist die Wohnung Gottes; Gott selbst muss durch den zerrissenen Himmel herniederfahren und ein Neues schaffen. Das erkannten selbst die Weisesten unter den Heiden, das erkannten noch sicherer die gläubigen Kinder des alten Bundes. Flehend schauten sie hinauf zu dem Himmel, den unsere Sünde verschlossen hatte: „Ach, dass Du, Gott, den Himmel zerrissest und führest herab!“ Wie Gott helfen werde, das wussten sie nicht, aber dass Gott allein wahres Heil schaffen könne, das wussten sie. Wie Gott helfen werde, das wussten sie nicht, dass ihnen aber auf keinerlei andere Weise als durch innere Erneuerung, durch Rettung von der Sünde, könne geholfen werden, das wussten alle die aufrichtig waren. Und die sich also aufwärts und einwärts mit lauterem Sinne gewendet hatten, die empfingen auch das innere Zeugnis, dass sie nicht vergeblich nach oben schauen, nicht vergeblich Gottes harren würden.

Diese, die also gesinnt waren, die so ihr Herz nach Oben und nach Innen hin gekehrt haben, das waren zu jeder Zeit die rechten Adventsleute und diese sind's auch heute noch. Und wenn du, lieber Leser, Einer von diesen bist, so wird auch dir bald die Weihnachtssonne freundlich strahlen. Du wirst erkennen, dass der Himmel zerrissen ist zum Besten der Erde und dass Gott herabgefahren ist, grade wie Gottes Volk erbeten hat; ja noch mehr, du wirst sehen, dass eine Leiter gestellt ist, die von der Erde bis zum Himmel reicht, und wirst Macht und Mut empfangen hinaufzusteigen aus dem Lande des Todes und der Sünde dahin, wo die heiligen und herrlichen Wohnungen Gottes sind.

Das schreib dir in dein Herze,
Du hochbetrübtes Heer,
Bei denen Gram und Schmerze
Sich häuft je mehr und mehr:
Seid unverzagt! ihr habet
Die Hilfe vor der Tür;
Der eure Herzen labet
Und tröstet, steht allhier. (Otto Funcke)

Predigten

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