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Lukas 2,35

Lukas 2,35

Andachten

Und Simeon sprach zu Maria: Es wird ein Schwert durch deine Seele dringen.
Wer kennt nicht die schöne Sage von dem heiligen Christophorus? Das war ein stolzer riesenhafter Recke, der hatte sich vorgesetzt, er wollte nur dem größten Herrn auf Erden dienen. So kam er zu vielerlei Patronen, da er immer merkte, dass Einer sich vor dem Andern fürchte. Endlich meinte er den Mächtigsten und Stolzesten gefunden zu haben, bis eine Gelegenheit kam, da sich befand, dass auch dieser sich fürchte, nämlich vor dem Teufel. So ging denn Christophorus in des Teufels Dienst. Aber noch war er nicht am Ziele seiner Fahrten. Als nämlich eines Tages der Teufel einen weiten Umritt machte, um ein Kreuzesbild herum, auch nicht leugnen konnte, dass er den Gekreuzigten fürchte, beschloss Christophorus von Stund an Christo zu dienen. Allein, der war nicht so leicht zu finden und zu greifen. Von einem frommen Einsiedler wurde der Riese endlich belehrt, es würde Christo wohlgefällig sein, wenn er über einen gewissen reißenden Strom die Pilgrimme herüber und hinüber trage und vor Gefahr des Ertrinken hüte. Christophorus war manches Jahr treu und geduldig in diesem schweren Amte, doch war sein Verlangen groß, nun endlich auch einmal seines Herrn Christi selber ansichtig zu werden.

Da, in einer finsteren Sturmesnacht, tönte eine sanfte, helle Stimme über den Strom: „Opherus, hol über!“ Der Mann stand gelassen auf und watete durch den Strom. Ein kleiner lieblicher Knabe empfängt ihn hier mit der Frage: Ob er sich wohl getraue, ihn durch das Wasser zu tragen? Lächelnd und wie spielend hob der Riese das Kind auf seine mächtige Schulter und begann seine Fahrt. Aber was war das? Schwerer und schwerer wurde das Kindlein über dem Tragen; Mark und Bein zitterten dem Riesen, auf der Stirne stand ihm der Schweiß und hätte es ihm der Stolz nicht verboten, er hätte vor Angst geschrien. Mühsam erreichte er das andere Ufer und legte das Knäblein auf den Boden. Aber ein neues Wunder geschah. Das Kind verwandelte sich in eine hohe, heilige, lichte Gestalt voll Erhabenheit und Majestät, und siehe, die Weltkugel lag in seiner Hand. Da ahnte Christophorus, dass er seinen Herren selber getragen, und anbetend sank er nieder und sprach: „Dir wollte ich dienen und helfen, und nur leicht erschienest Du mir. Aber Du bist mir überschwer geworden. So flehe ich Dich an inbrünstig: hilf Du mir, so ist mir geholfen allezeit!“

Ja, so erging es nicht nur dem Christophorus! Wir Alle, die wir Christo dienen wollen, versinken in den Fluten, wenn nicht Er uns dienet. Denn tief und wunderbar sind seine Pfade und sein Weg führet durch große Wasser, und nur durch Ihn bleiben wir bei Ihm. Das wollen wir heute verstehen lernen, da wir gestern den freudenreichen Glanz der Christgestalt, die alle Kreaturen erleuchten, durchleuchten und beseligen will, geschaut haben.

Wir finden heute die Eltern Jesu mit ihrem Kindlein im Tempel, um es dem Herrn darzubringen nach dem Gesetz. Große, zukunftsreiche Worte hat der alte Simeon über dem Kindlein weissagend geredet. Dann aber heftete sich sein Blick auf die Mutter und er segnete sie (o wunderbarer Segen!); „Auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen.“

Wie wird das jugendliche Weib angstvoll zusammengefahren sein bei diesem fast grausig klingenden Wort des ehrwürdigen Alten! Bis dahin hatte sie von Engeln und Menschen nur süße, begrüßende, heilverheißende Stimmen gehört. Sie war selig gepriesen worden und hatte sich selbst selig gepriesen, dass sie des Messias Mutter werden sollte. Auch was so eben der alte Simeon über ihrem Kindlein geweissagt hatte (V. 29-32), konnte nur die stolzeste, heiligste Freude in ihr wecken. Und nun so ein Wort: „Auch durch deine Seele wird ein Schwert gehen!“ Was konnte man Schrecklicheres sagen? Ach, nur zu bald sollte sie erfahren, dass Simeon Wahrheit geredet hatte. Von dem Tage an, da sie ihr geliebtes Kind in finsterer Nacht vor dem Schwerte des Tyrannen ins Heidenland retten musste, bis dahin, wo sie als mater dolorosa (Schmerzensmutter) unter dem Kreuz ihres Eingeliebten stand, hat ihr die Sonne der Gnade manchmal den Schein verloren und oft hat sie des Schwertes denken müssen, davon Simeon redete. Es war für die Mutter Maria wie ein innerer Tod, dass sie allen besonderen Ansprüchen auf ihr Kind entsagen und es der ganzen Welt überlassen musste. - Aber nicht nur als Mutter empfand sie jenes Schwertes Bitterkeit, sondern auch als Israelitin. Samt allen Gläubigen jener Zeit hatte auch sie einen schnellen und glänzenden Siegesgang des messianischen Reiches gehofft. Und nun wurde der König zum Opferlamm, und nun weihte er seine Getreuen, die mit ihm herrlich triumphieren wollten, zum Tode. Wenigen nur wurde der Heiland „zum Auferstehen“, Unzähligen zum Fall, zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. (V. 34). Das wurde je länger je mehr offenbar. Die Nationen tobten gegen den Gesalbten des Herrn und am schlimmsten wütete Israel selbst. O das waren harte Wege für die Jünger, darüber haben sie sich alle geärgert und nur weil ihre Liebe stärker war wie ihr Glaube, haben sie sich wieder zurechtgefunden. Aber manches Schwert ging dabei durch ihre Seele.

Gar tiefsinnig hat die Kirche den heutigen Tag dem Andenken Stephani, des ersten Märtyrers Christi, geweiht. Dicht neben dem neugeborenen König steht der erste Blutzeuge; zu einem gewissen Zeichen, dass die Entwicklung des Christusreiches durch Blut und Tränen hindurchgehe und dass der Friedefürst dennoch vorerst nicht gekommen sei, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Wer die Welt kennt, wer das Menschenherz kennt, wer in seinem eigenen Herzen täglich und immer wieder den Widerstreit gegen das Wort von der züchtigenden Gnade findet, der begreift das.

Und ergeht es nicht Unzähligen, die in den Weg Christi eingegangen sind, eben also wie der Maria? Der Anfang ist so lieblich und so freudenreich, aber dann kommt das Schwert. Wenn du, lieber Leser, ein verwahrlostes Kind als dein Kind annehmen würdest, nicht wahr, zuerst würdest du alles Mögliche tun, es an dich zu fesseln, ihm Vertrauen und Liebe zu wecken, und manche Unart und Torheit würdest du übersehen und ungestraft lassen? Dann aber, wenn dein Herz erst des Kindes Herz gefunden hat, dann beginnt die Erziehung. - So ist's bei dem Herrn. Haben wir nach langem Ringen, Suchen, Zweifeln endlich verstanden, was das ist, dass wir Ihn zum Heiland haben, so lässt er erst seine ganze Holdseligkeit und Freundlichkeit ins Herz hinein strahlen. Wir irren aber sehr, wenn wir denken, das werde so von Freude zu Freude, von einer seligen Erkenntnis zur andern fortgehen und wir würden so selbstverständlich fortwachsen ins himmlische Leben hinein. O nein, ganz anders ist sein Weg! Nun erst, nachdem er es uns innerlich angetan hat, dass wir nicht mehr von Ihm los können, nun kann Er schon etwas mit uns wagen Es kommt die bittere Schule, die in die Tiefe führt. Man meinte sich schon zu kennen, aber ach, wie muss man nun vor den inneren Offenbarungen des Geistes zu Schanden werden und erröten! Nun führt er uns hinein in die Erkenntnis so mancher geheimen Eitelkeit, so mancher inneren Unwahrhaftigkeit, so mancher verborgenen Lieblosigkeit, dass wir über uns selbst erschrecken! Nun stellt er uns hin vor so manche alte Schuld, die wir längst vergessen, an so manche finstere Stelle unseres vorigen Lebens, davon wir gar nicht wussten. Wie Vieles muss nun ans Licht gezogen und enthüllt werden, was wir, ohne es zu merken, so klüglich verhüllt hatten. Da werden wir zu Nichte über so manchem, das wir für Tugend hielten, was auch die Menschen mit hohem Lobe priesen, und müssen bekennen: Es war nur Fleisch und Eigengerechtigkeit, Eigenwillen, übertünchtes Grab. - Ja, da erfährt man dann, was es heißt, „seine Seele verlieren“, was es heißt, wenn Jehovah spricht: „Ich will sitzen und schmelzen.“

Und um uns in diese schaurigen und doch so heilsamen Tiefen der Selbstverdammnis hineinzuführen, dazu müssen denn gar oft allerlei schwere Trübsale dienen. Auf dass wir uns selber finden und den Herrn finden und von dem Eitlen uns lösen, greift unser himmlischer Erzieher meist da ein, wo es am allerwehesten tut. Nicht wahr? so manche süße Hoffnung brach dir zusammen, seit du in der Schule Jesu warst; so manche liebe köstliche Blume, die du dir im Sonnenschein Gottes groß gezogen hattest, welkte dahin! Du aber konntest dir nicht denken, dass dein Jesus so hart mit dir fahren werde. Du sagtest ihm das auch: „Mein Heiland, mein König, der du sitzest auf dem Thron der Herrlichkeit und dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, - das kannst, das wirst du nicht tun!“ Und du rangest, flehtest, weintest, - klagtest, trotztest, zagtest auch wohl, aber das Schreckliche geschah doch und du standest, an den Trümmern deines Glückes.“ Ja, da fuhr auch durch deine Seele das Schwert der Maria; es ist nimmer stumpf geworden.

Aber wo Gottes Schwert ist, da ist auch Gottes Balsam. Sei getrost! du hast das erfahren und wirst es erfahren. Ist das Kindlein auch schwer bis zum Versinken hin, völlig wirst du doch nicht versinken, du lieber Christophere! Und so du nur stille hältst und auf ihn blickst, wirst du mitten im Leid seine Stimme hören, die dir redet von dem seligsten Ziel und ewigen Heil und Herrlichkeit; und wirst zu Zeiten wunderbar erhoben werden durch den Vorschmack der Kräfte und Güter der himmlischen Welt, und wirst manchmal schon hier im Erdenleben noch erkennen, dass gerade in den Ereignissen, wo dir alle Erdenhoffnung zu versinken schien, dass grade da deine tiefsten Hoffnungen erfüllt wurden, und wirst daraus eine gewisse, freudenreiche Verheißung nehmen, dass endlich noch Alles, Alles mit dir und den Deinen und dem ganzen Reich des Herrn auf Erden zu einem seligen Ziel kommen wird und alle Klagen endlich auslaufen müssen in ein großes, wunderbares, nimmer verklingendes Halleluja.

Das Kreuz ist dennoch gut,
Obgleich es wehe tut:
Der gute Gott es gibet,
Drum muss es sein geliebet;
Ei fasse guten Mut!
Was bitter ist im Munde,
Ist innerlich gesunde;
Es ist so gut, so gut. (Otto Funcke)

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