Und sie kamen gen Jericho. Und da er aus Jericho ging, und seine Jünger und ein großes Volk, da saß ein Blinder, Bartimäus, Timäi Sohn, am Wege und bettelte. Und da er hörte, dass es Jesus von Nazareth war, fing er an zu schreien und zu sagen: Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und viele bedrohten ihn, er sollte still schweigen, er aber schrie viel mehr: Du Sohn Davids! erbarme dich meiner!

Von Alters her hat es die Kirche geordnet, dass man vom blinden Bartimäus predige am Sonntage vor der Fasten, da das Evangelium anhebt: Seht, wir gehen hinauf gen Jerusalem, und es wird Alles vollendet werden, was die Propheten geschrieben haben von des Menschen Sohn. Warum denn? nun, sind wir nicht Alle blinde Bettler gewesen, bevor Sein Licht uns erleuchtet? sitzen nicht noch Tausende von blinden Bettlern am Wege und erbetteln sich die elenden Almosen, welche die Welt ihren Kindern zuwirft und womit Satan die Seelen ködert: etliche Silberlinge oder Goldstücke, bunte Fetzen und Flitter, Leckerbissen und Rausch-Trank, Titel und Orden, oder andere Dinge, die alle von Rost und Motten verzehrt werden; und dabei sind sie blind für alle Herrlichkeit Gottes und Seines Reiches, blind für die Schönheit der zukünftigen Welt, blind, da der Eingeborene vom Vater Sein Antlitz leuchten lässt über uns voll Gnade und Wahrheit. Und Jesus von Nazareth geht an ihnen vorüber; o, wie oft! und sie merken's nicht, sie achten nicht darauf. Auch jetzt, in der heiligen Passion, könnten sie wohl hören das Rauschen Seiner Füße, und die Lobgesänge, die Ihn begleiten, und das Wehen des Geistes, das mit Ihm zieht. - Bartimäus hörte es, und da kam's über ihn, dass er schreien musste: Erbarme Dich! und als sie ihn bedrohten, schrie er nur um so lauter, denn seine Seele war erwacht! Die arme, blinde Seele! der Name: „Jesus von Nazareth“ hatte sie getroffen und geweckt. Jesus von Nazareth geht vorüber! o der heiligen und seligen Botschaft! wie sollen wir sie doch recht nutzen? Nicht wahr, da wollen wir zuerst und zumeist bitten: Jesu, gib gesunde Augen! rühre meine Augen an, denn das ist die größte Plage, wenn am Tage man Dein Licht nicht sehen kann. Und sodann wollen wir gern allen Blinden als Handleiter dienen, damit sie an den Weg kommen, wo Er vorübergeht, und wollen's ihnen beibringen, wie man schreie, laut und immer lauter: Erbarme Dich! Jesu, erbarm' dich mein! (Nikolaus Fries)

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