Johannes 9,4
Joh. 9,4: „Die Nacht kommt, da Niemand wirken kann!“
Andachten
Die Zeit ist kostbar, aber man kennt ihren Wert nicht; man wird ihn jedoch erkennen, wenn es nicht mehr am Platze ist, davon Nutzen zu ziehen. Unsere Freunde verlangen sie von uns, wie wenn es nichts wäre, und wir geben sie hin in derselben Weise. Oft ist sie uns zur Last, wir wissen nicht, was damit anfangen, wir sind verlegen darum. Der Tag wird kommen, wo uns keine Viertelstunde schätzbarer und wünschenswerter erscheint, als alle Glücksgüter der Welt. Gott, der freigebig und herrlich in allem ist, lehrt uns durch die weise Einrichtung Seiner Vorsehung, mit welcher Umsicht wir unsere Zeit ausnützen sollten, da er uns niemals zwei Augenblicke zusammen gibt, und uns den zweiten nur so bewilligt, dass er den ersten zurückzieht und den dritten in seiner Hand behält mit der gänzlichen Ungewissheit, ob wir ihn erlangen werden. Die Zeit ist uns gegeben, um auf die Ewigkeit vorzubereiten, und die Ewigkeit wird nur zu lange sein, um den Verlust der Zeit zu beklagen, wenn wir sie missbraucht haben.
Unser ganzes Leben gehört Gott ebenso wie unser ganzes Herz. (Das eine wie das andere) Beide sind nicht zu viel für Ihn; Er hat sie uns nur gegeben, um Ihn zu lieben und Ihm zu dienen. Entreißen wir ihm also nichts davon. Wir können nicht in jedem Augenblick große Dinge ausrichten, aber wir können doch immer solche tun, die unserem Zustand angemessen sind. Durch Schweigen, Leiden und Beten, wenn wir nicht gezwungen sind, nach außen hin zu handeln, bringen wir Gott viel dar. Ein widriger Zufall, ein Widerspruch, ein Murren, eine Ungerechtigkeit, die man im Hinblick auf Gott auf sich nimmt und erduldet, sind wohl eine halbe Stunde Gebetes wert, und man verliert seine Zeit nicht, wenn man inzwischen Sanftmut und Geduld übt. Aber dazu muss ein solcher Verlust unvermeidlich sein und wir dürfen ihn uns nicht durch unsern Fehler verschaffen. So ordne also deine Tage, und kaufe die Zeit aus, wie St. Paulus sagt, fliehe die Welt und überlasse ihr die Güter, die die Zeit nicht wert sind, die sie uns kosten. Lass dahinten die Vergnügungen, die unnützen Verbindungen, die Herzensergüsse, die der Eigenliebe schmeicheln, die Unterhaltungen, die den Geist nur zerstreuen und (zu nichts führen) nutz- und zwecklos sind. Du wirst Zeit für Gott finden und nur diejenige ist wohl angewandt, die für Ihn verwendet ist. (François Fénelon)
“Ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“
Wenn der Mensch die ersten Gnadenrührungen des Heiligen Geistes entweder aus Unachtsamkeit und Trägheit nicht wahrnimmt oder dieselben unter mancherlei scheinbarem Vorwand vorbeistreichen lässt, ohne dabei im geringsten mitzuwirken, so ist das die einzige Ursache, warum er zum öftern in seinem ganzen Leben ein ungetöteter und eigenwilliger Mensch bleibt und zum Empfang des Heiligen Geistes ganz ungeschickt ist. Es lässt sich aber manche Seele von dieser Mitwirkung durch den scheinbaren Vorwand abhalten, als ob sie auf solche Weise ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachte und Gott dem Herrn gleichsam in sein Recht greife. Allein ob es wohl an dem ist, dass der Mensch bei seinem eigenen Wirken gar leicht auf Irrwege gerät und die erste Wirksamkeit mit viel Gebrechlichkeit gepaart geht, so müssen wir doch darum die Hände nicht in den Schoß legen, sondern wir müssen durch die uns zuvorkommende Gnade treulich und, soviel wir nur können, mitwirken und die göttlichen Aufforderungen ins Werk zu setzen suchen. Wer nicht eher anfangen will, Gutes zu tun, bis er dazu vollkommen geschickt und tüchtig ist, der wird nimmermehr dazu gelangen. Wir müssen zuerst das ABC lernen, ehe wir lesen wollen. Ebenso müssen wir auch in der Schule des Heiligen Geistes erst Kinder sein, ehe wir zum männlichen Alter gelangen und Väter vorstellen können. Lasst uns deswegen in kindlichem Vertrauen auf den göttlichen Beistand als schwache Kinder tun, was wir können, und Gott dabei ernstlich anflehen, dass er in und durch uns tun wolle, was wir nicht können! Können wir unsre Lektion nicht fertig hersagen, so lasst sie uns wenigstens herstammeln! So oft wir als schwache Kinder fallen und straucheln, so oft lasst uns unsre schwachen Knie auch wieder aufrichten und den Lauf von neuem anheben; so wird uns der Herr ganz sicher seine hilfreiche Hand darbieten und uns zum Ziel bringen! (Gerhard Tersteegen)
“Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“
So merkwürdig solch ein Wort klingt, wenn Jesus es auf sich selbst anwendet - es hat doch auch dann einen Sinn. Sein Tagewerk auf Erden musste er vollenden. Nachher hätte er nichts mehr von dieser Art nachholen können. Was seither der Heilige Geist an Jesu Gemeinde wirkt, entnimmt er dem Stoff von Jesu Erdenarbeit. Das ist auch eine Predigt an uns! Leben wir immer unsere Arbeitstage und Arbeitsgelegenheiten mit dem Bewusstsein, dass sie so nie ganz wiederkehren? Solange es Tag ist, gilt es, die Tagesleistung zu vollenden, und dazu gibt es Hilfe: wie deine Tage sein werden, wird deine Kraft sein! Nicht mehr und nicht weniger. Ach, dass wir von Jesu nicht nur den Stoff und die Anregung, sondern auch die Treue nähmen, dass uns doch keine verträumte Gelegenheit einst mit hohlen, leeren Augen anzusehen braucht: An mich hast du nichts von deiner Teilnahme und deinem Herzblut gewandt! Dazu kommt noch das eine, dass wir nicht wissen, wie lange unser Tag noch dauert und wann der Tag anderer anbricht, und dass wir gar nicht absehen können, wie groß das Tagewerk ist, das wir hätten leisten sollen.
O Herr Jesu, mach mich treu in Kleinigkeiten von Zeit und Kraft, und öffne mir die Augen zu sehen, was ich soll! Das Wissen soll mich dann treiben zum Tun! Ein Tagewerk für den Heiland! Herr Jesu, segne mir Arbeit und Gelegenheit um deinetwillen! Amen. (Samuel Keller)
Ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat, so lange es Tag ist, es kommt die Nacht, da Niemand wirken kann.
Wie beständig und beharrlich war Jesus im Dienste Seines himmlischen Vaters! Des Morgens, vor Tag, stand Er auf und, nachdem Er in die verborgene Gebetsgemeinschaft mit Seinem Gott getreten war, fing Sein öffentliches Wirken an. Es war Ihm gleich, wo Er Sich befand: ob auf dem wogenden Meer oder am Bergesabhang, in der Wüste oder am Brunnen, die holdseligen Worte gingen immer aus Seinem Munde. Bei einer bestimmten Veranlassung hören wir, dass Er nach einem Tage unaufhörlicher Pflichterfüllung der Ermüdung erlag; - und bei der Überfahrt des Sees Tiberias schlief! (Matth. 8.) Er wusste jeden teuren Augenblick zu benutzen; die Worte, die Er an den Pharisäer richtete, sind uns Allen eine Vorschrift: Simon, Ich habe dir Etwas zu sagen! Ach, wie versinkt unsere eifrigste Tätigkeit vor einem solchen Vorbild in nichts! Könnten wir nur dessen eingedenk sein, dass Jeder von uns eine große Mission für Gott zu erfüllen hat; dass die Religion nicht in träumerischer Sentimentalität besteht, sondern in eifriger praktischer Wirksamkeit; und ferner, dass kein Handwerk, kein Beruf, keine Stellung, sei dieselbe hoch oder niedrig, uns für dieses Leben christlicher Tätigkeit und Nützlichkeit untüchtig machen kann! Wer sind die Schreiber der Bibel? Wir finden unter ihnen einen König, einen Gesetzgeber, einen Hirten, einen Zöllner, einen Arzt! Auch sieht der Herr nicht auf hohe Wirkungskreise, auf große Dienste allein. Das Scherflein der Witwe und das Glas köstlicher Narde der Maria werden uns zum Vorbild und zur Nachahmung vom heiligen Geiste aufgezeichnet, indem viele großartigere Taten übergangen sind. Wir sind überzeugt, dass Gott in Bezug auf manchen Versuch eines demütigen Christen, Ihm durch tätiges Wirken zu dienen, sagt: „Ich sah jenen Versuch, jenen schwachen Versuch, Mir zu dienen und mich zu verherrlichen; und eben seine Schwäche liebte Ich!“
Ist es uns nie aufgefallen, dass, trotz der Würde und der Tätigkeit Christi, Er im Vergleich damit wenig Erfolg in Seinem öffentlichen Wirken hatte? Wir lesen nicht von zahlreichen Bekehrungen; keine pfingstlichen Erweckungen kommen während Seines Predigtamtes vor. Sollte dies uns nicht ermuntern, wenn bei uns große äußerliche Resultate ausbleiben? Er setzt uns kein höheres Richtmaß als dieses: Sie hat getan, was sie konnte. Ein Künstler kann in der Abbildung eines Banners sowie eines Königs groß sein: es kommt dar auf an, wie er es macht. Ja, und sind wir den Tätigkeiten des christlichen Lebens entrückt, so können wir Gott eben so sehr durch stilles Dulden verherrlichen. Was bin ich, sagte Luther, nachdem er Zeuge der Geduld eines schwer Leidenden gewesen, was bin ich? ein plappernder Prediger gegen diesen großen Täter.
Leser! Vergiss nicht den Beweggrund unseres Textes: Die Nacht kommt! Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz, unser kurzer Lebenstag verfliegt rasch; die Schatten der Nacht sinken auf uns herab. Unsere Spanne Zeit, sagt Einer, wird bald auf einen Zoll herabkommen. Und sollte die elfte Stunde schlagen, nachdem wir den ganzen Tag müßig gewesen? Ein langes Leben unbeachteter und unbenutzter Gelegenheiten hinter uns, in denen wir nichts für Gott getan! Der Tag des Gerichts angebrochen, unsere goldenen Augenblicke verschwendet, unsere Talente unangewendet, unser Werk nicht getan, vom Richterstuhl aus die vernichtende Abweisung: Was ihr nicht getan habt! Die Zeit, die wir verloren haben, sagt Baxter, können wir nicht zurückrufen; sollten wir denn nicht die wenigen Augenblicke, die uns bleiben, zu benutzen und anzuwenden suchen? Wenn ein Reisender den größten Teil des Tages verschläft und vergeudet, muss er des Abends desto schneller reisen, sonst wird er das Ziel seiner Reise nicht erreichen. (John Ross MacDuff)