Matthäus 26,64
Andachten
Jesus sprach zu Kaiphas: „Von nun an wird es geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels.“ Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: „Er hat Gott gelästert.“
Der Priester stand vor dem Priester, der Priester des alten Bundes vor dem des neuen Bundes. Für den alten war der neue Priester eine Gestalt, vor der er erschrak, so dass er sein Kleid zerriss. Das war die Gebärde angstvollen Erschreckens und tiefster Trauer. War es nur Gebärde? Der alte Priester verstand sich auf Schauspielerei. Er stellte den Priester nur dar, ohne es in Wahrheit zu sein. Sein Priesteramt war seine Rolle, die er so zu spielen gelernt hatte, dass er Eindruck machte. Wer sieht aber in die Herzen hinein? Grund, erschrocken zu sein, hatte Kaiphas in der Tat. Denn im neuen Priester stand etwas völlig Neues vor ihm, was er sich nicht erklären konnte. Es ist die Pflicht des Priesters, dass er die Ehre Gottes wahre. Beide taten es in ihrer Weise. „Nun ist der Vater verklärt“, sagte Jesus, als Er sein Leiden begann. „Er lästert Gott“, sagte Kaiphas, als ihm Jesus seine Frage nach seinem königlichen Recht und seine Sohnschaft Gottes bejahte. Nach dem Urteil des Kaiphas war die Ehre Gottes auch die seines Priesters und in der Macht des Priesters ward Gottes Große offenbar. Denn sein Gott war die Macht. Bei Jesus ward Gottes Ehre dadurch offenbar, dass er gefesselt war und verurteilt wurde und zum Kreuz ging. Auch er bekannte sich zur Macht Gottes und gab ihr eine Herrlichkeit, die sich über den rationalen Gedankengang eines Sadduzäers weit erhob. Denn er sprach in den Banden von seiner Erhebung zu Gottes Thron und, als er gerichtet wurde, von seinem weltrichterlichen Amt. Aber sein Gott gibt seinem Priester nicht nur die Macht, sondern verlangt den Gehorsam von ihm, der allem entsagt und dennoch an Gott festhält. Er stellte vor die Erhöhung die Erniedrigung, vor die Verherrlichung die Entsagung, vor die Herrschaft den Gehorsam. Hatte Kaiphas nicht Grund zu erschrecken? Christus zu sein und alles zu leiden, Sohn zu sein und allem zu entsagen, alles herzugeben und eins mit Gott zu sein, das hieß Kaiphas unmöglich und nicht nur dies, er hieß es einen finsteren Gedanken, eine Entstellung des Gottesbilds, eine Verzerrung des göttlichen Willens ins Schreckliche. Er dachte, wie der Mensch denkt, der Gott gern für seine Zwecke benützt, und Jesus dachte, wie der Sohn denkt, der den Vater ehrt und in Ihm bleibt, weil er der Vater ist.
Für Dich, Herr Jesus, war der Psalm geschrieben: Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachteten, so bist doch Du meines Herzens Fels und mein Teil. Weil dies durch dich zur Wahrheit geworden ist, bist Du unser Friede und unsere Gerechtigkeit. Amen. (Adolf Schlatter)
Dennoch sage ich euch: Hernach wird es geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Macht und kommen in den Wolken des Himmels.
Ach Herr, Du warst am tiefsten erniedrigt, als Du vor Deinen Verfolgern wie ein Verbrecher stehen musstest! Doch konnten die Augen Deines Glaubens über die gegenwärtige Demütigung hinweg in Deine künftige Herrlichkeit hinein sehen. Was für Worte sind diese: „Dennoch - hernach“! Ich möchte Dein heiliges Voraussehen nachahmen, und inmitten der Armut, Krankheit oder Verleumdung möchte ich auch sprechen: „Dennoch - hernach“. Anstatt Schwachheit hast Du alle Kraft; statt Schande alle Herrlichkeit; statt Verhöhnung alle Anbetung. Dein Kreuz hat nicht den Glanz Deiner Krone getrübt, ebenso wenig hat das Anspeien die Schönheit Deines Antlitzes entstellt. Nein, eher bist Du um Deiner Leiden willen desto mehr erhöhet und geehrt.
Ebenso, Herr, möchte auch ich Mut schöpfen aus dem „hernach.“ Ich möchte die gegenwärtige Trübsal über dem künftigen Triumph vergessen. Hilf mir, indem Du mich in Deines Vaters Liebe und in Deine eigne Geduld hinein führst, so dass ich, wenn ich um Deines Namens willen verspottet werde, nicht wanke, sondern immer mehr und mehr an das „hernach“ denke und deshalb um so weniger an das heute. Ich werde bald bei Dir sein und Deine Herrlichkeit schauen. Darum schäme ich mich nicht, sondern sage in meiner innersten Seele: „Dennoch - hernach.“ (Charles Haddon Spurgeon)
Ihr werdet sehen des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft, und kommen in den Wolken des Himmels.
Zweimal wurde der HErr Jesus gefragt, ob Er Christus der Sohn Gottes sei. Diese zwei Namen wurden zusammengesetzt, weil nach der Lehre der Propheten, welche den Ratsherren zu Jerusalem wohl bekannt war, derjenige, der Christus ist, auch der Sohn Gottes ist. Das erste Mal wurde der HErr Jesus von dem Kaiphas unter einer starken Beteuerung so gefragt, und Er antwortete: du sagst es; doch Ich sage euch, von nun an wird’s geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft, und kommen in den Wolken des Himmels. Dieses geschah in der Nacht zwischen dem Donnerstag und Freitag, und zwar in dem Palast des Hohenpriesters, worin der ganze Rat auf eine außerordentliche Art versammelt war. Ob nun gleich damals die Ratsherren den HErrn Jesum alsbald zum Tode verdammten, so fehlte doch noch etwas zu der rechtlichen Form, welche dieses Todesurteil haben sollte. Es war nämlich nicht am rechten Ort ausgesprochen; und deswegen versammelten sich die Ratsherren, welche schon bei Nacht den Schlaf gebrochen hatten, morgens früh in ihrem gewöhnlichen Rathaus, und führten Jesum auf den Tempelberg, wo dasselbe stand, hinauf; da dann das Verhör ganz kurz war; denn sie sprachen zu Jesu: bist du Christus? Sage es uns. Er sprach aber zu ihnen: sage Ich’s euch, so glaubt ihr nicht; frage Ich aber, so antwortet ihr nicht, und lasst Mich doch nicht los. Darum von nun an wird des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft Gottes. Da sprachen sie Alle: bist du denn Gottes Sohn. Er sprach zu ihnen: ihr sagt’s, denn Ich bin’s; Sie aber sprachen: was dürfen wir weiter Zeugnis? Wir haben’s selbst gehört aus seinem Munde, Luk. 22,66-71. Und nun wurde der HErr Jesus durch Missdeutung des Gesetzes, das 3 Mos. 24,16. steht, zum Tod verdammt, hernach aber, weil der Rat damals kein Todesurteil vollstrecken durfte, dem Pilatus zugeführt, wo seine Ankläger, weil die Steinigung bei den Römern nicht gewöhnlich war, auf die Kreuzigung drangen. Niemand verwundere sich, dass der HErr Seine Antwort mit keinen Beweisen unterstützt habe; denn Er sprach selber Luk. 22,67.68., Sein Sagen und Fragen würde bei den Ratsherren nichts verfangen. Und was könnte man bei Männern für Beweise führen, die als Bösewichte dachten: lasst uns Ihn töten, so wird das Erbe unser sein, Matth. 21,38. Mark. 12,7. Sie wussten nämlich wohl, dass wenn Jesus der Messias und der Sohn Gottes sei, sie Alle sich Ihm unterwerfen müssen. Sie dachten also. lasst uns Ihn töten, so wird das Erbe, das jüdische Land, unser sein, und wir können alsdann ferner gewalttätig handeln, und uns bereichern. Der HErr Jesus verwies sie also geradezu auf den jüngsten Tag, und sagte, an demselben werden sie Ihn sehen sitzen zur rechten Hand der Kraft, und kommen in den Wolken des Himmels. Alsdann werden sie nämlich zitternd glauben müssen, was sie jetzt zu ihrem heil nicht glauben wollen, nämlich dass Er Christus der Sohn Gottes sei. Wehe dem, dem erst der jüngste Tag die Wahrheit der Glaubensartikel beweisen muss! (Magnus Friedrich Roos)