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Psalm 119,18

Psalm 119,18

Andachten

“Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an Deinem Gesetz.“

Alle Tage, wenn man den Schlaf ans den Augen reibt, sollte man auch um ein Geisteslicht seufzen; denn es ist immer noch viel Blindheit an uns, dass wir nicht genug sehen, was wir sehen sollten und könnten. Vieles sehen wir gar nicht, anderes nur halb, wieder anderes verworren, und nur weniges mit einer genügenden Klarheit. „Die Wunder an Deinem Gesetz,“ sagt David, d.h. an Deiner Offenbarung, an dem, was Du uns kund getan hast. Eine völlige Einsicht wird uns freilich immer gebrechen, weil all unser Wissen nur Stückwerk bleibt. Aber vieles könnten wir besser wissen, wenn wir mehr Verlangen danach hätten. So sehen die meisten nur das Oberflächlichste, und bleiben viel zu ungeschickt, um in die Tiefen hineinzublicken, nur auch, so weit diese ihnen offen stünden. Auch das Gesetz, im eigentlichen Sinne genommen, hat seine Tiefen, die verborgen bleiben, weswegen ein feines Gewissen gar selten angetroffen wird. Mangel an Einsicht in Gesetz und Evangelium ist auch Ursache, dass vieler Gang so unsicher ist, ihr Wesen nur ein halbes Wesen, ihre ganze Art, nicht wie sie sein sollte. Da dürfte man doch wohl fleißiger mit David beten: „Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an Deinem Gesetz.“ Denn wenn es uns nur auch in den Sinn kommt, um Erleuchtung der Augen wirklich zu beten, so meine ich, dürften wir schon eine Wirkung des erleuchtenden Geistes bei uns verspüren.

Dagegen bei vielen hats den Anschein, als meinten sie alles zu wissen, alles zu durchschauen; und diese bleiben in einer erlahmenden ungemütlichen Gleichförmigkeit stehen, bei welcher auch das Licht, das sie haben, nicht als Licht wirken kann. Sie haben ja kein Verlangen, weiter zu vernehmen, tiefer zu schauen, wollen mit dem, was sie einmal haben, in allem durchkommen und alles fertig bringen, sind auch wohl selbstgefällig darin, als ob sie sehend und andere Leute blind wären; und bei all dem wird ihr Wesen langweilig und unerbaulich, andern mehr lästig, als förderlich, weil diese nicht viel an ihnen haben können. Widrig können sie sogar werden, wenn sie immer nur das Wort führen wollen, und nur gleich widersprechen, wenn's ein wenig anders klingt, als sie's gewohnt sind. Wohl mögen sie oft viel Worterkenntnis besitzen; aber was hilft dieses ohne helle Augen, wenn sie des Wortes Kraft nicht sehen? Da kann einer mit wenigerem Wissen oft hellere Augen haben, als ein Anderer, der, ob er auch die ganze Bibel, wie man sagt, kennt, doch noch blind ist.

Zu der Bitte freilich: „HErr, öffne mir die Augen,“ gehört Demut, und Gefühl eigener Schwachheit, Untüchtigkeit und Unwissenheit; und solches kommt vielen leicht abhanden, wenn sie einmal in ihrem Christentum sich fühlen gelernt haben. Wie weit war doch David? und doch bittet er: „HErr, öffne mir die Augen.“ Wird er umsonst gebetet haben? Ach, wären wir nur nach Verhältnis sehend, wie er's um seines demütigen Bittens willen geworden ist. (Christoph Blumhardt)


Wenn in dem Psalter von dem Gesetz des HErrn die Rede ist, so ist das ganze geoffenbarte und geschriebene Wort Gottes, oder die Bibel, wie man sie damals hatte, gemeint. Die Bibel als das göttliche Lehrbuch enthält Wunder, welche zu sehen Augen nötig sind, die Gott öffnet. Ist es nicht etwas Wunderbares und Geheimnisreiches, dass schon in den ersten Büchern der Bibel von Gott als dem Einigen geredet wird, und dass doch schon 1 Mos. 1. gesagt wird: lasst Uns Menschen machen, ein Bild das Uns gleich sei, als ob es Mehrere wären, die dieses sagten, und dass zuweilen ein Engel des HErrn erschien, der als Gott bei sich selbst schwur, und als Gott redete, und dass auch des Geistes Gottes besonders Meldung geschieht? Ist nicht die Schöpfung etwas Wunderbares und Unbegreifliches, und nach der Schöpfung die Zulassung des Sündenfalles und so vieles Bösen, das Gott mit Gewalt hätte hindern können? Wie geheimnisvoll waren die Verheißungen, dass des Weibes Samen der Schlange den Kopf zertreten, und dass durch den Samen Abrahams alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen, und dass dem Helden (Schiloh), der von Juda entspringen sollte, alle Völker anhangen werden! Was hat ein Verständiger über die Opfer für Betrachtungen anstellen können, als welche ein unvernünftiger Gottesdienst gewesen wären, wenn sie keine vorbildliche Bedeutung gehabt hätten? Gott hat nach der Anzeige der heiligen Schrift gerechte Leute immer gesegnet, geliebt und gepriesen, aber auch oft in die Hände der Gottlosen übergeben, wie schon an Abel zu sehen war. Er hat hingegen Gottlose mit vieler Langmut getragen, zuletzt schon einige in dieser Welt scharf gestraft, andere aber im Glück sterben lassen. Er hat den Menschen Vieles geboten, verheißen und gedroht, das sich vorher kein Mensch hätte in den Sinn kommen lassen. Er hat die Gerechten in tiefe Nöten geraten lassen, und ihnen wieder wunderlich geholfen. Sind dieses nicht Wunder im Gesetz oder Lehrbuch Gottes, wie es schon zu Davids Zeiten vorhanden war? Wer will aber den wunderbaren Rat Gottes ergründen oder genug preisen, nach welchem das wesentliche Wort, da die Zeit erfüllt ward, Fleisch geworden ist, und die Erlösung des menschlichen Geschlechts am Kreuz vollbracht hat? Hier erschien eine göttliche Torheit, die doch weiser war als die Menschen sind, und eine göttliche Schwachheit, die doch stärker war als die Menschen sind. Welche Wunder leuchten aus der Pflanzung und Erhaltung der christlichen Kirche heraus, die in den Geschichten der Apostel und in der Offenbarung Johannis beschrieben sind? Nun möchte man denken: alle diese Wunder oder Geheimnisse sind schon lange von den Schriftauslegern gezeigt, und erklärt worden, dass ein Jeder sie verstehen kann. Warum bat aber David, welcher die Bibel in seiner Muttersprache leichter als wir lesen konnte, den HErrn: öffne mit die Augen, dass ich sehe die Wunder in Deinem Gesetz? Ach dieses Sehen ist nicht Jedermanns Ding, nämlich das Sehen mit Gewissheit und mit einem tiefen Eindruck, oder das Sehen, welches Bewunderung, Furcht Gottes, Lob Gottes, und Vertrauen auf Gott nach sich zieht. Die Menschen fahren über die wichtigsten Zeugnisse der heiligen Schrift mit ihren blinden Augen hinüber. Blinde Gelehrte arbeiten in der Bibel wie in einem Bergwerk, um mit der Wahrheit ihren eigenen Ruhm herauszugraben. Wem aber Gott die Augen des Verständnisses durch Seinen Geist öffnet, der sieht Wunder in der Bibel, und demütiget sich dabei mit seinem Verstand und Willen, betet den hohen und erhabenen Gott an, und wird weise zur Seligkeit. (Magnus Friedrich Roos)

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