Prediger 4,1
Andachten
Dies Kapitel enthält verschiedene Beispiele der Nichtigkeit und des Elends des menschlichen Lebens, welche noch immer sich wiederholen. Einerseits viel Druck und Jammer, neben unruhigem Trachten nach Glück auf rechten und unrechten Wegen, verbunden mit Lebensmüdigkeit und Aufgeben aller Lebenspläne; andrerseits eine peinigende Sucht, es Anderen zuvorzutun, oder in grober Selbstsucht und Geiz sich auf sich selbst zurückzuziehen, wodurch man nur kälter, liebeleerer, mürrischer und unseliger wird; endlich falsche, eitle Vertröstung auf vermeintlich bessere Zukunft und eitle Hoffnung des kommenden Bessern im Vergleich mit dem drückenden Gefühle der Gegenwart, indem man von einer andern Regierung oder Verfassung alles Heil erwartet, statt von einem andern, neuen Herzen und Leben in Gott. So machen sich die Menschen meist selbst aus der Welt ein Tränental, wo eine Not der andern die Hand bietet. Wir klagen über die Bosheit unseres eignen Herzens, durch die wir so oft genötigt werden, harte und dem Fleisch und Blut unangenehme Wege zu gehen. Wir sehen in der argen Welt oft Tränen derer, die Unrecht leiden, aber wir sehen nicht die Ursachen, warum Gott solch Unrecht verhängt; wir sehen die Gerechtigkeit der Sache, aber nicht die Ungerechtigkeit der Personen, die wegen anderer Sünden wohl tausendmal mehr Züchtigungen verdient hätten; wir erfahren alle Tage, dass Gerechtigkeit nur ein Volk und einen Menschen erhöhet, die Sünder aber der Leute Verderben ist, und doch macht Schaden uns nicht klug, und wir wiederholen nichtsdestoweniger dieselbe Sünde und ziehen uns dieselben Strafen wieder zu. O Herr, öffne uns doch die Augen, dass wir sehen lernen, und die Herzen, dass wir auf die Stimme Deines Worts und der Erfahrung achten und dadurch klug werden, damit wir immer mehr uns selbst verläugnen, und nicht nach den Schätzen trachten, welche die Motten und der Rost fressen, sondern allein nach Dir und Deiner Gnade, und Deinen Willen zu dem unsrigen machen. Amen. (Friedrich Arndt)