Psalm 31,15
Andachten
Ich aber, Herr, hoffe auf dich, und spreche: Du bist mein Gott. Meine Zeit steht in deinen Händen!
Meine Tage sind vergangen, dass kein Aufhalten da gewesen ist, so klagt Hiob, und auch wir fühlen an des Jahres nahem Ende die Vergänglichkeit alles Irdischen stärker als sonst. Was ist die ganze Lebenszeit? Ein kurzer Augenblick; sie gleicht dem Wind, der daher rauscht, der Morgenröte, die bald verbleicht. Was ist unser Leben? Ein Dampf ist es, der eine kleine Zeit währt, danach aber verschwindet. - Du lässt sie dahin fahren wie einen Strom. O großer Strom, wohin rauschest du? Wo sind unsre Väter? Wo Alle, in deren Liebe wir einst uns glücklich fühlten? Alte Zeit, wo bist du hin? Alles ist wie im Aufbruch, Alles eilt hinweg, Alles vergeht. Aber Gottlob, dass über dem Zeitlichen noch ein Ewiges ist, ein Gott, der da war, der da ist, der da sein wird; vor dem tausend Jahre sind wie ein Tag, und wie eine Nachtwache. Gottlob, dass in dem Strom, der unaufhaltsam auch uns mit fort reißt, ein Fels unbeweglich steht: Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit! Zu dir, du Ewiger, breite ich meine Hände aus; meine Seele dürstet nach dir. Denn in dir wird meine Seele sicher ruhen. Herr, allmächtiger Gott, wieder ist das Ende eines Jahres nahe. Wie nichtig und flüchtig ist doch unser Leben vor dir. Unsre Tage sind einer Hand breit bei dir, und unser Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Herr, lehre uns doch, dass es ein Ende mit uns haben muss, und unser Leben ein Ziel hat, und wir davon müssen, auf dass wir klug werden, und trachten nach dem, was droben ist, und nachjagen dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod, welches uns vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu. Amen.(Adolf Clemen)
David klagte Ps. 31. über große Nöten, die ihn betroffen haben, und sagte unter Anderem V. 11.12.13.14.: mein Leben hat abgenommen vor Betrübnis, und meine Zeit vor Seufzen: meine Kraft ist verfallen vor meiner Missetat, und meine Gebeine sind verschmachtet. Es geht mir, dass ich bin eine große Schmach worden meinen Nachbarn, und eine Scheu meinen Verwandten: die mich sehen auf den Gassen, fliehen vor mir. Mein ist vergessen im Herzen, wie eines Toten: ich bin worden wie ein zerbrochen Gefäß; denn Viele schelten mich übel, dass Jedermann sich vor mir scheuet: sie ratschlagen mit einander über mich, und denken, mir das Leben zu nehmen. Nach dieser Klage sagt er: ich aber, HErr, hoffe auch Dich, und spreche. Du bist mein Gott. Ich lerne aus diesen Worten Davids, dass ein Mensch sehr betrübt und doch gläubig sein könne. Die Betrübnis über zugestoßene Nöten kann mit dem Bewusstsein begangener Sünden vermengt sein: und doch kann und darf der Mensch auf den HErrn hoffen. Weil Christus in Seinem letzten Leiden von allen Menschen, auch von Seinen Jüngern verlassen worden ist, so soll ein Christ sich nicht weigern, auch in einen solchen Stand der Verlassung einzutreten. Meine Nachbarn, meine Verwandten können sich mir entziehen: hingegen darf ich zu dem HErrn sprechen: Du bist mein Gott. Er will mich nicht verlassen noch versäumen. David wurde von den gottlosen Hofleuten Sauls gescholten, und bezichtigt, er stelle dem König, der sein Schwäher war, nach dem Leben, und wolle durch Mord und Aufruhr sich auf den königlichen Thron schwingen. Diesen Verleumdern glaubten viele sonst redliche Leute, und David konnte ich nicht genug rechtfertigen. Man sah, dass er in des Königs Ungnade stehe, und ein Jeder, der ihm freundlich begegnete, und ihm Gutes tun würde, des Königs Zorn wider sich erwecken könne, wie der Hohepriester Ahimelech. David musste also ein Zeit lang auf den ehrlichen Namen Verzicht tun, und leiden, dass Leute, die sonst seine Freunde gewesen waren, vor ihm flohen, oder eilends abwegs gingen, wenn er ihnen begegnete, und ihn scheuten, wenn er mit ihnen zu tun haben wollte. Man vergaß seiner wie eines Toten, dem man nichts Gutes mehr erzeigt, weil man durch Verleumdungen wider ihn eingenommen war, oder den Zorn Sauls fürchtete, und wollte nichts mehr von ihm wissen. Er war wie ein zerbrochenes Gefäß, das man wegwirft. Leute, die an dem Grimm Sauls Anteil nahmen, und sich ihm gefällig machen wollten, ratschlagten sogar über ihm, und gedachten ihm das Leben zu nehmen. Wie gut war’s, dass er unter diesen Umständen sagen konnte: ich aber, HErr, hoffe auf Dich, und spreche: Du bist mein Gott! Für alle Schmach und Gefahr war ihm also sein Gott der beste Ersatz, die einige Zuflucht; und fürwahr der HErr, auf den David hoffte, und der sein Gott war, rettete seine Ehre, schützte sein Leben, und half ihm aus allen Nöten. Auch ich soll unter meinen gegenwärtigen und künftigen Leiden auf Gott hoffen, und sprechen: Du bist mein Gott. Ich werde dieses nie lauterer tun, als wenn mich Gott von Menschen verlassen, oder wenigstens inne werden lassen wird, dass Menschenhilfe kein nütze sei. (Magnus Friedrich Roos)