1. Johannes 4,8
Andachten
Gott ist die Liebe.
1 Joh. 4,8.16. liest du: „Gott ist die Liebe.“ Dieses teure Wort findet wohl nicht leicht unter den Menschen Widerspruch, sondern im Allgemeinen nur Zustimmung. Auch die Verächter des Evangeliums, denen das Wort vom Kreuze Ärgernis oder Torheit ist, sagen es nach und sagen es mit: „Gott ist die Liebe.“ Dieses Wort ist ihnen sehr wichtig und geläufig, sie gebrauchen es, um andere, ihnen unangenehme, aber darum nicht weniger wahre Schriftworte zu entkräften, zu verdrehen und zu beseitigen. Redet die heilige Schrift von dem Zorn Gottes, von seiner unparteiischen, drohenden, richtenden und rächenden Gerechtigkeit, so leugnen sie das und sprechen: „Wie sollte Gott zürnen, drohen, zeitliche und ewige Strafen über seine schwachen und fehlenden Geschöpfe verhängen? Er ist ja die Liebe!“ Die Schrift kann aber nicht gebrochen werden, und wenn die Menschen mit einer Schriftstelle andere Schriftstellen bestreiten, so beweisen sie damit, wie wenig sie verstehen, was sie sagen. Fragt man bei ihnen näher nach: „Wie seid ihr denn dieser Wahrheit, dass Gott die Liebe ist, inne geworden, und warum stimmt ihr darin der heiligen Schrift unbedingt bei, während ihr derselben doch sonst so vielfältig widersprecht?“, - so sind es die viel tausend Wohltaten Gottes, als des Schöpfers, Erhalters und Regierers der Menschen, woraus sich ihre Zustimmung zu dem Worte, dass Gott die Liebe ist, gründet. Wer möchte auch leugnen, dass sich die Liebe Gottes in vielen tausend solcher Wohltaten über die Welt ergießt, und dass man in denselben unzählige Beweise derselben findet? Aber wird damit die Liebe Gottes in die Herzen ausgegossen? Werden durch solche Zeugnisse die Herzen völlig überzeugt? Heut sagst du im Gefühl deines Wohlbefindens, im Genuss der Freuden des Lebens, im Besitz zeitlicher Güter und bei heiterer Aussicht in die Zukunft: „Nun weiß ich, dass Gott die Liebe ist!“ - und was wirst du morgen sagen, wenn du krank, traurig, verarmt und für die Zukunft besorgt bist? In und an dir, und um dich her ist alles ungewiss, und dem mannigfaltigsten Wechsel unterworfen; und darauf wolltest du eine Überzeugung gründen, die dir zu allen Zeiten und unter allen Umständen not ist, ja dann am meisten not ist, wenn die Zeiten, welche über dich kommen, und die Umstände, welche eintreten, dem zu widersprechen scheinen, dass Gott die Liebe ist? Einen andern unwandelbaren Grund muss deine Überzeugung haben, dass Gott die Liebe ist. Das ist aber der Grund, davon Johannes sagt: „Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, dass er seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, dass wir durch ihn leben sollen!“ und Paulus bezeugt: „Gott preist seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“ Auf solchem Glaubensgrund im Herzen steht die Überzeugung fest, dass Gott die Liebe ist. Da heißt es: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Gefährlichkeit, oder Schwert? In dem allen überwinden wir weit, um deswillen, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur, mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist unserem Herrn.“ Ja, Gott ist die Liebe. Das bezeugt er uns durch die Hingabe seines Sohnes, und wer solches Zeugnis im Glauben annimmt, der bekommt eine feste, selige Herzensüberzeugung von dieser Wahrheit, und bringt Frucht derselben, welche ist die Liebe. (Carl Philipp Johann Spitta)
“Wer nicht lieb hat, der kennt Gott nicht.“
Das auszeichnende Merkmal eines Christen ist sein Vertrauen in die Liebe Christi, und die Erwiderung dieser Liebe durch seine Liebe zu Christo. Der Glaube versiegelt fürs erste den Menschen, und setzt die Seele in den Stand, mit dem Apostel zu sprechen: „Der Sohn Gottes hat mich geliebt, und sich selbst für mich dargegeben.“ Dann gibt die Liebe ihre Mitunterschrift und drückt dem Herzen das Siegel der Dankbarkeit und der Liebe zu Jesu auf. „Lasset uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt.“ In jenen großen Tagen der ersten Christen, der Heldenzeit des Glaubens an Jesum, war diese doppelte Versiegelung an allen Gläubigen deutlich zu erkennen; sie waren solche Menschen, welche die Liebe Christi kannten und sich darauf verließen, wie sich ein Mann auf einen Stab lehnt, dessen Tüchtigkeit er schon erprobt hat. Die Liebe, die sie gegen den Herrn empfanden, war nicht eine bloße Gemütsstimmung, welche sie in den geheimen Kammern ihrer Herzen zu verbergen suchten, und von welcher sie nur in ihren Versammlungen zu sprechen wagten, wo sie am ersten Tag jeder Woche zusammen kamen und Lieder zur Ehre Jesu Christi des Gekreuzigten mit einander sangen; sondern es war eine innige Liebe von so gewaltiger und verzehrender Kraft in ihnen, dass sie sich in allem ihrem Thun offenbarte, in allen ihren Reden äußerte, und bei den gewöhnlichsten Vorfällen aus ihren Augen leuchtete. Die Liebe zu Jesu war eine Flamme, welche sich von dem Fett und Mark ihres Wesens ernährte, und darum aus eigener Kraft sich ihren Weg in den äußern Menschen bahnte und hier hervorleuchtete. Der Eifer um die Ehre des Könige Jesus war das Siegel und Kennzeichen aller wahren Christen. Wegen ihres Vertrauens auf die Liebe Christi wagten sie viel, und aus Liebe zu Christo taten sie viel; und so ist's noch heute. Die Kinder Gottes werden in ihren innersten Kräften von der Liebe getrieben: die Liebe Christi dringet sie; sie freuen sich, dass die göttliche Liebe sich ihnen zuneigt, sie fühlen dieselbe ausgegossen in ihre Herzen durch den Heiligen Geist, welcher ihnen geschenkt ist: und durch die Macht der Dankbarkeit lieben sie den Heiland aus reinem Herzen, inbrünstig. Liebe Seele, hast auch du Ihn lieb? Gib eine aufrichtige Antwort hierauf. (Charles Haddon Spurgeon)