Daniel 9,20
Andachten
Derselbe Engel Gabriel, welcher der Maria die freudenvolle Botschaft brachte, dass sie einen Sohn gebären sollte, der groß und ein Sohn des Höchsten sollte genannt werden (Luc. 1,26), brachte diese Verheißung dem Propheten Daniel auf sein bußfertiges Gebet, und zwar um die Zeit des Abendopfers, wo Christus ein Opfer für unsere Sünden geworden ist. Er verkündigt ihm insbesondere die Zeit, wann Christus kommen und durch Leiden und Sterben die Sünde der Welt versöhnen solle. Gott hatte nämlich befohlen, dass die Kinder Israel sechs Jahre ihr Land bearbeiten sollten, aber am siebenten sollte es ruhen. Aber sie hielten es nicht, und der Prophet Jeremias hatte ihnen angekündigt, dass zur Strafe dafür nun 10 mal 7, d.h. 70 Jahre das Land wüste liegen sollte, wie denn auch geschehen, da die Kinder Israel in das babylonische Gefängnis geführt wurden. Nun aber hatte Gott durch Mosen auch 7 mal 7 Sabbatjahre, d.i. 49 Jahre bestimmt, dass nach denselbigen das große Erlassjahr eintreten, da jedermann wieder zu dem Seinigen kommen, alle Schulden getilgt und alle leibeigenen Knechte wieder frei werden sollten (3. Mose 25,11 etc.). Dieses ist aber von den heiligen Propheten allezeit als ein Vorbild der Gnadenzeit angesehen worden, da Christus erscheinen sollte, damit Er die jenem Jahre gegebenen Verheißungen erst in die rechte Erfüllung brächte (Jes. 61.). Unter den Wochen versteht der Engel Gabriel nicht gewöhnliche Wochen von 7 Tagen, sondern Jahrwochen zu 7 Jahren, welche 70 mal genommen, 490 Jahre geben. Und wenn ein großes Erlassjahr nach 49 Jahren eintrat, so sind dies 10 mal solcher Erlassjahre; wie nun die Strafe der Juden 10 mal 7 Sabbatjahre dauern sollte, so sollte die letzte und herrlichste Erlösung nach 10 mal 7 Erlassjahren, d.i. nach 490 Jahren kommen. Die 70 Wochen teilt der Engel in drei Zeitläufe, deren erster 7 Wochen oder 49 Jahre, der zweite 62 Wochen oder 434 Jahre, der dritte nur eine Woche oder 7 Jahre begreift, in deren Mitte Jesus sollte ausgerottet werden. Und in der Tat verflossen vom Wiederaufbau Jerusalems (Dan. 9,25) bis zur Geburt Christi 453, bis zum Antritt seines Lehramts 483 Jahre, und bis zum Tode des Herrn 3 ½ Jahre. Alles ist also richtig so eingetroffen, wie es vorhergesagt worden. Gott ist wahrhaftig und sein Wort nicht minder: darum kann unser Glaube fest und fröhlich sein. Amen. (Friedrich Arndt)
Diese Worte der Weissagung erfüllten sich, als Du Dein sechstes Wort am Kreuze riefest: “Es ist vollbracht!“ Du setzest nicht hinzu, was vollbracht sei, noch wie es vollbracht worden, damit ich desto begieriger nach dieser großen Wahrheit forschen soll. Es ist das große Erlösungswerk, das Du aus reiner Liebe übernommen, das Werk, das keine Kreatur hätte ausführen können. Es ist das Werk, an dem so vieler Millionen Menschen ewiges Wohl und auch meine Seligkeit hängt; das Werk, darum Dich Dein Vater liebet, wie Du selber sagst: „Darum liebt mich mein Vater, dass ich mein Leben lasse für die Menschen;“ das Werk, dafür Du in alle Ewigkeit wirst erhoben, angebetet, geliebt und gelobt werden. Und dieses Werk ist ganz vollbracht, vollkommen so, wie es einem solchen göttlichen vollkommenen Erlöser möglich und rühmlich war. Alle Schrift ist erfüllet, alles Heil erworben, aller Zorn in Gnade verwandelt, alle Feinde sind besiegt, alle Forderungen des Gesetzes befriedigt, die Hölle ist geschlossen, der Himmel eröffnet, alle Handschriften, die wider uns waren, hängen zerrissen am Kreuze. Kurz: alle Menschen sind erlöset. Ein köstliches Wort: Es ist vollbracht! Wie dreist sollte sich mein Glaube darauf lehnen, wie könnte es ihm ein Stecken und Stab sein, der ihn unterstützte und womit er alle überwundene Feinde und Verkläger abwiese! Es sollte ihm ein Paradies sein, darin er weidete. Ja, es sollte die Losung aller wahren Christen sein, dass sie einander zur Stärkung zuriefen: Es ist vollbracht. Was für Geist und Kraft steckt doch in Deinen Worten, Du Meister mit der gelehrten Zunge! Schreibe dieses teure Wort mit Deinem Blute in mein Herz, dass es mir nie aus dem Sinne komme. Gib, dass ich mich in aller Ohnmacht und Schwachheit des Geistes mit kindlichem Glauben auf Dein: „es ist vollbracht“ verlasse; aber auch bei aller Glaubens- und Liebesgeschäftigkeit mein Tun für gar nichts achte, und mich nur auf Dein: „es ist vollbracht“ gründe, ja, selbst im Tode lass es mir einen festen Anker sein, daran ich mich bei allen etwa auf mich stoßenden Stürmen festhalten könnte, und damit glücklich hinüberkomme in den Hafen der seligen Ewigkeit, wo ich Dich für Dein vollbrachtes Werk vollkommen preisen kann. Amen. (Friedrich Arndt)