2. Petrus 1,5
Andachten
So wendet denn allen Fleiß an, und zeiget bei eurem Glauben Tugend - Bescheidenheit- Mäßigkeit - Geduld - Gottseligkeit - brüderliche - und allgemeine Liebe. Darum beeifert euch um so mehr, euren Beruf und eure Erwählung fest zu machen, denn wenn ihr dies tut, so werdet ihr nicht straucheln.
Es gibt sogenannte Erweckte, die eine kurze Bibel haben, in der nichts steht, als was ihr faules Fleisch beruhiget und tröstet; das heißt, sie reißen aus der Bibel nur Trostsprüche an sich, die sie nichts angehen, und darum sie nicht angehen, weil sie von allem andern, was in der Bibel steht, nichts wissen wollen. So wird die Bibel für sie ein Zaum, der sie hält, dass sie nicht über Fleisch und Blut weg und zu Christo hinkommen. Sie sollte ihnen aber ein Sporn werden, der sie täglich näher zu ihrem Erlöser treibt. So ein Sporn ist auch diese Stelle Petri, die ganz gelesen und ernstlich betrachtet sein will. Er hat die köstlichsten Verheißungen Gottes vorangeschickt, und darauf lässt er dann diese heilsamen Ermahnungen folgen, die jedoch niemand für überflüssig halten wolle, wäre er auch mit Petrus auf Tabor, oder mit Paulus im Paradiese gewesen. Du magst schon viele Gnaden erhalten haben; dafür danke Gott. Aber wenn du nicht Fleiß anwendest, deine Gnadenwahl, die ich dir nicht streitig machen will, und deinen Beruf zu wahrem Christentum fest zu machen, und mit deinem: „Ich glaube an Gott Vater, Ich glaube an Jesum, den Heiland rc,“ auch christliche Tugend und wahre Gottseligkeit, Geduld und Enthaltsamkeit, und alles, was das Auge Jesu an den Seinen gerne sieht, zu verbinden, so höre, was Petrus dir sagt: Du bist blind und tappest im Finstern, und hast vergessen der Vergebung deiner vorigen Sünden. Du wirst fallen, oder bist schon tief gefallen, weil du verlassen hast die treue Nachfolge und Ähnlichkeit Christi. Hast du aber alle jene von Petrus geforderte Dinge an dir, und bist du in der Erkenntnis Jesu nicht untätig und nicht unfruchtbar, so bist du ein wahrer Jünger Jesu, und weißt, wie man mit der Bibel umgehen muss. Nun aber lieben die meisten die Bibel in Taschenformat. Doch auch darin stände genug, was sie schlagen und heilen könnte, wenn sie sich schlagen und heilen lassen wollten. (Johannes Evangelista Gossner)
So wendet allen euren Fleiß daran und reicht dar in eurem Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe.
Der Apostel hat in den beiden obigen Worten vorhergehenden Versen ausgesprochen, was alles die göttliche Kraft durch die Erkenntnis des, der uns berufen hat, den Christen geschenkt hat. Diese Erkenntnis ist aber nichts anderes, als der lebendige Glaube an den, der um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt worden ist, als der Osterglaube: Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. Von diesem Osterglauben, wenn er rechter Art ist, gilt nun das, was Petrus in den vorstehenden Worten schreibt; er will sagen: nachdem ihr durch euren Glauben empfangen habt die Fülle der Gaben in Jesu Christo, so reicht nun dar, bringet hervor in eurem Glauben allerlei gute Früchte, die beweisen, dass euer Glaube ein rechter, lebendiger Glaube sei. Wendet Fleiß an, in eurem Glauben Tugend darzureichen, das heißt ein Streben und Jagen nach der Heiligung des Lebens, ein Trachten, von der Sünde loszukommen und dem Herrn allein zu dienen; ist Christus uns der Auferstandene, so gehört unser Leben ihm an. In der Tugend aber sollen wir darreichen Bescheidenheit, nämlich die immer zunehmende Erkenntnis unserer Sünde und Untüchtigkeit; gerade das Trachten nach der Heiligung macht uns nicht hochmütig und selbstgerecht, sondern führt uns immer tiefer in die Demut hinein; wenn Christus mein Leben ist, so muss doch aller Selbstruhm schwinden. Und in der Bescheidenheit reicht dar Mäßigkeit; je mehr wir unser fündiges Herz mit seinen Lüsten und Begierden kennen lernen, desto mehr werden wir uns von allem enthalten, was den alten Menschen in uns nähren könnte, und uns hüten unser Herz an irgend welche Kreatur ganz hinzugeben; ist Christus unser Herr und unser Schatz, da stehen wir zu allen irdischen Dingen in jener Mäßigkeit die Paulus 1. Kor. 7, 29-31 schildert. Mit der rechten Stellung zu den irdischen Dingen sollen wir dann auch gewinnen die rechte Stellung zu den Leiden dieser Zeit, in der Mäßigkeit gilt es darzureichen Geduld; alles Leiden ist ja Entbehren eines Gutes, das nach der Beschaffenheit unseres Wesens für uns bestimmt ist; macht man sein Herz in Kraft des Glaubens an den lebendigen Christus von dem falschen Hängen am Irdischen frei, so kann man und soll man auch im Entbehren geduldig sein. Und wo man also recht leidet, da wird man es spüren, wie Trost und Stärkung der Seele zuströmt von dem Herrn, der ja bei uns ist alle Tage, man wird durch den Osterglauben gespornt den Herrn zu suchen, an seiner Gnade sich genügen zu lassen, in ihm immer mehr seine bleibende Freude zu finden, man wird in der Geduld darreichen Gottseligkeit. Und in dieser letzteren, in der zunehmenden Erfahrung von Gottes Liebe, lernt man es darzureichen Liebe dem Nächsten gegenüber. Ist es der Ausdruck des rechten Osterglaubens: ihr Lieben, hat uns Gott also geliebt, so ist's dann auch die notwendige Frucht desselben, dass man den Nachsatz hinzufügt: so sollen wir uns auch unter einander lieben. Wie aber überhaupt bei den erwähnten Erweisungen des Osterglaubens sich Gottes heilige Ordnung offenbart, die man nicht umkehren oder durchbrechen darf, so soll nach dieser Ordnung zuerst die brüderliche Liebe dargereicht werden, dann erst die allgemeine, vor Allem die Liebe geübt werden an denen, die am Engsten mit uns verbunden sind. In derselben Art, wie der Apostel hierbei an den Unterschied von Christen und Nichtchristen denkt, werden wir auch unter Christen unterscheiden müssen solche, die uns besonders nahe verbunden sind, nämlich durch den gemeinsamen Christenstand und außerdem noch durch andere von Gott gefügte Bande, und solche, die uns ferner stehen, und werden das Wort von der zweifachen Liebe auf diesen Unterschied anwenden müssen. Mancher erscheint in weiteren Kreisen freundlich, rücksichtsvoll und liebenswürdig, die gemeine Liebe reicht er dar; aber zu Hause im Kreise der Allernächsten da ist er gar nicht liebenswürdig, da tritt die Selbstsucht hervor; es mangelt an der brüderlichen Liebe; in solchem Falle wird wohl auch die gemeine Liebe nur ein täuschender Schein sein, weil die heilige Ordnung der aus dem Glauben erwachsenden Früchte durchbrochen ist und solches Wesen daher nicht aus dem Glauben kommt; vielmehr der Glaube verleugnet ist. 1. Tim. 5, 8. Den rechten Osterglauben erweisen aber sollen alle jene Früchte, die der Apostel erwähnt; wo er sich aber also erweist, da wird derselbe Glaube immer kräftiger und tüchtiger zu ergreifen und zu halten alle die Gaben, die uns die göttliche Kraft in Christo schenkt. (Thomas Girgensohn)