2. Korinther 4,16
Andachten
“Ob unser äußerlicher Mensch verfällt, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert.“
Das erste weiße Haar! Und nachher wurden es viele. Die Anzeichen mehren sich - mag man sich persönlich noch so jung vorkommen -, dass der Höhepunkt überschritten ist und der äußerliche Mensch, unser alter Kamerad, der Leib, anfängt zu verderben. Es braucht noch gar keine eigentliche Krankheit ihn zu verwüsten, es ist genug, dass gewisse Alterserscheinungen uns unwiderleglich zeigen, wohin die abbröckelnde Eisscholle treibt. Dann kein Christ zu sein, der ein ewiges Leben in seinem inneren Menschen spürt, den eine Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit über diese absteigenden Zeiten hinaushebt, das muss fürchterlich sein. Kein Wunder, wenn manche dieser Unglücklichen anfangen, unleidlich zu werden gegen ihre Umgebung. - Wie anders, wenn das Augenmerk auf den innerlichen Menschen gerichtet ist, der die Wirkungsstätte für den neuen Menschen abgibt, und man da zusehen kann wie es von Tag zu Tag neue Kraft gibt, neue Erkenntnis des Willens Gottes, neue Segnungen seiner Liebe! Dann lohnt es sich, alt zu werden, weil mehr Raum und Zeit für den neuen Menschen frei wird. Denn auf diesen Leuchter setzt der Herr die Kerze, die ewig brennen soll, ohne sich zu verzehren.
Herr Jesus, du bleibst wie du bist! Schenk mir, wenn die Tage des Alters mir nicht gefallen, deine dauernde Gegenwart, die mich von innen heraus erneuert. Lass mir dein Neues wichtiger werden als mein Altes! Amen. (Samuel Keller)
Darum werden wir nicht müde; sondern, ob unser äußerlicher Mensch verwest, so wird doch der innerliche von Tage zu Tage erneuert. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar, das ist ewig.
Elias war müde, als er sprach: es ist genug, Herr, so nimm nun meine Seele. Jona, der Prophet, war müde, als er hinausging vor die Tore der Stadt und machte sich eine Hütte, und wollte lieber tot sein, als leben. St. Paulus aber sagt: wir werden nicht müde! Das tut die überschwängliche Herrlichkeit des Neuen Bundes! Das tut die Kreuz- Gemeinschaft mit dem Herrn Jesu, das Leiden und Sterben mit Ihm, das Leben und Siegen mit Ihm! Dadurch wird die Trübsal zeitlich und leicht, und die Gewissheit der ewigen und über alle Maßen wichtigen Herrlichkeit stärkt in dem Allen weit, dass man überwinden kann. So mag denn der äußerliche Mensch verwesen, er ist ja nur die Samenhülle, welche den innerlichen Menschen, als schwellenden Keim, birgt. Auf diesen Keim aber wirkt gerade die zeitliche Trübsal befruchtend, mehrend, anregend zu starkem Gedeihen und Emporwachsen! - Habt ihr's nicht gesehen, wie der zarte, grüne Keim so mächtig ist, dass er sich durch die schwere Ackerscholle hindurchdrängt? Auf dem Gartenkirchhofe in Hannover gibt's einen Grabstein, in dessen Fugen ein Birkensame gelegen; und siehe, der Same ist gekeimt, er hat sich zwischen dem schweren Gestein einen Weg gebahnt, er ist zum starken Baume geworden, und hat den großen Granit-Würfel auf die Seite geworfen. Es ist wie ein Wunder anzusehen! Das ist das Bild des innerlichen Menschen! und wäre die Trübsal dieser Zeit auch wie schwere Erdschollen und massives Gestein, was tut's! die ewige Lebenskraft dringt doch durch, denn sie drängt sich durch das Sichtbare hindurch, der ewigen Lichtheimat zu, die droben ist. Aber was sagen dazu die lustigen, leichtlebigen Weltkinder, die Kreuzflüchtigen und Leidensscheuen? - sie warten des äußeren Leibes, dass er geil werde, und lassen den innern verkommen im Sündenjammer! so müssen sie zuletzt auch sein wie die Verschmachtenden. O, lasst uns doch nimmer müde werden, unsere und Anderer Seligkeit zu schaffen mit Furcht und Zittern. (Nikolaus Fries)
Darum werden wir nicht müde, sondern ob unser äußerlicher Mensch verwest, so wird doch der innerliche von Tage zu Tage erneuert.
Der christliche Glaube hat eine verjüngende Kraft. Wie seine Verheißungen am häufigsten auf das Geschenk der Jugend hinweisen, so dringen seine Forderungen allenthalben auf Erneuerung, auf ein Lebendigwerden aus dem Tode, auf ein Neu- oder wieder Jungwerden aus dem Alter. Als Mose die Kinder Israel segnet, spricht er über Asser das verheißungsvolle Wort aus: „Eisen und Erz sei an seinen Schuhen; dein Alter sei wie deine Jugend“! (5. Mose 33, 25) und Mose selber, der in dem Hause Gottes ein so treuer Knecht gewesen ist, wird in seiner Sterbestunde die erfüllte Verheißung einer auch unter den schwersten Lebensmühen ihm bewahrt gebliebenen Jugend mit den Worten nachgerühmt: „seine Augen waren nicht dunkel geworden, und seine Kraft war nicht verfallen“. (5. Mose 34, 7.) Oder wer verstände nicht den Segen, den David den Frommen nachrühmt, wenn er sagt: „Die gepflanzt sind in dem Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen, und wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, und fruchtbar und frisch sein“, (Ps. 92, 14) und diese Verheißungen können uns nicht Wunder nehmen, denn sie entsprechen durchaus den sittlichen Anforderungen des Christentums, die allesamt eine stete, ununterbrochene Erneuerung zur Pflicht machen. Es kennt keinen Stillstand in dieser Arbeit, es weiß von keinem Abschluss, und selbst die Wiedergeburt, das höchste Ziel, das ein Christ erreichen kann, wird so wenig als ein Zustand fertiger Abgeschlossenheit dargestellt, dass der Erlöser an diese höchste Forderung zugleich die ihr entsprechende knüpft: wo ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“!
Und wenn wir die Wirkungen betrachten, welche das Christentum auf die damalige Menschheit ausübte, die dem trostlosen Siechtum verfallen, dem unrettbaren Tode preis gegeben zu sein schien, so waren es ja verjüngende Kräfte, die der Christenglaube über die Völker ausschüttete, so dass aus den Trümmern der alten Welt eine edlere, höhere Bildung erblühte, und der verjüngte Menschengeist einen erneuten Aufschwung nahm. Und noch immer wird sich dieselbe Erscheinung wiederholen, wo der einzelne Mensch durch den Glauben ein Kind Gottes wird. Er wird dann wieder jung wie ein Kind und bleibt es trog der vorrückenden Jahre. Es ist ihm die Ewigkeit ins Herz gelegt, und mit ihr ein Trieb nach Vervollkommnung, bei dem kein Stillstand möglich ist; denn wenn die Weisheit des Lebens in der Erwerbung der Einsicht besteht, wie wenig man wisse, so wächst auch mit der Reife des Glaubens, mit dem geschärften sittlichen Gefühl die Überzeugung, wie wenig man wisse, so wächst auch mit der Reife des Glaubens, mit dem geschärften sittlichen Gefühl die Überzeugung, wie wenig man Ursache hat, sich zu rühmen, und wie weit man noch hinter dem Ziele der Vollkommenheit zurückblieb. So gibt der Glaube eine Bildsamkeit, eine Fähigkeit zu lernen, wie sie nur der Jugend eignet, aber mit ihr eine nicht minder anziehende geistliche Frische, eine Empfänglichkeit für die Wahrheiten des göttlichen Wortes, eine Glut und Inbrunst des Gebets und eine Tiefe und Innigkeit der Empfindung, wie wir sie bei dem königlichen Sänger vernehmen, der im Rückblick auf die vergangenen Tage die unendliche Barmherzigkeit Gottes in den Worten preiset: „der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler“! wo ihm des Adlers hoher Flug und scharfer Blick als ein köstliches Bild dient, um damit die eigentümliche Gabe der Jugend zu bezeichnen, den mächtigen Aufschwung des Geistes und die Klarheit des noch unverworrenen Blickes, dem noch keine Wolken und keine Sorgen den schönen Gotteshimmel zugedeckt haben. du, der du alles neu machst, lass auch uns zu neuen Kreaturen werden! Herr, hilf uns, wir harren auf dich, und so lass sich denn auch an uns das Wort deiner Verheißung erfüllen : „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden“! Amen. (Julius Müllensiefen.)