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Johannes 12,28

Johannes 12,28

Andachten

Vater, verkläre deinen Namen! - Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verklärt, und will ihn abermal verklären.
Wie oft hört man solche Leidende, die durch leibliche Krankheit zu jahrelanger oder gar lebenslänglicher Untätigkeit verurteilt sind, wie oft hört man sie klagen: „Ach, ich bin zu nichts nütze in der Welt, kann nichts schaffen und muss mir nur überall helfen lassen; es wäre für die Meinigen viel besser, wenn ich aus dem Weg wäre“ usw. Wir verstehen vollständig diese Klagen, denn sie sind natürlich, aber doch auch nur natürlich. Vollends seit unser Heiland durch Leiden vollkommen gemacht ist, seit also das Größte auf Erden durch Leiden geschehen, sollten diese Klagen gänzlich verstummen! Wir wollen hier nur im Vorübergehen erwähnen, dass die Menschheit im Ganzen der Leidenden weniger entraten kann wie der „Glücklichen“ und der Triumphierenden, denn an Jenen sollen diese das lernen, was wichtiger ist als alle Erdenweisheit, nämlich demutsvolle Dankbarkeit gegen Gott, und ihren Nächsten gegenüber Dienen, Lieben, Mitleiden, Fußwaschen. Aber auch die Leidenden selbst sollen grade durch das Leiden der göttlichen Vollendung entgegengeführt, und wiederum durch das Leiden in Christi Sinn, Kraft und Nachfolge können sie auch Licht und Salz der Welt in höherem Grad werden, wie durch alles Wirken, Schaffen und Arbeiten.

O, wie viel mehr wahrer Segen und bleibende Freude ist von den Krankenstuben ausgegangen über große Familienkreis, als von den Speisesälen, gar nicht zu reden von den Tanzsälen! Wie oft wird die Krankenstube zum stillen Heiligtum, da nicht nur der Kranke, sondern auch die Pflegenden die Fußtritte Gottes rauschen hören! Wie oft hört man von Solchen, die lange gelitten haben, sagen: „Ei, wie haben der und die in ihrem Leiden wunderbare Fortschritte gemacht; es ist, als ob ihr inneres Leben durch und durch neu geworden wäre!“ Und sind nicht auch viele unter Denen, die jetzt dieses Blatt lesen, die es bekennen müssen, dass sie ohne ihre tiefen Trübsalswege das Herz ihres Gottes. schwerlich jemals gefunden hätten? Ja, wenn der Dichter sagt: „Es bildet ein Talent sich in der Stille, doch ein Charakter in dem Strom der Welt.“ so darf man, unbeschadet der Wahrheit dieses Wortes, hinzufügen, dass die höchste und gründlichste Charakterbildung nicht in den Stürmen, Kämpfen und Arbeiten des bewegten Weltlebens, sondern in dem stillen Ertragen schwerer Trübsal, im Dulden, Harren und Warten stattfindet. Denn hier bildet sich der Charakter, der für die Einwohnung Gottes, für die Einprägung seines Ebenbildes geschickt macht; vorausgesetzt eben, dass das Leiden in christus-ähnlicher Weise erlitten wird.

Was aber würdiges, heiliges, heiligendes Leiden sei, das müssen wir fort und fort an Jesu heiliger Passion studieren. Wenn ihm, wie wir im vorigen Aufsatz sahen, das Leiden so schwere Anfechtungen machte und so tiefe Seufzer auspresste, so wird uns schwachen Menschen der barmherzige Gott noch viel weniger verübeln, wenn uns das Leiden sehr sauer wird. Er wird manches geheime und offenbare Murren, manche Aufwallung und Aufbäumung unserer Natur und unserer Leidenschaften mitleidiger verrechnen wie viele Menschen, wenn wir nur schließlich wieder in die rechte Spur kommen.

Auch die Seele Jesu war erschüttert im Anblick seines Schmerzensweges. Auch Er fragte: „Was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde?“ Aber kaum hat Er das Wort „Vater“. auf seine Lippen gebracht, so ist der innere Sturm gestillt. Vergessen, niedergekämpft ist alles Grauen der Natur, weggeschoben jeder Gedanke an sich selbst, nur ein Gedanke leuchtet noch hell in seiner Seele, alle Finsternis verzehrend: „Vater, verklare deinen Namen!“ Heraus aus dem brandenden Meer der Anfechtungen, Ängste, Schmerzen, Seufzer ringt sich diese eine Bitte, die sich bald in einen Triumphruf wandelt: „Vater, verkläre deinen Namen!“ In diesem einen Wort ist sein ganzes Herz, Leben, Lieben, Glauben, Hoffen, Wollen, Ahnen, Freuen, Leiden ausgesprochen. „Vater, verkläre deinen Namen!“ Das ist der Grundakkord, der durch sein ganzes Leben hindurch klingt und der am mächtigsten da tönte, wo er am schwersten musste errungen werden. Die heilige Sehnsucht, dass des Vaters Namen in der ganzen Menschheit und in Ihm selbst verklärt werde, das ist die Sonne, die alle finsteren Tale des Leidens Jesu erleuchtet, da er von unsäglichen Schmerzen des Leibes gequält, von den Mächten der Finsternis angefochten und umstürmt, von den Menschen verlassen, verleugnet, verraten, mit Füßen getreten, ja, von Gott selbst verlassen wird. Immer spricht Er zu seiner Seele: „Es muss also gehen, sonst ginge es nicht so! Der Vater will es so, also will ich es auch; dies Eine muss über Alles sein, dass deine großen Licht- und Lebens-Gedanken, o Vater, zu ihrem Ziel und zu ihrer Vollendung kommen; Vater, verkläre Deinen Namen!“

O, dass doch auch in all unserem Tun und Lassen, Arbeiten, Ruhen, Lieben, Leiden, Reden und Schweigen, in allen unseren Demütigungen und Erhöhungen, in Sturmesnächten und Lenzestagen, - dieser eine Gedanke uns beherrschen möchte: „Vater, verkläre deinen Namen in mir und durch mich und tilge Alles aus in mir, was solche Verklärung hindert!“ Ja, wenn wir auch nur aufrichtig streben und ringen wollten so beten zu können, wenn wir erst nur wollen wollten so wie Gott will, wenn wir erst nur wirklich sehen wollten, was Gott an uns nicht sehen will und kann, was nicht eingehen kann in sein Reich, - so würde uns geholfen werden! Wo erst diese eine Sehnsucht: „Vater, verkläre mich in dein Bild!“ all' unser anderweitiges Sehnen, Wünschen, Zittern, Jubilieren, Murren, Klagen beherrscht, - da werden wir, wie erbärmlich es auch sonst mit uns bestellt sein mag, da werden auch die Schwergeprüften mächtig erfahren Gottes Geduld, Trost und Nahesein, da werden auch sie über sich hören, was Jesus hörte: „Ich habe meinen Namen verklärt und will ihn ferner verklären in euch, bis ihr, als meine erlösten Kinder, in Herrlichkeit vor meinem Throne steht.“ Denn wer recht kämpft, der wird gekrönt.

Durchgekämpft und durchgerungen,
Bis zum Ziele durchgedrungen,
Muss es, matte Seele, sein;
Durch die tiefsten Dunkelheiten
Wird dich Jesus hingeleiten,
Mut flößt er den Schwachen ein. (Otto Funcke)

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nt/43/johannes_12_28.txt · Zuletzt geändert: von aj
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