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Lukas 2,52

Lukas 2,52

Andachten

Jesus nahm zu an Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen.
Falls jemand denken möchte, durch das geringe Leben in Nazareth seien die himmlischen Adlergedanken und heiligen Ideale, die zu Jerusalem in des Vaters Haus geweckt wurden, allmählig wieder gedämpft und Jesus sei in der nüchternen Alltäglichkeit des Lebens von jener geistigen Höhe heruntergestiegen, - den belehrt das obige Wort eines Besseren; „Jesus nahm zu“. Das gilt von jedem Tag der achtzehn Jahre nach der ersten Reise zum Osterfest. Ebenso ist schon Vers 40 mit starkem Nachdruck von dem unmündigen Jesuskind gesagt: „Es wuchs und ward stark im Geist“. Lukas fordert also, dass wir damit vollen Ernst machen. Jesus war nicht von vorne herein was er werden sollte, nein, er musste es durch stetiges Wachsen und Zunehmen werden. Leiblich und geistig musste er durch dieselben Entwicklungsstufen hindurch gehen wie jedes andere Menschenkind. Da war nichts von Allmacht, Allwissenheit, verborgener Gottesmajestät und geheimem Weltregiment, wie auch liebe Christen träumen. Da war nichts von göttlichen Eigenschaften, außer dass er durch geheimnisvolle göttliche Zeugung entstanden und dadurch die Macht und Möglichkeit gegeben war, den Anfechtungen der Sünde durch den Glauben zu widerstehen, während ihr alle, auch die edelsten Söhne des ersten Adam, erliegen musstet.

Übrigens war Jesus ganz und gar Fleisch von unserem Fleisch und Bein von unserem Bein, versucht allenthalben, gleich wie wir. Nicht das ist seine Größe, dass er nicht fallen konnte, sondern dass er in der Versuchung dennoch allenthalben obgelegen und ohne Sünde geblieben ist. Jener Christus aber, der unter dem armen Pilgerkleid Gottes Herrlichkeit verborgen trägt, ist eine Scheingestalt, ein Heiland ohne Trost, der uns ewig fern bleibt, und die Mahnung, ihm nachzufolgen, wäre ein bitterer Hohn. Nein, was Jesus wurde, wirkte und litt, das geschah durch den Gehorsam des Glaubens, der sich auf jedem Punkt in den heiligen Willen des Vaters einsenkte. Darum hat ihn auch Gott erhöht und Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, darum hat Gott ihm gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Lukas sagt nun zunächst, dass Jesus an Alter zugenommen habe. Das scheint nun eine sehr überflüssige Bemerkung zu sein. Allein das griechische Wort bedeutet auch die menschliche Natur. Wir dürfen hier wohl auf die ganze leiblich-geistige Entwicklung, soweit sie vor Augen tritt, hinweisen. Sie war also bei Jesu eine harmonische, gleichmäßig fortschreitende, ohne dass eine Übereilung oder ein Stilstand, Verwirrung, Bruch oder Riss hineinkamen. Jesus war nicht ein frühreifes Wunderkind, wie's denn Kinder von wenigen Jahren gegeben, die schon große musikalische Virtuosen oder Sprachmeister gewesen sind. Auf solche unnatürliche Frühreife folgt in der Regel eine gar traurige Erschlaffung des Geistes, der dann wie ausgelebt und ausgebrannt erscheint. So war Jesus nicht. Lernend und arbeitend nahm er an Leib und Seele gleichmäßig und allmählig zu. Während unsere Kinder so leicht missmutig werden, wenn sie nicht recht voran können, oder eitel und übermütig, wenn Alles so leicht und glatt von Statten geht, so überwand Jesus die Schwierigkeiten durch stille Geduld und Beharrlichkeit, den Übermut aber durch Demut und Gottespreis.

Weiter sehen wir bei unzähligen Kindern, dass gerade in den Jahren, die dem zwölften folgen, plötzlich ein erschreckender Stillstand eintritt. Sie werden unlustig, unkindlich, störrig, untüchtig sich zu sammeln, - Leib und Seele scheinen wie vom Wurm gestochen. Ach, so sieht man manche liebliche Menschenblume, wie sie bald schlaff die Blätter hängen lässt. Was ist das? Zuweilen sind's nur leibliche Leiden, öfter aber geheime Jugendsünden, die das Mark des Lebens zerfressen. Darüber ließe sich ein gar schaurig und traurig Lied singen. O, ihr Eltern, Lehrer, Erzieher, achtet wachend und betend auf die ersten Anfänge, warnt die Kinder, betet mit ihnen, kämpft mit ihnen, stellt ihnen vor allen Dingen das heilige Bild des Jesusknaben und Jünglings vor Augen, der allen Angriffen der Sünde gegenüber sprach: Wie sollte ich ein so großes Übel tun und wider Gott, meinen Herrn, sündigen? Weißt du nicht, (scheußliche Sünde) dass ich sein muss in dem das meines Vaters ist? - So hat Er gesiegt und durch ihn sollen wir siegen, die nach Erlösung schreien.

Jesu, hilf siegen, du Fürste des Lebens!
Sieh wie die Finsternis dringet herein;
Wie sie ihr höllisches Heer nicht vergebens
Mächtig aufführet, mir schädlich zu sein!
Lass mich eindringen ins göttliche Wesen,
So wird mein Geist, Leib und Seele genesen. (Otto Funcke)


Jesus nahm zu an Weisheit.
Das ist mehr als: „an Verstand“, und vollends mehr wie „an allgemeiner Bildung“. Heutzutage zielt die meiste sogenannte Bildung, sowohl der Knaben wie der Mädchen, nur darauf, die Verstandeskräfte zu schärfen und vor allen Dingen dahin zu führen, dass man von allem Möglichen so viel weiß, um ein Bisschen mitraisonnieren zu können. Über dem bunten Vielerlei kommt es schwer auf irgend einem Punkte zu rechter Tiefe, und die originalen Meister werden immer seltener. Desto häufiger ist bei den routinierten Leuten Eitelkeit und innere Leere. - Die wahre Weisheit ist das Eindringen in die Tiefe und Verborgenheit der Dinge, in die Mächte und Gewalten, die im Geheimen wirken. Darum sind Gotteserkenntnis und Erkenntnis des menschlichen Herzens aller Weisheit Anfang. Indem wir Gott erkennen, lernen wir erst uns selbst verstehen. Wer aber alles wüsste und kennte sich selber nicht, der ist und bleibt ein Narr mit aller seiner Wissenschaft. Wer noch so viel gelernt hat, kennt aber das menschliche Herz nicht, der ist unfähig auf die Menschen zu wirken. Die Herzen unserer Mitmenschen aber erkennen wir dadurch, dass wir uns selbst erkennen und dann mit offenem Auge das Leben um uns her betrachten. So drang auch Socrates, der weiseste Mann des Altertums, immer wieder auf Selbsterkenntnis; zugleich aber führte er seine Schüler auf den Markt, auf die Straße, zum Hafen, zum Exerzierplatz; ließ sie das Leben anschauen, knüpfte mit allen möglichen Menschen an und offenbarte ihnen so, was das für verborgene Beweggründe und Triebe seien, die durch die Sichtbarkeit enthüllt wurden. Ach, wie viel könnte unsere gegenwärtige Bildung und Verbildung hier lernen, wie ist unsere heutige Bücherweisheit dem wirklichen Leben so entsetzlich entfremdet! Wie wenig wird die Weisheit gezeugt, die auf das Innere dringt, um dann von Innen nach Außen zu gelangen!

„Jesus nahm zu an Weisheit“. Das geschah vornehmlich durch das verborgene Leben mit seinem Vater, durch die Hingebung an seinen Geist und Willen. Der lautere Geist Jesu, der nie durch die Sünde getrübt und verfinstert war, tat eben deshalb wunderbare Blicke in die göttliche Wahrheit und in das Wesen aller Dinge. Unaufhaltsam durchdrangen ihn die Strahlen des göttlichen Lichtes; das heilige Gotteswort aber war die tägliche Speise seiner Seele, es war aber auch zugleich die heilige Fackel, die ihm die ganze Welt erleuchtete, das ganze innere und äußere Leben der Menschen. Mit diesen aber lebte er in der ungezwungensten, herzlichsten Gemeinschaft, Leid und Freud', Arbeit und Ruhe mit ihnen teilend, immer mitten drin in dem frischen, vollen Menschenleben, mit seinem tausendfachen Wechsel. So gelangte er zu der Weisheit, die ins Verborgene schaut, vornehmlich auch hinein in die Tiefen und Untiefen des Menschenherzens, wie's einem Lehrer und Erzieher, Heiland und Versöhner der Menschheit notwendig war.

Mit Staunen sehen wir nachher, als Jesus sein messianisches Amt antritt, wie alles Menschenwesen klar und offenbar vor seinen Augen daliegt. Er ist tief eingedrungen in das geheime Sinnen und Planen, er hat das innere Lust- und Sorgengetreibe wunderbar belauscht. Jedem Menschen gegenüber trifft er sogleich das verborgene Pünktlein, so dass jeder merkt: „ich bin entdeckt, ich bin entlarvt“, oder auch „ich bin verstanden, bin erhört, ehe ich redete“. So fährt denn sein Wort bald wie ein zündender, vernichtender Blitz in die Herzen, bald senkt sich's hinein wie ein heilender Himmelsbalsam oder wie ein Leben weckender Frühlingsstrahl; überall aber und immer ist's die vollkommene Weisheit, die uns in Jesu begegnet, überall finden wir auch, wie er das Getreibe des menschlichen Herzens und Lebens belauscht hat. Wie schildert er das erstickende Sorgengetreibe einerseits und andererseits das narrenhafte Plänemachen ohne Gott; wie trifft er die scheinfromme Heuchelei und Selbstbetrügerei mit zermalmendem Wort und wiederum, wie tief schaut er in den Jammer einer nach Errettung schreienden Seele hinein; wie versteht er es, in dem Bild des verlorenen Sohnes den Leichtsinn von Millionen und aber Millionen samt den entsetzlichen Folgen dieses Leichtsinnes zu schildern, und wiederum wie unvergleichlich stellt er in jenem Priester und Leviten, die an dem totwunden Mann vorübergehen, die Kaltherzigkeit der menschlichen Natur dar! Doch lassen wir das, denn jeder Blick in die Evangelien lässt uns in Jesu eine Weisheit schauen, wie nie auf Erden Weisheit war.

Diese Weisheit aber ist ihm nicht vom Himmel als eine fertige Gabe in seine Seele gesenkt, nein, er hat sie errungen, erbetet, erarbeitet durch ein stetes Aus- und Eingehen in dem Tempel der Wahrheit Gottes, durch ein wahrhaftiges Aufschließen seiner Seele gegen die Strahlen des Lichtes Gottes, die ihm Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit erhellten. Und so gewiss Jesu Jünger Licht und Salz der Erde sein sollen, so gewiss sollen sie ihm auch in seiner Weisheit ähnlich werden. Nimmst du, der du dich Jesu Jünger nennst, zu an Weisheit? Wenn aber nicht, - warum denn nicht? Das prüfe selbst - aber ehrlich!

Aller Weisheit höchste Fülle
In dir ja verborgen liegt,
Gib nur, dass sich auch mein Wille
Fein in solche Schranken fügt,
Worinnen die Demut und Einfalt regieret
Und mich zu der Weisheit, die himmlisch ist, führet.
Ach wenn ich nur Jesum recht kenne und weiß,
So hab' ich der Weisheit vollkommenen Preis. (Otto Funcke)


Jesus nahm zu an Gnade bei Gott und den Menschen.
Das Wort will Manchen schlecht einleuchten. Zwar das, dass Jesus mehr und mehr der Menschen Wohlgefallen erwarb, begreift man noch leicht. Immer mehr wurde man in Nazareth aufmerksam auf diesen eben so sanften wie festen, eben so ernsten wie freundlichen liebenswürdigen und dienstwilligen Jüngling, der Jedermann wohlzutun beflissen war und doch Niemand weh tat. Denn die Tugend an und für sich wird auch von Denen geschätzt, die nichts von ihr besitzen. Oft hörte man die Bauersleute in Nazareth sagen: „So Einer ist nicht wieder; wahrlich, die Maria hat ein seltenes Glück mit ihrem Sohn“. - Freilich, er hatte seine Privatansichten, seine eigentümlichen Ideen, wie man sagte; er enthielt sich manches Dinges, das doch Allen löblich schien; er urteilte oft ganz anders wie alle Welt; er war oft ernst, wenn alle lachten, und Anderes, worüber jeder Nachbar jammerte, focht ihn gar nicht an. Aber der wunderliche Jüngling war so liebenswürdig und gut, dass man ihm seine Eigenheiten gern nachsah. Anders wurde freilich die Sache, als er sein heiliges Schweigen brach, als er anfing zu zeugen und auch seinen Landsleuten nicht vorenthielt, dass ohne durch Buße und Wiedergeburt kein Weg zum Himmelreich führe. Da wandte sich das Blatt und hätten sie gekonnt wie sie wollten, sie hätten den Zimmermannssohn in den Abgrund gestürzt (Lukas 4,29). Das kann ja auch heute noch jeder wahrhaftige Christ erfahren, wie er gerne ein Leben des Glaubens führen kann mitten in der Welt des Unglaubens, ja, eine Zeitlang dabei recht beliebt sein. Schnell aber wandelt sich die Stimmung bei Vielen, wenn er, ob auch noch so sanft, zart und demütig, seinen Nachbarn enthüllt: „Auch ihr müsst umkehren, wenn ihr nicht im Tod bleiben wollt“.

Wir verstehen also, dass Jesus zunahm an Gnade bei den Menschen. Wie aber konnte er zunehmen an Gnade bei Gott? War nicht über ihm, dem sündenreinen Menschen, fort und fort Gottes vollkommenes Wohlgefallen? Und wenn es so war, wie konnte er denn zunehmen an Gnade? Aber hat nicht ein Schüler, der immer seine Pflichten treulich erfüllte, das volle Wohlgefallen seines Lehrers? Und steigt nicht doch noch dieses Wohlgefallen, wenn der Lehrer erfährt, dass jener Schüler heimlich seinen schwächeren Mitschülern fortgeholfen hat, damit auch sie dahin kommen, wohin er selbst schon gekommen ist? Oder, nehmen wir an, dass eine Mutter nie über Ungehorsam und Lüge bei ihrem Kind zu klagen hatte, - wird nicht doch das sind in der Liebe der Mutter wachsen, wenn sie hört, dass es die schwersten und lockendsten Versuchungen zu Ungehorsam und Lüge durchgemacht und doch ritterlich bestanden hat? So nahm auch Jesus zu an Gnade bei Gott je länger und je mehr er das Gute und Heilige in sich befestigte und zum inneren Heiligtum machte, je länger und je mehr er auf allen Punkten und in allen Versuchungen die Anfechtung zur Sünde überwand, so dass es mehr und mehr eine Natur-Unmöglichkeit für ihn wurde zu sündigen. O, dass wir an ihm lernten, allezeit einwärts und himmelwärts unser Auge zu richten nach seinem heiligen Vorbilde, bis wir durch Macht seiner Gnade herankommen zu dem vollkommenen Mannesalter Christi, da jeder Schatten von Sünde unmöglich, da Heiligkeit unserer Seele Leben und lichte Gottesherrlichkeit unser Kleid sein wird.

Nun, so gib, dass meine Seele
Auch nach deinem Bild erwacht,
Du bist ja, den ich erwähle,
Mir zur Heiligung gemacht.
Was dienet zum göttlichen Wandel und Leben
Ist in dir, mein Heiland, mir Alles gegeben.
Entreiße mich aller vergänglichen Lust;
Dein Leben sei, Jesu, mir einzig bewusst. (Otto Funcke)

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