Lukas 24,52
Andachten
“Sie aber beteten ihn an und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude.“
Offen gestanden, ich bin früher betroffen und verlegen geworden beim Lesen dieser Zeilen. Wie konnten die Jünger, die zum zweiten Mal ihren Herrn verloren, mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehren? Ein jeder Abschied macht doch sonst traurig und dämpft auch etwa vorhandene Freudentöne. So werden ihre Augen ihn auf Erden nie mehr sehen. Selbst angenommen, dass sie jetzt wussten, dass diese letzte Heilstat Gottes sein Erlösungswerk abschloss und für Jesus den Eintritt in die volle Verklärung bedeutete - konnten sie so selbstlos sein, sich bloß für ihn zu freuen? Besonders, wo seine Verheißung des Geistes an ihnen sich noch nicht erfüllt hatte? Heute, als meine Augen wieder an diesem Verse hingen und diese Gedankenreihen mein Inneres bewegten, da blitzte mir plötzlich eine neue Erkenntnis auf. Sie beteten ihn, den soeben Entschwundenen, zum ersten Mal an. Er war an Gottes Seite getreten. Das kleine Häuflein auf der flachen Kuppe des Ölbergs hatte, seit die Welt steht, zum ersten Mal jemand als göttlich anbeten dürfen, der als nächster Vertrauter und Freund mit ihnen gewandelt war! Ähnlich durchzuckt uns, wenn wir zum ersten Mal mit Bewusstsein und des Rechtes und Anspruchs, Jesum anrufen zu dürfen, bedienen, die wunderbare Freude: Mein Jesus ist mein Herr und Gott!
Darum rufen wir deinen Namen an, du unser teurer Seelenfreund, Herr Jesu Christ! Wir stehen anbetend vor dir, und du hörst und liebst uns! Amen. (Samuel Keller)
Sie aber beteten ihn an, und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude; und waren allewege im Tempel, priesen und lobten Gott.
Die Anbetung Jesu nimmt hier schon ihren Anfang, in seiner Himmelfahrtstunde. Die Jünger schauen nicht nur ihrem Freund und Meister, sondern auch ihrem Gott nach. Sie beteten ihn an; seine Gottheit wird gleich anerkannt in der apostolischen Kirche; sagte er nicht selbst (Joh. 5, 23), es solle so sein, auf dass sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren? Hieraus erklärt sich die Freude der Jünger. Der Abschied ihres Meisters hat nichts geändert in ihrem Verhältnis zu ihm. Er will auch im Himmel ihr Freund, ihr Bruder sein; in verklärter Menschengestalt hatten sie ihn nach oben sich erheben sehen; sie haben nun dort einen Vertreter, dem alle Macht gegeben ist, und der ebenso wohl ihrem Geschlecht angehört, als dem ewigen Wesen Gottes. Die Himmelfahrt Christi ist die Triumphfeier unserer Menschennatur. In Ihm ist sie verklärt und in das himmlische Wesen versetzt worden; er hat sie nicht weggeworfen, sondern beibehalten bei seiner Rückkehr zum Vater, um ihr ein himmlisches Recht zu erwerben, was der erste Adam für sich und die Seinen verloren hatte. Der Vater steht nun den ärmsten Sünder nicht mehr in dem befleckten Rock des Fleisches, sondern in dem erstgeborenen vieler Brüder und in dem Schmuck ewiger Verklärung. Christus will nichts für sich allein; ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, sagt er, die Du mir gegeben hast. Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe, und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl. Das war es, was das Herz der Jünger bewegte in stiller Wonne, als sie allewege im Tempel waren, Gott preisend und lobend, nach der Auffahrt ihres Herrn. (Friedrich Lobstein)