1. Mose 22,7
Andachten
Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird ihm ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beide miteinander.
Isaak bricht zuerst das lange Schweigen. Er sieht wohl Feuer und Holz, aber wo ist das Schaf zum Brandopfer? Darauf soll der Vater ihm antworten. Es gibt Fragen, die uns gleichsam ein Messer an den Hals legen. Was wird Abraham seinem Sohn sagen? Entweder lügen? oder vermitteln? oder die reine schreckliche Wahrheit sagen? Drei Fälle, unter denen man oft wählt. Die Welt sagt: Eine gute Lüge schadet nicht. Das sagt nun zwar ein Christ nicht, aber auch Christen nehmen es oft mit der Wahrheit nicht sehr genau. Sie behaupten, es gibt Fälle, wo man sich nur durch eine Notlüge salvieren1) kann; dann nämlich, wenn von der Wahrheit mehr zu befürchten sei, als von einer Notlüge. Aber hat Christus sich auch je eine Notlüge erlaubt? Man stellte ihm oft gar spitzige Fragen, und sein Ja oder sein Nein sollte ihn in die Schlinge fallen lassen. Und doch hatte sein Wort immer eine solche Schlagkraft, dass gerade bei solchen Vorfällen die Wahrheit aus seinem Mund am wunderbarsten wirkte. Man kann keine Regeln geben, wie man antworten müsse in Fällen, wo es Einem Angst wird, die Wahrheit zu sagen; wer aber stets in der Luft der Wahrheit lebt und in Christo die uns von Gott gemachte Weisheit sucht, der wird im Augenblick selbst von dem heil. Geist in alle Wahrheit geleitet werden. Ausweichen und lavieren hilft auch nicht; man wird auf diese Weise nur beklommener; es gibt oft Antworten, die einen jesuitischen Doppelsinn enthalten, wozu aber ein Christ nicht soll seine Zuflucht nehmen. Dem ersten Anschein nach hat die Antwort, die Abraham hier seinem Sohne gibt, so etwas Jesuitisches. Mein Sohn, Gott wird ihm ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Man denkt: Das kann nun Isaak nehmen, wie er will, und Abraham hat so nicht gelogen. Allein der Patriarch ist hier wahrer, als wir meinen. Er hält fest an dem Glauben: Isaak ist der Träger der Gottesverheißungen; soll er bluten, so kann Gott ihn auch von den Toten erwecken, und was dann Gott für ein Brandopfer sich erwählen wird, das wird sich zeigen. So nimmt es der Verfasser des Ebräerbriefs, Kap. 11, 19. Sagt man: Wenn Abraham aber voraus wusste, Gott würde Isaak wieder von den Toten erwecken, so sei der Heroismus des Patriarchen keine Kunst gewesen; so sagt, dem antworten wir: Probiere es doch einmal, du Lieber, zu glauben wie Abraham, und siehe, ob dir die Sache so leicht wird. (Friedrich Lobstein)