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Johannes 13,1

Johannes 13,1

Andachten

“Wie Er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende.“
Der Heiland bleibt sich in Seiner Liebe gleich, und hat diese Seine Liebe am letzten Abend noch am herrlichsten gezeigt. Bis in den Tod hinein hat Er geliebt, und wohlgetan mit Seiner Liebe; noch am Kreuz hat Er geliebt. Seine Liebe wendet Er vornehmlich den Seinen zu, die Ihn hörten, die Ihm folgten, die sich auch zu Seinem Dienst brauchen ließen. Denn das sind eigentlich die Seinen, die sich von Ihm in Seinem Dienst brauchen lassen. Man hörte Ihn fragen (Mark. 3,33ff.): „Wer ist Meine Mutter und Meine Brüder?“ Dabei sah Er rings um Sich auf Seine Jünger, die um Ihn im Kreise saßen, und sprach: „Siehe, das ist Meine Mutter und Meine Brüder; denn wer Gottes Willen tut, der ist Mein Bruder und Meine Schwester und Meine Mutter.“ Auch zu dem reichen Jüngling sagte Er: (Matth. 19,21): „Willst du vollkommen sein, so verkaufe, was du hast, und komm und folge Mir nach.“ Daher war’s im Anfang immer so, dass, wer mit Ihm es halten wollte, sich gleich anstellen und aussenden lassen musste.

Auch heute noch müssen wir uns, wie es eben möglich ist und etwa gefordert wird, in Seinen Dienst nehmen lassen, und nicht bloß andächtelnd zu Ihm hinaufblicken wollen. Ihm dienen aber kann man in jedem Stand und unter jedem Verhältnis; und was man Einem Seiner Geringsten tut, ist schon Ihm gedient. Tut mans, so erfährt man Seine Liebe, Seine Durchhilfe, Seine Barmherzigkeit, auch den Frieden in der Seele, der eigentlich nichts anderes ist, als ein Ruhen in der Liebe Christi. „Friede sei mit euch!” hören wir den Auferstandenen zu Seinen Jüngern sagen. Ach! dieser Friede möge mit uns sein! (Christoph Blumhardt)


“so liebte er sie bis ans Ende.“
Eine verzweifelte Mutter aus vornehmer Familie erklärte, nachdem sie die fast zwanzigjährige Leidensgeschichte erzählt hatte, die sie mit ihrem ungeratenen Sohn durchgemacht, dass sie jetzt mit ihrer Liebe zu ihm fertig sei. Ähnliches kann man beobachten, wenn ein Mann jahrelang sein siechendes Weib pflegen soll, oder eine erwachsene Tochter die fast blödsinnige Mutter: ihre Liebe verliert zuletzt die Spannkraft. So sind wir eigentlich von Natur alle - was uns zu lang dauert, wo wir kein nahes Ende absehen, da versagt zuletzt unsere Liebe. Jesus liebte die Seinen bis ans Ende! Obschon dieses furchtbare Ende erst seine ganze Liebeskraft herausforderte, sich für diese gleichmütigen, unverständigen Jünger ebenso wie für seine Feinde in Marter und Tod zu geben - er liebte sie bis ans Ende! Er wird uns im Sterben nicht verlassen und uns hindurchlieben, „bis am goldenen Ufer leuchtend der Tag erwacht.“ Sollen wir uns nicht solcher treuen Liebe gänzlich, täglich, freudig ausliefern! Müssen wir nicht von solcher ewig währenden Liebe endlich mit angesteckt werden, ihr ähnlich zu werden?

Ach, Herr Jesu, schärfe die Sinne unserer Seele, dass wir deine Liebe feuriger empfinden und treuer ausstrahlen auf andere, die du doch alle ebenso liebst wie uns. Segne unser Lieben nach deinem Reichtum! Amen. (Samuel Keller)


Vor dem Fest aber der Ostern, da Jesus erkannte, dass seine Zeit gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Jesus hat die Seinen geliebt bis ans Ende. Und mit dieser Liebe umfasst er nun auch uns. Er liebt auch uns bis ans Ende. Nicht bloß so lange, als wir ihn lieben. Ob wir auch ihm oft untreu werden, er bleibt uns immer treu. Nicht bloß so lange, als wir leben über Grab und Tod hinaus, in alle Ewigkeit liebt er uns: Er liebt uns bis ans Ende, mit einer Liebe, die Nichts zu Ende bringen kann. Diese Liebe ist unsere Freude und unser Trost. Wenn unser Kleinglaube uns fallen und straucheln macht, wenn wir in Schwachheit ihn verleugnen, Er lässt uns dennoch nicht; Er verleugnet sich nicht. Der Menschen Augen schließen sich; sie vergessen so leicht und schnell; ihre Liebe ist wandelbar, sie bleibt nicht bis an jedes Ende; die Stunde kommt, wo sie uns allein lassen und gehen in das Ihre. Aber der Herr liebt uns bis ans Ende. Seine Liebe hat kein Ende. Was sich auch wandle, sie wandelt sich nimmermehr. Herr, sei ewiglich gepriesen, dass du uns in aller Untreue dieser Welt die Liebe bis ans Ende offenbart hast. Diese deine Liebe sei unser Licht in allem Leid und unser Trost in aller Not. Deine Liebe sei unseres Lebens Kraft, und mache unser Herz fest und stark, auch dich und die Brüder zu lieben bis ans Ende, und getreu zu sein bis zum Tode. Amen. (Adolf Clemen)


Wie Jesus geliebt hatte die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende.
Mit welcher Beugung, Dankbarkeit und Freude mag Johannes dieses geschrieben haben, da er selber unter denjenigen war, welche Jesus als die Seinigen bis ans Ende geliebt hat! Die redlichen Apostel, die Er von der Welt erwählt hatte, waren Seine Schüler, Nachfolger und Schafe. Er nannte sie zuletzt gar Seine Freunde. Er hatte sie von dem Anfang ihrer Jüngerschaft an lieb gewonnen, und ob sie Ihm schon mit ihren Gebrechen und Fehltritten täglich Mühe machten, und Vieles, das Er redete, nicht recht verstand, so hörte Er doch nicht auf, sie zu lieben. Er liebte sie bis ans Ende Seines sichtbaren Umgangs mit ihnen, und legte auch dadurch eine besondere Probe Seiner Liebe ab, dass Er ihnen bei einem Abendessen die Füße wusch, und dadurch nicht nur ein rührendes Beispiel der Demut gab, sondern sie auch von dem Wust der Sünde reinigte, den sie als Leute, die in der unsauberen Welt sein mussten, und täglich viel Böses sahen und hörten, der unsauberen Welt sein mussten, und täglich viel Böses sahen und hörten, unvermerkt an sich genommen hätten. Ach, der Aufenthalt in der Welt verursacht freilich, dass ein Christ der erbarmenden und treuen Liebe seines Heilandes besonders bedürftig ist! De HErr Jesus sagte Joh. 17,11. zu Seinem himmlischen Vater: Ich bin nicht mehr in der Welt; Mein Lauf geht nun zu Ende, Ich wandle von nun an nicht mehr unter den Menschen, in wenigen Stunden bin Ich der Welt entrückt, sie aber (meine Jünger) sind in der Welt. Und ach was die Welt sei, und was das Sein in der Welt austrage, hat Er besser als wir verstanden, und deswegen ferner gesagt: Heiliger Vater, erhalte sie in Deinem Namen, die Du Mir gegeben hast, dass sie Eines seien, gleichwie wir. Hernach hat Er noch V. 15.16.17. hinzugesetzt: Ich bitte nicht, dass Du sie (schon jetzt) von der Welt nimmst, sondern dass Du sie bewahrst vor dem Argen. Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch Ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in Deiner Wahrheit, Dein Wort ist die Wahrheit. Er liebt die Seinen, die in der Welt sind. Er trägt sie, und züchtigt sie mäßig, und vergibt, und reiniget, und heilt, und richtet auf, und stärkt, und schafft, dass aus Allem, was an sich kläglich ist, noch ein geistlicher Nutzen entsteht. Wenn Seine Liebe gegen die Seinigen nicht größer und fester wäre, als diejenige Liebe, welche die Seinigen gegen Ihn, gegen sich selbst und gegen Andere haben, so würde keiner von den Seinigen zum Ziel gelangen, allein was Paulus 1 Kor. 13. von der Liebe geschrieben hat, erfüllt Jesus selbst auf eine unbegreifliche und unermessliche Weise.

Einem solchen liebreichen Heiland soll man sich gern und zuversichtlich hingeben und anvertrauen, und Seine Liebe nicht nach dem Maß der menschlichen schätzen, aber auch nicht tückischer Weise darauf hineinsündigen, denn wir wissen ja, wie es dem verlorenen Kind, dem Judas Ischarioth, der’s so gemacht hat, gegangen ist. Die Seelen aber, die Ihm treu bleiben, wird Er Seine Liebe in jener Welt noch völliger genießen lassen. Er wird mit ihnen ein hochzeitliches Abendmahl halten, Er wird sie als Seine Braut lieben, und mit der größten Pracht auszieren. Im neuen Jerusalem wird Er bei ihnen wohnen, und Sein und des Vaters Thron wird darinnen sein. Halleluja! (Magnus Friedrich Roos)


Wie Er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende.
Der HErr Jesus sagte Joh. 17,11. zu Seinem himmlischen Vater: Ich bin nicht mehr in der Welt. Mein Lauf geht nun zu Ende, Ich wandle von nun an nicht mehr unter den Menschen, in wenigen Stunden bin ich der Welt entrückt: sie aber, meine Jünger, sind in der Welt. Ohne Zweifel hat Er diese Worte mit einem innigen Mitleiden ausgesprochen; denn, was die Welt sei, und was das Sein in der Welt austrage, hat Er nach Seiner hellen Erkenntnis und reinen Empfindung besser als wir verstanden. Daraus flossen hernach die barmherzigen Fürbitten, die Er in diesem Gebet für Seine damaligen Jünger, und für Alle, die durch ihr Wort an Ihn gläubig wurden, getan hat. Johannes pries auch die beständige und treue Liebe des Heilandes gegen die Seinen, da er erzählen wollte, wie Er ihnen die Füße gewaschen, und zugleich ihre Seelen von der sündlichen Unreinigkeit, welche sie sich aus Unvorsichtigkeit zugezogen hatten, gereinigt hatte. Sie hatten diese Reinigung nötig, weil sie in der unreinen Welt waren, durch deren Umgang man leichtlich befleckt wird. Er selbst, der HErr Jesus, blieb heilig, unschuldig und unbefleckt, ob Er schon gegen 3 Jahre in der Welt war. Bei Seinen Jüngern aber ging es nicht ohne Befleckung ab, wiewohl (den Judas Ischarioth ausgenommen, bei dem auch die Reinigung nicht anschlug) keine Bosheit dabei war. Hätte Er sie aber damals nicht gereinigt, so hätten sie am folgenden Tag das heilige Abendmahl nicht mit demjenigen Segen genießen können, der ihnen hernach durch dasselbe zu Teil wurde, auch hätten sie in der großen Versuchung, welche bei dem Leiden und Tod Jesu über sie kam, nicht ausharren können. Und da der Teufel sie bei ihrer noch nicht reinen Erkenntnis von dem Reich Jesu Christi je und je durch den Gedanken versuchte: welcher unter ihnen für den Größten gehalten werden sollte, und sie auch hernach aus Männern von geringem Stand zu Vorstehern vieler tausend Christen wurden, und neben dem Hass der Welt große Ehre und Achtung von allen Gläubigen genossen, so hätten sie sich der Erhebung ihrer selbst und des daraus fließenden Zwiespalts nicht erwehren können, wenn ihnen nicht neben Anderem das Beispiel Jesu einen bleibenden Eindruck gegeben hätte, welcher als ihr Meister und HErr sich mit der größten Wohlanständigkeit so weit herabließ, dass Er ihnen, als ob Er ihr Knecht wäre, die Füße wusch. Hierdurch wurde ihnen durchs Anschauen klar, was Jesus vorher Matth. 20,26.27. mit Worten gelehrt hatte, dass der Gewaltige ein Diener, und der Vornehmste ein Knecht sein müsse, wenn er ein echter Jünger Jesu sein wolle. Auch noch jetzt liebt der HErr Jesus die Seinen, die in der Welt sind, mit einer beständigen treuen und tätigen Liebe. Er zermalmt und warnt, und tröstet und reinigt zur rechten Zeit durch Sein Wort, und, wenn man nicht alsbald weiß, worauf dieses oder jenes ziele, das Er an der Seele tut, so erfährt man’s hinten nach, dass es nämlich eine Vorbereitung gewesen sei auf bevorstehende Leiden oder auf Werke, zu welchen man hernach berufen worden. Ein Christ sei nur immer bei sich selbst, und nahe fleißig zu seinem Gnadenstuhl, so wird er immer Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn ihm Hilfe not sein wird; der in ihm das gute Werk angefangen hat, wird es auch vollführen. (Magnus Friedrich Roos)


Wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Jeder Schritt dem Ende zu steigerte den Anspruch an die Liebe Jesu. Der Groll des Judas wuchs, der das Verhalten Jesu Wahnsinn hieß. Die Schwermut des Thomas wuchs, der sagte: wir wollen mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben. Das Selbstbewusstsein der Jünger wuchs und ihr Eifer nahm zu, mit dem sie erkunden wollten, wer von ihnen der Größere sei. Je näher das Kreuz kam, umso deutlicher wurde es, dass sich die Jünger an ihm ärgerten, und umso fraglicher wurde es, ob sie beieinander bleiben, wenn er nicht mehr bei ihnen war, und sie sein Wort behalten, dem ihre eigenen Gedanken heftig widersprachen. „Ich habe für dich gebetet“, sagte Jesus zu Petrus, „damit dein Glaube nicht aufhöre. „ Aber nicht nur der Anspruch an die Liebe Jesu, sondern auch seine Liebe wurde immer größer. Er liebte uns bis zuletzt, sagte Johannes. Er vollendete, was er begonnen hatte, ließ seine Liebe nicht ermatten, sondern gab sie ihnen auch jetzt in unverminderter Vollständigkeit. Er tat dies dadurch, dass er sie am letzten Abend zum festlichen Mahl um sich sammelte, durch seine letzten Worte seine Gemeinschaft mit ihnen über seinen Tod hinaus befestigte und aus seinem einzigen Eigentum, das er hatte, aus seinem Leib und seinem Blut, die Gabe machte, die er ihnen verlieh. Dass er seine Liebe zu den Seinen vollendete, das war sein Sieg über die Welt, sein Triumph über den Satan, die Durchdringung des Kreuzes mit Freude, die Grundsteinlegung zur Kirche, die Vollendung seines Heilandsamtes. Nun hatte er die Seinen für immer für sich gewonnen; sie waren nun für immer seiner Liebe gewiss und keine Länge der Zeit löschte in Johannes diese Erinnerung an sie aus und keine schmerzhafte Erfahrung, die ihm das apostolische Werk brachte, verdunkelte sie. Als das Große, was der letzte Verkehr Jesu mit den Jüngern ihnen gab, erkennt er das, dass Jesus seinen Liebe denen gab, die in der Welt waren. Dadurch erhält das, was die Jünger erlebten, die weltweite Größe. Sie, die Empfänger dieser unüberwindlichen Liebe, waren in der Welt und trugen alles an sich, was unser Anteil am menschlichen Leben aus uns macht. Das nahm ihnen aber seine Liebe nicht. Indem er sie ihnen gab, offenbart er, dass die Liebe des Vaters ihn der Welt gegeben hat.
Deine Liebe geht, Herr Jesus, bis zum letzten Ende mit uns und trägt uns bis ans Ziel. Ich bete Dich an als den Anfänger des Lebens, Du wirst auch sein Vollender, als den Anfänger des Glaubens, Du wirst ihn auch vollenden zum Schauen, als den Anfänger und Eckstein Deiner Gemeinde; Du wirst sie auch vollenden zur ewigen Gottesstadt. Du bist A und O. Amen. (Adolf Schlatter)


Wie Er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende.
Diese Tatsache ist dem Wesen nach eine Verheißung; denn was unser Herr war, ist Er noch, und was Er denen war, mit denen Er auf Erden lebte, wird Er allen, die Er liebt, sein, so lange der Mond währet.

„Wie Er hatte geliebt“: hier war das Wunder! Dass Er überhaupt je Menschen liebte, ist zum Erstaunen. Was war in seinen armen Jüngern, weshalb Er sie liebte? Was ist in mir?

Aber wenn Er einmal begonnen hat, zu lieben, so ist es seine Natur, damit fortzufahren. Liebe macht die Heiligen zu „den Seinen“ - was für ein köstlicher Titel! Er erkaufte sie mit Blut, und sie wurden sein Schatz. Da sie die Seinen sind, will Er sie nicht verlieren. Da sie von Ihm geliebt sind, will Er nicht aufhören, sie zu lieben.

Der Spruch ist gut, so wie er hier lautet: „bis ans Ende,“ selbst bis zum Tode regierte in seinem heiligen Busen die herrschende Leidenschaft; die Liebe zu den Seinen. Es kann aber auch heißen: „bis aufs äußerste.“ Er konnte sie nicht mehr lieben: „Er gab sich selbst für sie.“ Manche übersetzen: „bis zur Vollkommenheit.“ Wahrlich, Er liebte sie mit einer vollkommenen Liebe, in welcher kein Flecken noch Fehler war, keine Unweisheit, keine Untreue und keine Zurückhaltung.

So ist die Liebe Jesu zu einem jeden der Seinen. Lasst uns unsrem Hochgeliebten ein Lied singen. (Charles Haddon Spurgeon)


Wie er geliebt hatte die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Der Bote ist am Ziel. Wie lautet seine Botschaft? „Herr, siehe, den Du lieb hast, der liegt krank.“ Keine lange Vorrede, keine weiteren Erläuterungen könnten den Charakter des sterbenden Freundes in Bethanien besser beschreiben, als die vier Worte: „den Du lieb hast.“ Mit einem Federstrich zeichnet Johannes den Herzenszustand mit solch heiliger Einfalt, dass jeder Zusatz überflüssig ist. Wir könnten auf den ersten Blick wohl an ein Missverständnis denken. Lag es nicht den Schwestern näher, dem Herrn sagen zu lassen: „Herr, den wir lieben,“ oder „der Dich liebt, ist krank.“ „Herr, den Du lieb hast“ durch diese Bezeichnung wollten sie ihn an die unendliche Tiefe der göttlichen Liebesquelle erinnern. Sie kannten und hatten erfahren die Liebe, welche den Herrn mit ihrem Bruder verband, und sie waren überzeugt, dass, wie er ihn geliebt von Anfang, so würde er ihn lieben bis zum Ende.

Ihre eigene Liebe zu Lazarus, so groß und innig sie auch war, war doch nur eine irdische, unvollkommene, vergängliche Liebe, aber seine Liebe, auf die sie sich nun beriefen, stand über allem Wechsel der Zeit, sie war ewige Liebe. Lernen wir hieraus, im Gebet nicht mit unserem eigenen Verdienst vor Gott zu kommen. Was können wir ihm anders bringen, als Schuld, die uns verdammt, aber seine Verheißungen sind alle „Ja und Amen.“ „Der Name des Herrn ist ein festes Schloss, der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt.“ Sein Erbarmen ist der feste Grund, der unsern Anker ewig hält. Des Menschen Liebe zu Gott ist veränderlich, seine Liebe bleibt unwandelbar, sie ist wie ein Fixstern, hell klar, im Glanze sich immer gleich bleibend, ewig dauernd.

Verstehen wir die Worte der Botschaft? Kann sie auch auf uns bezogen werden? Und wenn wir sterben, kann sie als Inschrift auf unsern Grabstein gesetzt werden „Hier ruht einer, den Jesus liebte“? Glücklich die Seele, welcher die Versicherung seiner Liebe gilt. „Gott ist die Liebe“, die Engel im Himmel beugen sich vor seinem Thron und verkündigen den Ruhm seiner Liebe. Aber diese Liebe beschränkt sich nicht auf den Himmel; wir können hier auf Erden schon einen Vorschmack davon gewinnen.

Lazarus war über die Abwesenheit des Herrn betrübt, doch freute er sich in dem Bewusstsein dieser Liebe mit unaussprechlicher Freude. Die Schwestern, welche an seinem Sterbelager trauernd standen und sahen, wie sich das geheiligte Geschwisterband löste, konnten immer wieder Trost finden in dem Gedanken, dass eine noch viel heiligere Liebe ihn und sie mit dem Bruder der Brüder verband, und dies Band blieb ewig ungelöst. Und was sie in Bethanien erfahren haben, können auch unsere Erfahrungen werden. Diese sich oft so wunderbar bezeugende Liebe kennt keine Grenzen sie ist eine allmächtige, und für alle ist sie da.

Dort liegt ein armer Lazarus. Er ist seit lange ans Bett gefesselt. Er seufzt am Morgen: „Wollte Gott, es wäre Abend!“ und des Abends: „wollte Gott, es wäre Morgen.“ Doch wenn diese Liebe in seinem Herzen wohnt, so hat er ein Besitztum, welches die Reichtümer der Welt reichlich aufwiegt. Welch eine Botschaft des Trostes ist dies für die Kranken!

Wie häufig gibt es Leidende, welche jahrelang krank, von Schmerzen gepeinigt, abgemattet, müde, niedergedrückt sind, wie oft kommt der Gedanke: „Gott hat mich verlassen.“ Nein, gerade an dich denkt er, sein mitleidiges Auge ruht auf dir.

„Herr, den Du lieb hast, der liegt krank“ der Herr liebt die Kranken, und oft schlägt er sie mit Krankheit, gerade weil er sie lieb hat. Womit willst du dich trösten in den Tagen der Krankheit, wenn du nicht mehr schaffen und arbeiten kannst, ja vielleicht die heiligen Gottesdienste entbehren musst? Hoffe auf den Herrn! Denke an seine Liebe, die dich in die Krankheit hinein geliebt und durch dieselbe hindurchliebt, bis du dahin kommst, wo kein Leid und keine Krankheit mehr ist. Glaube es nur: Gerade das Anhalten dieser Prüfung ist ein Pfand seiner anhaltenden Liebe.

Vielleicht bist du auch versucht, mit Gideon zu fragen: „Wenn der Herr mit mir ist, warum. ist dies alles über mich gekommen?“ Ja, wenn Gott mich liebte, hätte er mich nicht längst geheilt? Hast du nicht bemerkt, dass es im 6. Verse heißt: „Als er nun hörte, dass er krank war, blieb er zwei Tage an dem Ort, da er war.“ Im vorigen Verse lesen wir: „Jesus hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus.“ Trotz dieser Liebe kam der Herr nicht in aller Eile seinem geliebten Freunde auf kürzestem Wege von Bethabara zur Hilfe. Ja, als er gehört, dass Lazarus krank war, zögerte er zu kommen - weil er ihn liebte!

So auch bei dir: er will dich läutern und reinigen, wie Gold in Feuer geläutert wird. Er bestimmt nicht einen Tag, sondern viele Tage, wo weder Sonne noch Sterne scheinen, er lässt Stürme kommen damit der Glaube sich bewähre und Gott verherrlicht werde.

„Er wird zwar eine Weile Mit seinem Trost verziehn, Und tun an seinem Teile, Als hätt' in seinem Sinn Er deiner sich begeben, Und sollst du für und für In Angst und Nöten schweben, Als frag' er nichts nach dir.“

Wir erwarten die Hilfe auf unsere Weise. Gott hilft auf seine Weise. Lass es nur deine einzige Sorge sein, Jesus zu lieben und von ihm geliebt zu werden. Was ist alle irdische, vergängliche Liebe gegen seine ewige Liebe! Ohne diese Liebe ist unser Leben ein Wandeln im Dunkeln, ohne diese Gnadensonne, welche alles erleuchtet.

In guten Tagen mögen dir irdische Dinge genügen. Wie aber, wenn's durchs finstere Tal geht, wie, wenn du, ein Lazarus, auf dem Sterbebette liegst? Was hast du dann, wenn du die himmlische Liebe entbehren musst? Wo ist dann dein Stecken und Stab? Wenn du in der Stunde der Angst keinen Heiland hast, wenn du in das Todestal eintreten musst, ohne den Erbarmer, der das Dunkel lichtet, und der deiner wartet, dich aufzunehmen ins ewige Leben. Öffne dein Herz weit deinem Heilande in guten Tagen, dann wirst du ihn auch in der Stunde der Trübsal zu finden wissen. Kommt sie denn auch unerwartet, du weißt, wohin du deine Gebete als deine Boten zu senden hast.

Ja, er wird kommen, er schläft und schlummert nicht und hört die Gebete, welche aus der Tiefe zu ihm aufsteigen. Wenn er auch zögert wie in Bethanien, so ist's nicht ohne Ursache. Die Ewigkeit wird dir's offenbaren. Alle Erinnerung an erfahrene Durchhilfe stärkt unser gläubiges Vertrauen.

„Jesus liebte Lazarus“ dies sei auch dein Trost, wenn es so über dich kommt: „mein Herr hat mich verlassen und mein Gott hat mich vergessen.“ Zögert er, so will er doch nur den Glauben der Seinigen prüfen. Lässt er den Sturm weiter toben, so will er nur, dass wir uns immer fester auf den ewigen Felsen gründen, immer tiefer in ihm wurzeln. Keine Verheißung bleibt unerfüllt. Ob er auch zögert, warte nur auf ihn! Seine gnädige Verheißung wird auch durch deine Erfahrung bestätigt: Du wirst's schon erfahren: „der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt und der Seele, die nach ihm fragt“ (Klagel. 3,25). Die Quelle seiner Liebe wird zu seiner Zeit hervorsprudeln, und das anscheinend unerhörte Gebet wird eine gnädige Antwort erhalten. Zur rechten, von ihm bestimmten Zeit werden himmlische Töne an dein Ohr dringen es ist „die Stimme deines Freundes“ (Hohelied 1,8), der dich tröstet.

Bist du in Wirklichkeit ein Kind Gottes, denke hieran in deiner Todesstunde; ob die Gebete der trauernden Deinigen für deine Genesung erhört werden oder nicht, der Gott der Liebe hat sie gehört - er wird antworten, aber auf seine Weise. Sollte gleich in Bethanien ein Lazarus nicht genesen, wie wunderbar hat doch der Herr hernach die Tränen getrocknet, und seine Herrlichkeit offenbart. Und den trauernden Seelen, welche wie Maria und Martha oft zum Grabe gehen und weinen, wird ihre Trauer in Freude verkehret, weil sie wissen: „Jesus liebte ihn.“ (John Ross MacDuff)


Wie er hatte geliebt die Seinen, so liebte er sie bis ans Ende.

O wo ist so ein treues, liebhabendes Herz, wie das Herz des HErrn Jesu. Drei Jahre war er nun mit den Seinen umgegangen, sie hatten ihm in dieser Zeit viel Not und Kummer verursacht, aber doch war seine Liebe nicht geschwächt, sondern dieselbe geblieben. Warum erniedrigte er sich dazu, seinen Jüngern die Füße zu waschen, sogar dem Verräter? Warum gab er sich so willig hinunter? Aus Liebe. An seinem eigenen Beispiel wollte er ihnen zeigen, wie sie sich gegeneinander betragen sollten, es war ihm darum zu tun, dass sie gesinnt werden sollten, wie er gesinnt war, dass sie in das hineinkommen sollten, wovon Paulus Philipp. 2, 6-8. schreibt; nur ihr Bestes suchte er damit. - Seht in seine letzten Reden hinein, die er am Mittwoch und Donnerstag zu seinen Jüngern sprach, wie sie Johannes aufgezeichnet hat, ihr werdet nichts als die zärtlichste Liebe gegen die Seinen daraus hervorleuchten sehen.

Wie warnt er sie! wie tröstet er sie! wie ermuntert er fiel wie hebt er ihren Blick vom Gegenwärtigen hinaus in des Vaters Haus! Wie sucht er sie mit Liebe zu überwinden und ihre Herzen fest zu machen und zu verwahren auf die bevorstehende Trübsal, dass sie doch ja nicht möchten zu sehr irre werden, wenn das Wort erfüllt werde: ich werde den Hirten schlagen und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen. Man darf diese seine letzten Reden nur lesen, und ein Jeder wird den Eindruck haben: wie Jesus geliebt hatte die Seinen, so liebte er sie bis aus Ende. - Und wie gings in seinem Leiden selber? Wie gings in Gethsemane? Wie stellte er sich da in den Riss und suchte seine Jünger vor der Gewalt der Feinde zu retten. „Sucht ihr denn mich,“ sprach er zu der Schar, „so lasst diese gehen,“ auf dass das Wort erfüllt würde, welches er sagt: ich habe der Keinen verloren, die du mir gegeben hast. Und als Petrus ihn in des Hohepriesters Palast dreimal verleugnet hatte und der Hahn zum zweiten Mal krähte, da sah sich Jesus um nach Petro und sah Petrum an. Man sollte meinen, der Heiland werde da nur mit seinem Elend beschäftigt gewesen sein, denn er befand sich ja jetzt gefangen unter der Schar Kriegsknechte, aber das Wohl seiner Jünger lag ihm noch tiefer im Herzen als sein eigenes. Darum dieser Liebesblick, der den Felsenmann zerbrach. Er hat die Seinen geliebt bis ans Ende. (Ludwig Hofacker)

Predigten

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