Lukas 23,48
Andachten
Und Jesus neigte das Haupt, und verschied. Und alles Volk, das dabei war, da sie sahen, was da geschah, schlugen sie an ihre Brust und wandten wieder um.
Schlag an deine Brust und kehre wieder um. Wenn du an diesem Tage nicht umkehrst, dann an keinem. Die Karfreitage stehen als Wendepunkte in unsrem Leben. Wie verstockt auch ein Herz sein mag, am Karfreitag, unter dem Kreuz wird es anderen Sinnes. Oder nirgends. Das Kreuz des sterbenden Erlösers, das ist die stärkste, aber auch letzte Waffe der ewigen Liebe, das Menschenherz zu bekehren. Gott hat nichts Größeres. So schlag heute an deine Brust und kehre wieder um. Sieh, da Jesus stirbt, da erbebte die Erde und die Felsen zerrissen. So sollst du Menschenherz erbeben in Reue und Schrecken, so sollst du steinern Herz zerbrechen in Buße und Dank, auf Golgatha unter dem Kreuze, heute. Sieh das Volk von Jerusalem, trotz seiner Verstockung, da sie den Heiland sterben sehen, da heißt es: Sie schlugen an ihre Brust und wandten wieder um. Willst du denn härter sein als sie? O wenn das Sterben des Erlösers dich nicht zur Buße leitet, wenn diese höchste Offenbarung von Barmherzigkeit und Heiligkeit dich nicht zur Umkehr bringt, was sonst soll dann dein Herz erweichen? So schlage heute an deine Brust und kehre wieder um! Brich heute mit Deiner Sünde, die ihn so leiden gemacht, wie sie auch bei dir heiße. Sieh, wie er für dich, um deinetwillen blutend, dürstend, gemartert am Kreuze hängt; so gib Abschied heute deiner Eitelkeit und Gefallsucht, deiner Üppigkeit und Genusssucht. Geh vom Kreuze heute hin und versöhne dich mit deinem Bruder, weil Karfreitag ist. Und gib dich Jesu zu eigen mit einer Liebe bis in den Tod. Ja, Herr Jesu, du mein Erlöser, zieh mich heute hinein in die Gemeinschaft deines heiligen Leidens und Sterbens, dass ich mit dir sterbe der Sünde und lebe der Gerechtigkeit. Lass mich heut unter deinem Kreuze Gnade bei Gott finden, und wenn ich einst sterbe, dann schenke mir ein seliges Sterben durch deinen Tod. Amen. (Adolf Clemen)
Und alles Volk, das dabei war, und zusah, da sie sahen, was da geschah, schlugen sie an ihre Brust und wandten wieder um.
Die dort beim Kreuz können den Anblick nicht länger ertragen, zu dem sie bisher wohl nur der bekannte Reiz des Seltsamen und Außerordentlichen, besonders aber des Schrecklichen gezogen hatte. Es wird ihnen zu ernst, und sie eilen davon, gewiss manche mit einer Erweckung im Herzen, die sie gerade dem zuführt, dessen Leiche ihnen so mächtiges Grauen erregt.
Treiben die Schauer der Todesstunde Jesu dich auch „umzuwenden“, o Seele! Wovor lenkst du um? Was fliehst du? Etwa den Anblick des erbleichenden Erlösers selber? Ja, Tausende tun das auch wohl zu unsrer Zeit. Ärger denn Felix vor Pauli Predigt von der Keuschheit und der Gerechtigkeit und dem zukünftigen Gericht erschrecken sie vor dem blutigen Gemälde des blutigen Todes Christi, Darum wird ihnen die bloße Erinnerung daran bereits ein Ärgernis, wie jenen Juden (1. Kor. 1). Einen heiteren Christus möchten sie wohl sehen, der mit der einen Hand den Balsam auch für die kleinste Wunde, mit der andern das Glück dieser Welt recht reichlich böte; aber bei einem Christus, der in den schrecklichsten Tod sinkt, dessen Schmerz uns auch wehe tun und unsere Lüste und Begierden töten soll, nein, bei dem halten sie's nicht aus. Umgelenkt zur weltlichen Lust, da sieht's nicht so finster aus!
Denkst du wie sie? O lass dir sagen, wie's die Christen aushalten am Kreuz. Sieh, der Herr gestattet nicht bloß, dass du wieder umwendest von seiner Leiche am Kreuz, nein, er dringt darauf. Wer recht hineinsieht in den unendlichen Jammer des Sterbens Jesu, wer die zermalmende Gewalt der dunklen Stunde seines Scheidens fühlt, der muss umwenden. Zurück! zurück! erschallt's von der heiligen Leiche her. Zurück! hallt's wieder vom verhüllten Himmel und aus allen Enden der finstern Erde. Zurück, du eitles Herz, das du trotzt auf Gestalt und Person, und beides ansiehst wider Gottes Gebot. Kannst du am Kreuze vorbei mit deiner hoffärtigen Stirn und mit dem Flitterkleide deines Dünkels? Fallen die Flügel deines Hochmuts nicht zerschmettert nieder, wenn du den Heiland bluten siehst, der dir mehr ist als Vater, Mutter, Bruder, Schwester? O wende um? wende um! Zurück, o Mensch, der du dem Golde nachjagst, als wolltest du mit ihm deine Seele vermählen. Siehe, was dessen Kuss getan, der mit gieriger Hand nach den dreißig Silberlingen griff! Willst du seiner Sünde ferner teilhaftig sein? Wende um, wende um! Zurück, du träger Schwelger, du verschwenderischer Lüstling! Oder könntest du über Jesu Leiche schreiten zu deinen verworfenen Genüssen hin! Mensch, sieh' auch den Gestorbenen an. Leichen, Gräber und Särge ermatten doch sonst die Lust; und nun eine solche Leiche und so schrecklich hingemordet, und durch dich und für deine Sünden; willst du noch vorüber? O, wende um, wende um! Zurück, du Mensch voll Neid und Hader, Groll und Hass! Siehe, hier ist die ewige Gerechtigkeit den Verbrechertod gestorben, und hat doch zuvor den Feinden sanft vergeben. Es werden ja sonst wohl Sterbebetten Altäre der Versöhnung, und du könntest unversöhnlich eilen über Golgatha! O, wende um, wende um! Zurück, du rascher Wanderer auf der Bahn der Lüge und des Trugs! Weißt du wohl: eine schwarze Kammer, eine Bibel, ein Schwert und ein Schädel - davor pflegt ja die Lüge zu erblassen. Sieh' dich um. Erd' und Himmel sind die schwarze Kammer, darin hängt vor dir ein zerfleischter Mensch, und der ist dein Heiland und Erlöser! Wird dir bangen? O, wende um, wende um! Zurück, o Jugend, von der Bahn der Laster, die dir so wohl gefällt. Sprich, schrittest du weiter, wenn ein treuer Vater, eine liebe Mutter vor dir in ihrem Blute lägen? Hier ist mehr als Vater und Mutter, Jesus, dein Mittler, der hängt dort erbleicht in seinem Blute. Wende um, wende um! Zurück, du graues Haupt, dem die Sünde so vielfach größere Schande macht, als du Jahre zählst! Bist du so lange weit hinweggegangen um den Schreckenshügel, auf dem wir stehen? War's noch niemals Karfreitag bei dir? Komm doch heran! Der Jammer ist so groß, dass ihn auch deine dunklen Augen völlig sehen. Dein Grab ist nahe. Fällt deine morsche Hütte da hinunter, dann richtet der deine Seele, der hier an deiner schweren Sünde blutet. Ich sehe, deine Hand zittert schon; nicht auch dein Herz? wende um, wende um!
Wohlan alle, von der Sündenstraße umgewandt hier vor dem Anblick des Gekreuzigten! Wird das Entsetzen zu groß, nun so mögen wir daran denken: Wer recht umkehrt durch Gottes Geist und Gnade, dem wird das Kreuz gar lieb und freundlich, und dem spricht Jesu erblasstes Antlitz tausend labende Verheißungen zu. Wer säumte nun noch, da die Schrecken treiben und die Verheißung winkt. (Johann Rautenberg.)