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Psalm 12,1

Psalm 12,1

Andachten

Wenn irgend Einer die Zunahme der Gottlosigkeit auf Erden erfuhr, so warst Du es, Herr Jesu. Eine neue Ungerechtigkeit wurde an Dir verübt durch die Zusammenstellung Deiner Person mit der des Barrabbas. Freilich stehst Du da an meiner Statt. Niemand kann mit Grund der Wahrheit ein Verbrechen auf Dich bringen, und Du musst doch haften. Der Mörder kommt los, und Du bleibest im Gerichte stecken. O der Mörder und Aufrührer, der den Tod verdient hat, der sonderliche Bösewicht und Aufrührer, der den Tod verdient hat, der sonderliche Bösewicht vor andern, der bin ich. Nun darf mir vor keinem Steckenbleiben, in keiner Not, im Tod und auch selbst im Gericht angst sein, Du hilfst mir durch Alles hindurch und heraus, wenn ich mich nur im rechten Glauben an Dich halte. Ja, Du sagst sogar, wer an Dich glaube, der komme gar nicht ins Gericht. So Vieles hast Du hier erworben. Aber ob Du gleich ein so köstlicher Heiland von so unschätzbaren Verdiensten bist, so mag Dich doch fast Niemand haben. Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und das ganze Volk sähen Dich gern aus dem Lande der Lebendigen vertilgt, rufen und schreien unablässig: Weg mit diesem! Pilatus weiß auch nicht, wozu er Dich brauchen soll, fragt daher das Volk: „Was soll ich denn machen mit Jesu?“ Ei nun, mein Heiland, mir bist Du ganz unentbehrlich, Du allerhöchstes Geschenk des Himmels; komm, komm her zu mir, ich kann und will Dich zu Allem brauchen, und Du bist mir von Deinem Vater zu Allem gemacht, wozu ich Dich nötig habe, besonders zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Dazu will ich Dich denn auch gebrauchen, denn dazu habe ich Dich eben nötig, und Du bist mir daher ganz recht. – Pilatus ergibt Dich in den Willen des Volkes: Dein Vater übergibt Dich mir, auch zu meinem Willen. Dass ich nur mit Dir handle nach dem durch Deinen Geist in mir gewirkten guten Willen, den Du aber immer mehr stärken und reinigen wollest. So werde ich Dich gläubig annehmen und recht gebrauchen zu meinem Hohenpriester, Propheten und König. Ich werde einst Rechenschaft geben müssen, wie ich Dich angewendet und mir zu nutze gemacht habe. Dein Steckenbleiben im Gericht gebe mir Freudigkeit, mich täglich selbst zu richten, den Richter aber getrost als meinen versöhnten Vater im Beten anzurufen. Amen. (Friedrich Arndt)


Hilf, Herr.
Dies Gebet ist an sich schon merkwürdig, denn es ist kurz, aber kernhaft, kräftig und kindlich. David war bekümmert, dass die Heiligen abgenommen hatten und der Gläubigen wenig war unter den Menschenkindern; und darum richtete er sein Herz empor im Gebet; weil die Geschöpfe ihn verließen, floh er zum Schöpfer. Offenbar fühlte er seine eigne Schwachheit, sonst hätte er nicht um Hilfe geschrien; zugleich aber hatte er die aufrichtige Absicht, sich aufzumachen für die Sache der Wahrheit und für sie zu kämpfen, denn das Wort „hilf“ hat keinen Sinn, wo wir nicht auch selbst tätig eingreifen. Es ist in diesem kurzen zweiwortigen Gebet eine große Offenheit, Deutlichkeit des Verlangens und Bestimmtheit des Ausdrucks; viel mehr, wahrlich, als in den weitschweifigen Herzensergießungen mancher Christenleute. Der Psalmist geht geradeswegs zu seinem Gott mit einer wohlerwogenen Bitte; er weiß, was er sucht, und weiß, wo er's sucht. Herr, lehre uns beten, wie David betete! Die Veranlassungen zu diesem Gebet finden sich oft. Wie ist es so vortrefflich geeignet bei Heimsuchungen der göttlichen Vorsehung, wenn schwergeprüfte Gläubige erfahren müssen, dass sie keinen Helfer finden. Ebenso finden oft ernstgesinnte Christen, die im Worte Gottes forschen, bei Zweifeln über diesen oder jenen Gegenstand ihres Glaubens eine kräftige Hilfe, wenn sie den Heiligen Geist, den großen Lehrer, anrufen: „Hilf, Herr.“ Christliche Streiter dürfen im inneren Kampfe bei dem Gnadenthrone um Zuzug und Verstärkung flehen, und dies Gebet dient ihnen dabei zum Vorbild für ihre Bitte. Arbeiter im himmlischen Acker können gleichfalls auf diesem Wege in Zeiten der Not Gnade und Erquickung empfangen. Heilsbegierige Sünder können in Zweifeln und Ängsten diese nämliche kräftige Bitte ergehen lassen. „Hilf, Herr,“ gilt für Leben und Sterben, für Dulden und Kämpfen, für Leid und Freud. Unsre Hilfe steht allein bei Ihm, so lasst uns nicht träge sein, Ihn anzurufen. Die Erhörung des Gebets ist gewiss, wenn es aufrichtig dargebracht wird in Jesu Namen. Des Herrn Treue verbürgt es uns, dass Er die Seinen nicht verlässt; seine nahe Verwandtschaft als unser Vater und Bräutigam seiner Gemeinde stellt uns seine Hilfe sicher; seine Hingabe Jesu ist ein Pfand aller Gütigkeit; und fest steht seine Verheißung: „Fürchte dich nicht, ich helfe dir.“ (Charles Haddon Spurgeon)

Auslegungen

1. Ein Psalm Davids, vorzusingen auf acht Saiten. 2. Hilf, HErr, die Heiligen haben abgenommen, und der Gläubigen ist wenig unter den Menschenkindern. 8. Einer redet mit dem andern unnütze Dinge, und heucheln, und lehren aus uneinigem Herzen. 4. Der HErr wolle ausrotten alle Heuchelei, und die Zunge, die da stolz redet, 5. Die da sagen: Unsere Zunge soll Überhand haben, uns gebührt zu reden; wer ist unser Herr? 6. Weil denn die Elenden verstöret werden, und die Armen seufzen, will ich auf, spricht der HErr; ich will eine Hilfe schaffen, dass man getrost lehren soll. 7. Die Rede des HErrn ist lauter, wie durchläutert Silber im irdenen Tiegel bewahret siebenmal. 8. Du, HErr, wollest sie bewahren, und uns behüten vor diesem Geschlecht ewig. 9. Denn es wird allenthalben voll Gottloser, wo solche lose Leute unter den Menschen herrschen.

Der 12. Psalm hat wieder eine Überschrift: Ein Psalm Davids, vorzusingen auf acht Saiten. Daraus kann man aber nichts von der Zeit und besonderer Veranlassung des Psalms vermuten. Der Inhalt selber gibt zu erkennen, dass David damals auch in einem Glaubenskampf bei überhandnehmender Gottlosigkeit gestanden sei und darüber Klage vor den HErrn gebracht habe, der ihm tröstlich zugesprochen, welchen Zuspruch David im Glauben angenommen und versiegelt hat. Hieraus ergeben sich drei Teile des Psalmen:

  1. David bringt sein Gebet und Klage vor den HErrn, dass bei Abnahme der Heiligen und Gläubigen die Gottlosigkeit im Land überhand nehmen, V. 2. 3. Der HErr tut in dieser Sache einen nachdrücklichen Rechts- und Macht-Spruch zu Davids und aller Gläubigen Trost V. 6.
  2. David nimmt diesen göttlichen Ausspruch mit Glauben an, und legt die nötige Erfüllung desselben GOtt, noch weiter ans Herz. V. 7. 8. 9.

In des seligen Dr. Speners Lebensbeschreibung liest man: dass er einmal in betrübten Gedanken, über den Zustand der Kirche, in die Betstunde zu Frankfurt gegangen sei; so haben ihm die Worte des Gesangs:

Darum spricht GOtt: Ich muss auf sein,
Die Armen sind verstöret,
Ihr Seufzen dringt zu mir herein,
Ich hab ihr Klag erhört;

welche bei seinem Eintritt gesungen worden, einen ungewöhnlichen Eindruck ins Herz gegeben, dass er weder vor noch nach eine solche Lieblichkeit auch nur des Tons, als damals gespürt; dafür er es billig als eine göttliche Antwort auf seinen damaligen Kummer, geachtet hat, und weil es sich zugetragen, dass er nach Sachsen gezogen, und in das Chur-Sächsische Territorium eingetreten, sechs Schüler nebst einem Schul-Kollegen gekommen, und an den Wagen getreten, eben den Vers and stimmend, hat der selige Mann denselben nachmals in Dresden sich von dem Schüler-Chor vor seiner Wohnung gewöhnlich singen lassen.

Wo Derjenigen, die in der Liebe wandeln, Sanftmut und Demut beweisen, oder auf die man sich als auf zuverlässige redliche Leute verlassen kann, wenig werden, oder wo sie als gering hintangesetzt werden, und V. 9. lose Leute die Schlechten mit leeren Worten erheben, und das bewährte Silber der Worte GOttes abzutreiben suchen, da ist es kläglich. (Karl Heinrich Rieger)

Predigten

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 12.

Was der Prophet Jesajas wegen der geringen Zahl der Gläubigen klagt (1,8 f.): was noch übrig ist von der Tochter Zion, ist wie ein Häuslein im Weinberg, wie eine Nachthütte im Kürbisgarten, wie eine verheerte Stadt: wenn uns der HErr Zebaoth nicht ein wenig ließe überbleiben, so wären wir wie Sodom und Gomorrha - eben dasselbe klagt dieser Psalm auch: hilf HErr, die Heiligen haben abgenommen. So möchten wir zu unserer Zeit auch wohl klagen; denn wo wir uns hinwenden, da ist alles verderbt in allen Ständen, und nimmt der Haufen der Ungläubigen sehr überhand.

V. 2. Hilf HErr, die Heiligen haben abgenommen, und der Gläubigen ist wenig unter den Menschenkindern. Die Heiligen sind zugleich auch die Gläubigen, weil sie durch Christum geheiligt, gereinigt und gerecht sind, auch in Christo leben und mit Früchten der Gerechtigkeit erfüllt sind zu Lob und Preis Gottes. Darum ists nichts, wenn du sagst: ich glaube, ich glaube, und hast den Glauben nur im Mund; du musst ihn auch mit Heiligkeit des Lebens beweisen. Denn ein Gläubiger ist darum von Christo geheiligt, dass er auch heilig lebe und Gott diene in Heiligkeit und Gerechtigkeit.

Hier nun klagt der Psalmist über den großen Unglauben, Unbußfertigkeit und gottloses Wesen in der Welt. Diese Klage ist bald angegangen in der Welt: die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen; denn sie sind Fleisch (1. Mos. 6,3). Folgt ein Mensch der äußerlichen und innerlichen Stimme des Heiligen Geistes, dem Wort Gottes und dem Gewissen, und lässt in sich wirken den Glauben, die Liebe, die Hoffnung und alle Früchte des Geistes, so heißt er ein geistlicher, himmlischer, göttlicher, heiliger Mensch; er ist im Reich Gottes und das Reich Gottes in ihm; er ist in Christo und Christus in ihm; er ist in Gott und Gott in ihm. Und wenn er diese irdische Hütte ablegt im Glauben, so kommt er in der Auferstehung ins Reich der Herrlichkeit, darin die ganze Verklärung des Menschen geschehen wird. Unser Leben ist verborgen in Christo; wenn aber Christus, euer Leben, wird offenbar werden, da wirds nicht mehr verborgen sein, was ein Gläubiger vor Gott ist, sondern sie werden offenbar werden in der Herrlichkeit.

Ist es nun nicht zu beklagen, dass der Heiligen so wenig sind, die im Licht wandeln, dagegen der Ungläubigen, Unheiligen, Gottlosen so viele sind auf Erden, die nach dem verderbten Fleisch leben, dessen Werke tun und darum das Reich Gottes nicht erben werden? Ach lasst uns im Lichte wandeln als Kinder des Lichts; zum Licht sind wir berufen, nicht zur Finsternis.

V. 3. Einer redet mit dem Andern unnütze Dinge, und heucheln und lehren aus uneinigem Herzen. Diese Worte sind eine Beschreibung falscher Lehre und heuchlerischen Lebens. Der widerchristliche Haufen setzt allen seinen Gottesdienst in äußerliche Dinge, die einen großen Schein haben vor der Welt, äußerliche Pracht, Gold, Silber, viel Gesetz, Gebot und Verbot der Speisen, Kleidung und dgl., was alles der Psalm hier unnütze Dinge nennt. Freilich unnütze Dinge! Es hilft ja nichts zur Seligkeit; denn das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gepränge, sondern es ist inwendig in euch. Ach, im Herzen steht der wahre Gottesdienst, im Glauben, im Geist und in der Wahrheit; da ist der rechte Tempel, da ist der rechte, geistliche, innerliche Schmuck. Solche unnützen Dinge dagegen, selbsterwählte Geistlichkeit und Heiligkeit, wie sie der heilige Paulus nennt, ist eitel Heuchelei und nur ein Schein, der das Herz nicht reinigt, der das Gewissen nicht tröstet, ja vielmehr, der Christum und sein Verdienst verleugnet. Sie lehren aus uneinigem Herzen, die Seelen werden bald dahin, bald dorthin gewiesen und von Christo weggeführt. Das ist aber die rechte Einigkeit, die unter dem einen Haupt Jesu Christo ist und uns mit ihm zu einem Leibe verbindet in einem Glauben.

Gegen solche widerchristliche Gräuel betet David in diesem Psalm und spricht:

V. 4. 5. Der HErr wolle ausrotten alle Heuchelei und die Zunge, die da stolz redet, die da sagen: unsere Zunge soll die Überhand haben, uns gebührt, zu reden; wer ist unser HErr? Das sind die rechten Zeichen des Widerchrists. Zuerst kommen sie und bringen mit sich Heuchelei und betrügerische Lippen, können so glatte und süße Worte machen, dass man meint, es sei lauter Evangelium. Davon hat aber Paulus geweissagt (Röm. 16,18), dass solche nicht dem HErrn JEsu dienen, sondern ihrem Bauch, und durch süße Worte und prächtige Reden die unschuldigen Herzen verführen. Wollen aber die betrügerischen Worte nichts helfen, so folgt eine stolze, großsprecherische Zunge, die von großer Pracht und Herrlichkeit des falschen Gottesdienstes zu reden weiß, von Hoheiten und Würden, von falschen erlogenen Wunderwerken, von großer Kunst und Geschicklichkeit. Will die großsprecherische Zunge nicht helfen, so heißt's fürs dritte: unsere Zunge soll die Überhand haben, wir wollen unsere Zunge stärken und groß machen durch die hohen Häupter der Welt, die sollen es bestätigen; und beginnen von ihrer großen Gewalt und Macht zu reden. So heißt es, wie Ps. 73,9 sagt: was sie reden, das muss vom Himmel herab geredet sein, was sie sagen, das muss gelten auf Erden. Dazu kommt dann fürs Vierte: uns gebühret allein zu reden, wir allein haben die Macht, die Schrift zu deuten, zu urteilen, zu verbannen, zu verfluchen. Der Papst ist Richter über die Schrift und kann nicht irren1). Endlich: Wer ist unser HErr? die falsche Geistlichkeit will keinen Oberherren anerkennen. Wo diese widerchristliche Tyrannei regiert, da ist der Grund umgerissen; was kann da der Gerechte ausrichten? Da seufzen die armen Seelen, und wird so auf sie gelauert, als ein Löwe in der Höhle lauert. Dawider lehrt uns David beten: der HErr wolle ausrotten die Heuchelzunge, die stolz redet, sie umbringen nicht mit dem Schwert sondern mit dem Geist seines Mundes, und durch die Erscheinung seiner Zukunft solchem Gräuel ein Ende machen. Darauf antwortet Gott:

V. 6. Weil denn die Elenden verstört werden, und die Armen seufzen, will ich auf, spricht der HErr, ich will eine Hilfe schaffen, dass man getrost lehren soll. Diese Hilfe, welche die Gewissen frei macht nicht allein von der schweren Dienstbarkeit unnützer Menschenlehre und Satzungen, sondern auch von der Last der Sünde und der Tyrannei des Satans, ist nichts anderes als der einige, wahre, seligmachende Glaube an JEsum Christum, unseren HErrn; in ihm steht die rechte geistliche Freiheit. Darum soll ein Christ vornehmlich dahin sehen, dass er den Glauben mit seinen Kräften und Eigenschaften wohl lerne verstehen und üben.

Die erste Eigenschaft des rechten Glaubens ist die geistliche Freiheit von Sünde, Tod, Teufel und Hölle und von allen Menschensatzungen.

Diese Freiheit ist nichts anderes als der wahre, seligmachende Glaube, der Christum ergreift mit allen seinen himmlischen Gnadenschätzen. Durch ihn wird die Seele aller Gnaden Gottes voll, frei und selig; er gibt die rechte Freiheit dem Gewissen, vertreibt alle Furcht und Angst und macht das Herz freudig und getrost.

Durch den Glauben vereinigt sich unsere Seele mit Christo als eine Braut mit dem Bräutigam. Darum wird auch der gläubigen Seele eigen, was Christus hat, und was die Seele hat, wird Christo eigen. Nun aber hat Christus alle himmlischen, ewigen Güter, Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung, Erlösung, Seligkeit; die werden der Seele eigen. Unsre Seele aber hat Jammer, Elend, Krankheit und Tod; das wird Christo eigen. Seine Güter schenkt uns Christus, unser Elend aber nimmt er hinweg. Weil aber Christi Güter ewig sind, unüberwindlich, allmächtig, so überwinden und vertilgen sie all unsere Sünde und den Tod. Also werden wir aus verfluchten und verdammten Sündern gerechte, gesegnete, selige Menschen.

Der Glaube macht ferner unsere Seele und Gewissen der ewigen Seligkeit gewiss. Ich bin gewiss, sagt der Apostel (Röm. 8,38 f.), dass uns weder Leben noch Tod scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist unserem HErrn. Diese Gewissheit der Gnade Gottes bezeugt der ewige Gnadenbund; darum nennt ihn Jesajas (55,3) einen ewigen Bund, nämlich die gewissen Gnaden Davids und die teuren Verheißungen Gottes, dass wohl Berge sollen weichen und Hügel hinfallen, aber meine Barmherzigkeit soll nicht von dir weichen, und der Bund des Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HErr, dein Erbarmer.

Durch den Glauben erben wir ferner Christi Herrlichkeit, die da besteht in seinem Königreich und Priestertum. Obwohl nun Christus ein HErr aller weltlichen Reiche ist, - denn es ist ihm alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden (Math. 28,18) - so ist er doch nicht ein weltlicher, irdischer König, sondern ein König über geistliche, himmlische Güter, nämlich über Gerechtigkeit, Leben, Seligkeit, Friede und Freude im heiligen Geist und das Reich Gottes, und das alles ist ewig. Und so besteht auch sein Priestertum nicht in äußerlichen Dingen, sondern im Geist; er hat sich selbst für uns geopfert, er bittet für uns, er lehrt uns durch seinen heiligen Geist und sein Wort. Diese Herrlichkeit schenkt er uns durch den Glauben, dass wir vor ihm Priester und Könige seien. Das geistliche Königreich eines Christen besteht darin, dass er geistlicher Weise durch den Glauben über Alles erhoben ist, dass ihm nichts schaden kann und alle Dinge helfen müssen zur Seligkeit; nichts Äußerliches kann der Seele schaden, sie bleibt in ihrer edlen königlichen Freiheit und Herrschaft unter allen Umständen. So kann auch kein äußerlich Ding der Seele an ihrem Priestertum schaden; denn ihr Gebet, Seufzen, Andacht, Opfer geschieht geistlich im Glauben; die Seele hat kein anderes Ding, weder im Himmel noch auf Erden, darin sie lebe, fromm, frei, selig und fröhlich sein könne, denn den Glauben an Christum und das heilige Evangelium. Wo nun der Glaube den HErrn JEsum hat, bedarf er keines Dinges mehr, er hat an Christo Alles und volles Genügen.

So erneuert auch der Glaube den ganzen Menschen, wirkt in ihm Liebe und alle christlichen Tugenden und Werke der Barmherzigkeit, nicht dass er damit bei Gott etwas verdiene, sondern dass er seine Dankbarkeit beweise. Nicht minder ist der Glaube unser Sieg über Sünde, Teufel und Welt: Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt (1 Joh. 5,4). Ob wir nun gleich der Welt Fluch sein müssen, so ist doch ein Christ ein Siegesfürst in Christo und ein unüberwindlicher Herr über Sünde, Tod und Welt. Der Glaube hat aber auch die Art an sich, dass er sich Jedermann zum Knecht macht durch die Liebe und also denkt: mein lieber Gott hat mir so große Gnadengüter rein umsonst geschenkt in seinem lieben Sohn, darum will ich aus schuldiger Dankbarkeit, meinem lieben Gott zu Ehren, meinen Nächsten wieder also tun, wie mir Gott getan. So fließt aus dem Glauben auch des Nächsten Hilfe.

V. 7. Die Rede des HErrn ist lauter, wie durchläutert Silber im irdenen Tiegel, bewährt sieben Mal. Da preist David Gottes Wort wegen seiner Reinigkeit, und diese ist nichts andere als die ewige, beständige, untrügliche Wahrheit, darauf sich ein menschliches Herz im Leben und Tod, in Kreuz und Leiden gewiss und sicher verlassen kann. Unser Psalm deutet nun etliche Lobsprüche des göttlichen Wortes an, unseren Glauben dadurch zu stärken, weil derselbe allein an Gottes Wort hangen muss. Das erste Lob des göttlichen Wortes ist, dass es eine Rede ist, die aus Gottes Mund gegangen ist durch die Propheten und Apostel; ja der Sohn Gottes selbst hat uns das Evangelium verkündigt; Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt. Da ist uns der rechte Ursprung des göttlichen Wortes genannt; und wie sein Ursprung, so ist es selbst. Gott ist ewig, darum ist auch sein Wort ewig und macht ewig, die daran glauben, wie der HErr spricht: Himmel und Erde vergehen, aber meine Worte vergehen nicht (Luk. 21,33) und wiederum: die Welt vergeht mit ihrer Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit (1 Joh. 2,17). Gott ist heilig, darum ist auch sein Wort heilig und macht heilig, die es täglich im Herzen tragen. Gott ist Geist, darum ist auch sein Wort Geist und Leben und macht uns zu geistlichen Menschen. Gott ist wahrhaftig, So ist auch sein Wort die Wahrheit, und darum können wir uns von ganzem Herzen in allen Anfechtungen, auch in Todesnot darauf verlassen und wissen gewiss, dass wir nicht betrogen werden. Gott ist ein lebendiger Gott, also ist auch sein Wort ein lebendiges Wort und machet alle die lebendig, so daran glauben. Du hast Worte des ewigen Lebens, bekennt Petrus, und der HErr verheißt: wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so Jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Gott ist aber auch ein starker, unüberwindlicher, allmächtiger Gott; so hat auch sein Wort allezeit den Sieg behalten wider alle menschliche und höllische Macht; auch den Menschen macht es stark und unüberwindlich, denn alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.

Die Rede des HErrn wird rein und lauter genannt, weil sie ohne allen Irrtum, Betrug und Zweifel ist, ohne allen Mangel und Fehler, sondern vollkommen. Das ist sie, weil sie aus Brunnen aller Gerechtigkeit und Wahrheit geflossen ist. Deshalb reinigt sie auch unser Herz von Unglauben, Zweifel, Abgötterei und allem Irrtum. Ein Mensch behält so lange ein von Irrtum und Aberglauben reines Herz, wenn er Gottes Wort im Herzen bewahrt, und so lange behält er auch ein reines und unbeflecktes Leben, wenn er dasselbe nach Gottes Wort richtet.

Wie nun das Silber durch mancherlei Proben geläutert und gereinigt wird, und alle Schlacken von ihm ausgeschieden werden, und wie nur das reine lautere Silber sie alle besteht, so besteht auch das göttliche Wort alle möglichen geistlichen Proben und erweist sich als echt, lauter und rein. Dieses geistliche Silber des göttlichen Wortes muss nun im Menschen erprobt werden; da zeigt es seinen Glanz, seine Kraft, sein Leben, und daran hat Gott der HErr sein Wohlgefallen, dass Kraft, Glanz und Herrlichkeit seines Wortes in dem schwachen irdischen Gefäß, dem sterblichen Menschen erprobt werde. Obgleich Gottes Wort eine himmlische, ewige und unüberwindliche Gabe ist, dennoch kann sie nur im Menschen durchs Feuer der Trübsal erprobt werden. Da wird offenbar, dass in diesem Wort eine göttliche Kraft ist, die Seele vom ewigen Tod zu erretten, wenn alle andern Kreaturen verschwinden; denn alsdann besteht Gottes Wort allein und macht auch diejenigen, die es glauben, zu einem lauteren Gold und Silber im Feuerofen der Trübsal.

V. 8. Du HErr, wollest sie (nämlich die Elenden, die nach deiner Hilfe seufzen) bewahren und uns behüten vor diesem Geschlecht ewiglich. Wie man den Teufel mit dem Gebet vertreiben muss, so auch dieses arge Geschlecht des widerchristlichen Haufens; so muss Gottes Wort durch Gebet und wahre Buße erhalten werden mehr als durch Disputieren und Bücherschreiben. Darum bittet David im ganzen Psalter um Bewahrung seiner Seele und Erhaltung bei dem einigen Gottesworte.

V. 9. Denn es wird allenthalben voll Gottloser, wo solche lose Leute unter den Menschen herrschen. Aus bösem Samen wachsen böse Früchte. Was der widerchristliche Haufe für Blutvergießen anrichtet, für Gottlosigkeit stiftet, Aberglauben, Irrtum und Abgötterei einführt, ist vor Augen und hat auch die Geschichte vieler Jahrhunderte bezeugt, darum mögen wir wohl beten, dass uns Gott vor demselben in Gnaden behüte.

Aus alle dem sollen wir lernen bedenken, was uns Gott für einen edlen, teuren Schatz an seinem Wort gegeben hat, wie hoch dasselbe zu halten sei, wie lieb und wert uns dasselbe sein soll, lieber denn viel tausend Stück Silber oder Gold; denn es ist unser ewiger Schatz. (Ps. 119,72.98). Amen.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, du siehst, wie deine Heiligen so wenige sind, die deine Ehre suchen und fördern, dagegen allenthalben große Sicherheit, Stolz, Uneinigkeit und Zwietracht herrscht. Darum, lieber HErr, bitten wir dich, du wollest die wohlverdienten Strafen gnädiglich abwenden, oder ja wie ein Vater lindern und uns einen wahren Samen lassen, dass wir nicht werden wie Sodom und Gomorrha. Sende treue Arbeiter in deinen Weinberg, die nicht unnütze Dinge und erdichtete Fabeln reden, auch nicht Heuchler, stolz, hochmütig, nachlässig und sicher sind. Mache, dass sie aus einigem Herzen lehren und in dir einig sind, und gib ihnen ein demütiges Herz. O HErr Gott, es tut Not! Schaffe du Hilfe, dass man getrost und recht lehre und in christlichem Wandel und Leben bleibe, kein Ärgernis gebe noch in Sünden beharre. Behüte uns vor den losen Leuten, die dein Wort nicht achten, und erhalte uns bei deinem Wort, welches lauter, rein und klar ist. Gib uns Geduld in Leiden und Kreuz und regiere uns mit deinem heiligen Geist, dass wir deine Wohnung und Tempel seien und bleiben. Amen.

1)
So Arndt schon vor 1617.
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