Besser, Wilhelm Friedrich – Einleitung zum 1. Johannesbrief

Besser, Wilhelm Friedrich – Einleitung zum 1. Johannesbrief

Herr Jesu, unsre Freude lass völlig sein durch den Glauben an Dein Wort. Amen.

Das Evangelium des heiligen Johannes hat mit der Freude des Bekenntnisses: „Wir sahen Seine Herrlichkeit“ uns erfüllen wollen, und wenn anders unsre vorigen Bibelstunden nicht vergeblich an uns gewesen sind, so tragen wir das Bild des eingebornen Sohnes, des ewigen und fleischgewordenen Wortes, als das Bild der Herrlichkeit Gottes, lebendig in der Seele. Es hält uns noch fest; es reizt uns, stets von neuem an dieser Herrlichkeit uns zu ergötzen; wir sind noch voll vom Evangelium Johannis und wünschen, dass sein wundersüßer Ton in uns nimmer verklinge. Wohlan, so bringen wir Herzen mit, welche taugen zum Hören der Stimme desselben Apostels, wie sie in seinen Briefen laut wird. Denn diese Briefe sind geschrieben, um den Eindruck des Evangeliums in den Herzen der Leser zu befestigen und die Bäche des ewigen Lebens, welche im Evangelium fließen, recht reichlich in den Wandel der Gemeinde zu leiten, auf dass sie mit Überwinder-Kraft den hereinbrechenden Irrlehren widerstehen und der sie bereits beschleichenden Trägheit sich erwehren möge. „Wider beide Uebel handelt allhier der Apostel“, sagt Luther im Eingange seiner (größeren) Auslegung des ersten Briefs, „und treibt uns zur Bewahrung des Worts und zur Liebe untereinander an. Der Teufel ist immer geschäftig, darum ist der Gebrauch des göttlichen Worts, die Ermunterung zu selbigem, die Übung darinnen allzeit vonnöten. Es ist ein lebendiges und kräftiges Wort, wir aber schnarchen und sind faul; es ist ein Wort des Lebens, wir aber sind täglich im Tode. Und weil wir niemals ohne Sünden und Gefahr des Todes sind, so sollen wir auch niemals von der Wiederkäuung des Worts ablassen. Und also ist diese Epistel ermahnungsweise geschrieben.“

Bei der Auslegung des Evangeliums haben an vielen Stellen Aussprüche der Briefe uns Hilfe geleistet; jetzt werden wir finden, dass die Briefe ganz von der im Evangelium strahlenden Herrlichkeit durchleuchtet sind, etwa wie ein Krystallwürfel die Strahlen der Sonne auffängt und zu einem Strahlenbilde sammelt. Und zwar geht es hier recht nach dem Liedesworte: „Ach bleib mit Deinem Glanze bei uns, Du wertes Licht, Dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht!“ Die Irrlehrer-Art, deren Regung der heilige Paulus schon im 2ten Thessalonicherbriefe geschäftig sieht und die er in seinem letzten Briefe, dem zweiten an Timotheus, bekämpft, indem er darin seinem Nachfolger Johannes gleichsam die apostolische Abschiedshand reicht, sie war nun mit Macht auf den Plan getreten zur Verwüstung der Kirche (Cap. 2, 18. vergl. mit 2 Thessal. 2, 7.): gegen ihre Lügen die Kirche mit dem Wort der Wahrheit zu umschanzen, das war der dem heiligen Johannes vorbehaltene Dienst in der „letzten Stunde“, und Evangelium und Briefe miteinander geben davon Zeugnis, dass er dieses Dienstes treu gewartet hat, damit wir wissen möchten, wo unsre Zuflucht ist, wenn auch für uns das böse Stündlein schlägt - und es hat geschlagen. Noch währt die letzte Weltstunde, und dem Ende aller Dinge sind wir um vieles näher gekommen; der Antichrist ist offenbar geworden, Irrlehrer in allerlei Gestalt haben den Weinberg der Kirche zerwühlt und treiben trotzig ihr teuflisches Wesen in der altgewordenen Welt; das Häuflein der Christen ist wieder fast so klein, wie es war, als Johannes seine Briefe schrieb: wir bedürfen in unsrer Not apostolischer Hilfe - Halleluja, sie ist vorhanden! Johannes ist auch unser Apostel und Prophet, er ist der apostolischen Kirche Apostel bis ans Ende ihrer Ritterschaft, so wahrhaftig sein Name: Johannes funkeln wird als Edelstein auf den Gründen der neuen, ewigen Stadt. - Das Verhalten seiner beiderlei Schriften, des Evangeliums und der Briefe, zueinander mögen wir auch so bezeichnen: das Evangelium ist der Vordersatz, die Briefe sind der Folgesatz (ähnlich wie in unsern sonntäglichen Perikopenpaaren Evangelium und Epistel mit einander verbunden zu sein pflegen). Weil das Leben erschienen ist und als wahrhaftiges Licht leuchtet, darum ziemet es uns, in Lebens- und Lichtgemeinschaft mit Ihm zu wandeln. Der Epiphanie der Herrlichkeit Jesu entspreche die Epiphanie der Herrlichkeit Seiner Gemeinde! „Wenn Jehovah man genennet, wird nichts Höhers mehr erkennet als die Herrlichkeit der Braut.“ Wir sahen Seine Herrlichkeit, so sehe Er nun unsre Herrlichkeit, denn „gleichwie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt“ (Cap. 4, 17.). In Summa: unser Leben sei ein Leben in der Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo.

Dies sei vorausgeschickt und damit der gerade Weg gewiesen zum fruchtbaren Gebrauche der Briefe des heiligen Johannes. Je fleißiger du Erbauung suchst in Johannis Evangelium und in den heiligen Gedankenaufschwung desselben dich einlebst, desto gesalbter wirst du werden zum Verstehen der Briefe; und wiederum, je treulicher du der Briefe Ermahnung hörst und lernst, desto herrlicher und köstlicher wird dir das Evangelium werden und du wirst desto größere Lust und Liebe dazu finden. In diesem Sinne wollen wir nun in unsern apostolischen Text eingehen. War dieser Brief für die Ephesinischen Empfänger des Evangeliums etwa auch nicht ein „Zueignungs - und Begleitschreiben“, so sei er's doch für uns. Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit uns, der Türhüter tue unserm Anklopfen die Schrift auf. Amen.

Der heilige Johannes, durchleuchtet von der Herrlichkeit des erhöhten Menschensohnes, rein durch Sein Gnadenwort und tägliches Vergeben, entzündet von dem Feuer Seiner göttlichen Liebe zu nacheifernder Liebe gegen die Brüder und Alle, die verloren sind ohne Ihn; anbetend Seine göttliche Majestät und leutselige Freundlichkeit, umschauend auf der Erde, diesem Felde voller Toten, die da meinen, sie leben; vor Augen den brüllenden Löwen, der umher würgt mit Lügen und Mord; aus schmerzlicher Erfahrung und göttlicher Offenbarung wohlbekannt mit der Tiefe, Kraft und Masse des sündlichen Verderbens, welches im Fleische wohnt, und erwägend die Ewigkeit der Verdammnis der für die ewige Seligkeit geschaffenen unsterblichen Seelen: - in die Ewigkeit hinaus wendet er unsern Blick, damit das Anschauen dessen, der ewig und allmächtig ist, unsre Seelen bewege Ihm zuzutrauen, dass Er aus dem ewigen Tode helfen, dass Er allein erretten kann; zugleich aber hinunter in die Tiefe Seiner Erniedrigung, zur Zeit Seiner Erscheinung auf Erden, wo die Apostel Ihn gesehen und mit ihren Händen betastet haben in Seiner Knechtsgestalt, die Er angenommen. Seine Heilandswilligkeit zu betätigen und zu bezeugen, und zwar mit einem menschlich handgreiflichen Zeugnis, auf dass kein Zweifel ein blödes Gewissen abhalten möchte zu Ihm seine Zuflucht zu nehmen, jetzt im Glauben, um einst Ihn auch zu schauen in reiner Seligkeit mit Johanne und Allen, die durch das apostolische Wort Gemeinschaft haben mit dem Vater und untereinander. So hebt er seinen Adlersflug, wie im Anfang des Evangeliums, von neuem an von der Gotteshöhe der Ewigkeit, wo unser Heil entspringt, uns mit sich zu nehmen in Jesu Christo hin zur Ewigkeit, wo unser Heil sich vollendet.

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