Lukas 22,44
Andachten
Und es kam, dass er mit dem Tode rang und betete heftiger; es ward aber Sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.
Der Heiland weiß, was Angst ist, wie kein anderer, Er kann Mitleiden haben mit uns Schwachen, die von so mancher Angst gepeinigt werden. Darum aber hat Er Angst gelitten, dass Er uns aus der Angst reißen könnte! Ja, aus aller Angst; zuerst aber aus der Angst vor Gottes Zorn und Fluch über die Sünde, vor Gottes Gericht zum ewigen Tod. Kommt diese Angst recht über uns, so ist das zwar wohl der größte Segen, denn es sind die Wehen der Neugeburt; aber es ist eine Angst, in der's kein Mensch aushalten könnte, wenn uns nicht durchs Evangelium der Trost entgegengetragen würde: Er hat deine Sünde und Fluch und Strafe getragen und die Angst davor auch: das kannst du in Gethsemane sehen; so lass du nun deine Angst fahren und sei getrost, deine Sünde ist versöhnt! (Theobald Wunderling.)
Und es kam, dass er mit dem Tode rang, und er betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.
Wie wenig Worte! wie kurz beschrieben! und welch ein Inhalt! Jahrhunderte reichen nicht hin, alle Zungen und Federn sind zu wenig, um auszusprechen oder zu beschreiben, was der Heiland da gelitten hat. Der Totenerwecker, der das Leben wie der Vater in sich selber hat, der Allem Leben und Odem und Alles gegeben hat, ringt mit dem Tode, ist voll Todesangst; wie unbegreiflich, und doch wie erfreulich, wie glaubwürdig! Das Leben, der Urheber des Lebens ringt mit dem Tode, damit er allen todeswürdigen Sündern Leben und Seligkeit mit Recht geben könnte. Er ringt mit dem Tode, und die Angst, die Bangigkeit presst ihm Blutschweiß aus, und du willst dir keine Gewalt antun, der Sünde, die ihn so quälet, los zu werden. Er betet und betet immer heftiger, dringender, und du willst nicht anhalten im Gebete, sondern deine Hände so bald sinken lassen? Er schwitzt Blut wegen deiner Sünde; dir ist weder angst noch bange, du kümmerst dich nicht um deine Seligkeit; du überlässt das dem guten Gott und ergibst dich deinen Neigungen. Ach, ich fürchte, dass du den blutigen Schweiß deines Heilandes unbenutzt zur Erde fallen lässt und dass er für dich verloren gehe. Komm doch und eile an den Ölberg, suche seine Blutstropfen, bete, ringe mit deinem Heilande, bis du seines Blutes Kraft und Wirkung an deinem Herzen fühlst, bis du Frieden in ihm gefunden hast. Aber lass es dann nicht mehr fallen, sondern halte ewig fest, was du in ihm findest. (Johannes Evangelista Gossner)
“Sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.“
Die Bangigkeit, welche das heftige Ringen mit der Versuchung unserem Heiland verursachte, brachte seinen Körper in eine solche unnatürliche Aufregung, dass große Blutstropfen aus der Haut hervordrangen und auf die Erde fielen. Das zeigt, wie furchtbar das ganze Gewicht der Sünde auf Ihm lastete, wenn sie Ihn so zermalmen konnte, dass Er Blut schwitzte! O, welch eine Macht der Liebe offenbart sich uns hier! Es ist eine schöne Beobachtung eines älteren Naturforschers, dass das Federharz, das aus dem Kautschukbaum ohne Einschneiden in die Rinde herausfließt, das vorzüglichere ist. Jener köstliche Kopherbaum gab liebliche Würze, als Er mit Geißelhieben verwundet und am Kreuz von den Nägeln durchgraben wurde; aber siehe, seine beste Würze entquillt Ihm, wenn weder Geißeln, noch Nägel, noch Lanzenstiche Ihn verwunden. Dies macht uns die Freiwilligkeit der Leiden Christi recht eindrücklich, weil hier das Blut von selber floss. Hier braucht‘s kein Stechen und kein Schneiden, das Blut fließt freiwillig. Hier ist kein Befehl nötig: „Steig‘ herauf, Brunnen!“ Er strömt von selber in rosinfarbenen Wellen. Wenn Menschen große Seelenangst ausstehen, so drängt sich das Blut sichtlich zum Herzen. Die Wangen werden bleich; eine Ohnmacht ist nahe; das Blut hat sich nach innen zurückgedrängt, gleichsam als müsste es den inneren Menschen stärken, wenn er durch die Trübsal hindurch muss. Aber schaue den Heiland in seinem Seelenleiden an; Er hat sich so ganz seiner selbst entäußert, dass sein tödliches Ringen nicht etwa sein Blut zum Herzen treibt, um seinen eigenen inwendigen Menschen zu stärken, sondern dass es sich nach außen drängt und die Erde besprengt. Der Leidenskampf Christi hat Ihn ausgegossen auf die Erde, und enthüllt uns die Fülle der Opfergabe, die Er in sich selber für die Menschen dargebracht hat. Begreifen wir nun nicht, wie heftig der Kampf gewesen sein muss, durch den Er hindurch ging, und hören wir nicht, wie seine Stimme uns zuruft: „Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden ob dem Kämpfen wider die Sünde?“ Schauet auf den großen Apostel und Hohenpriester unsers Bekenntnisses, und schwitzet lieber Blut, als dass ihr dem starken Versucher eurer Seelen nachgebt. (Charles Haddon Spurgeon)
Und es kam, dass er mit dem Tod rang, und betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.
Wie freudig und getrost sind doch viele edle Menschen in den Tod hineingegangen! Wir meinen nicht nur die christlichen Märtyrer alter und neuer Zeit, die ja mit Einem Mund bekannten, dass sie durch Kraft des Mannes, der hier in Gethsemane mit dem Tod ringt, überwunden haben. Nein, auch unter den Heiden sehen wir Menschen, die, mit hohen Gedanken erfüllt, vor des Todes Bitterkeit nicht erschrecken. Und hier, welch ein klägliches leidvolles Ringen mit dem Tod! Wahrlich, wenn der Tod dieses Mannes nur ein gewöhnlicher Tod war, dann war er mitnichten der größte und mannhafteste unter den Menschen.
Aber wir sehen sogleich, dass hier gar nicht das gemeint sein kann, was wir insgemein „Todeskampf“ oder „Ringen mit dem Tod“ nennen! Wir verstehen darunter ja die schmerzliche und krampfhafte Zerreißung des Bandes zwischen Leib und Seele. Jesus aber ist noch vollkommen gesund und frisch, dem Leibesleben nach. Wie hätte er sonst noch so unendliche Marter erdulden können? So haben denn manche Theologen gemeint, der Tod, der furchtbare König des Schreckens, sei hier in leiblicher Gestalt erschienen und habe mit Jesu gerungen. Aber, nicht wahr, das ist eine abenteuerliche Idee? Richtiger ist wohl, wenn wir sagen, Jesus hat hier den Tod nach seiner innerlichen Seite durchlebt und durchrungen.
Und welches ist denn diese innere Seite? Die heilige Schrift antwortet: „der Tod ist der Sold der Sünde,“ er ist das Gericht Gottes über die Sünde des Menschen. Wie sich die Menschheit durch die Sünde von Gott losriss, so fiel sie in den Tod hinein, denn nur in Gott ist das Leben. Und während so vieler Jahrtausende war der Tod durch die Reihen der Menschen geschritten, und auch die Edelsten und Hochherzigsten waren ihm unerbittlich zum Opfer gefallen, denn keiner ward gefunden, der nicht das Gift der Sünde in sich trug. Vor diesem Einen aber, vor dem Mann aus Nazareth, muss die finstere Gestalt des Todes Halt machen, denn sein Leib und Seele sind ein unbeflecktes Heiligtum des heiligen Gottes. „Ich lasse mein Leben von mir selber,“ ruft Christus frei und kühn, „ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen.“
Beachten wir also: Jesus stirbt freiwillig, das heißt, ohne irgend einen äußeren Zwang senkt er sein Leben in den Tod hinein. Wer aber freiwillig stirbt, der ist entweder ein Selbstmörder, oder er gedenkt mit seinem Sterben einen Zweck zu erreichen, der mehr wert ist, wie das Leben auf dieser Erde. So starb Sokrates, da er sein Leben wohl erhalten konnte, aber er hielt es für wichtiger und heiliger, der Wahrheit einen Tempel zu bauen, als weiter zu leben im Fleisch und die Wahrheit zu erschüttern. Winkelried, der edle Schweizermann, riss die Speere der Feinde in seine Brust, um das Vaterland zu retten. Der Eine starb freiwillig, damit Viele erhalten würden. Und Jesus? Jesus erlitt freiwillig den Tod, ließ freiwillig das Gericht der Sünde über sich ergehen, damit die ganze Menschheit von dem Bann der Sünde zur Heiligkeit, und aus der Macht des finsteren Todes zur göttlichen Lebensherrlichkeit erlöst würde. So berichtet einstimmig der Mund aller Zeugen Christi, so bezeugt er es selber. Und wahrlich, das war ein Preis, der auch wohl der Hingabe eines solchen Lebens wert war. Denn eigentlich ist doch dieses Sterben Jesu allein ein freiwilliges Sterben. Jene Alle, die für Vaterland und Wahrheit freiwillig starben, sie hätten doch bald sterben müssen. Sie schickten nur ihr Leben voraus auf dem Weg, den es nach wenigen Jahren doch unfreiwillig hätte ziehen müssen. Jesus aber opferte ein Leben, das ewiges Leben war, denn es war vom ersten bis zum letzten Atemzug Gott geweiht. Bei der Verklärung auf Tabor erkannten wir die Lebensherrlichkeit, die in Jesu schlummerte. Und dennoch starb Er! Ja, wir sagen weiter: Nur Er starb. Nur Er schmeckte die ganze Bitterkeit des Todes, denn nur Er wusste, was Leben war, und nur Er erkannte die schauervollen Tiefen der Sünde, die in dem Tod gerichtet wird. Und dennoch, Er starb - auf dass du lebst.
Du schüttelst das Haupt. Ja, freilich, schon der Apostel sagt, dass die Predigt von dem Kreuz eine törichte Predigt sei, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit. Wir werden bei der Betrachtung des vierten Kreuzeswortes auf diese göttliche Torheit zurückkommen, die doch weiser ist, wie alle Weisheit der Menschen. Wir werden sehen, dass es auch für unsere menschliche Erkenntnis nicht durchaus an Licht mangelt. Aber freilich, geheimnisvoll wird uns, so lange wir im Fleisch wallen, Vieles bleiben, wenn wir in Gethsemane und Golgatha anbeten. Doch ich wüsste auch nicht, wie ich anbeten sollte, was ohne Geheimnis ist. Wenn wir nur erfahren können, was unserem Auge dunkel erscheint, weil es selbst dunkel ist! Und wahrlich, erfahren können wir, was wir kaum halb erkennen. Wer erst von Angst über seine Sünden hin und hergetrieben wird und auf der ganzen weiten Erde nicht finden konnte, was seiner Seele Frieden gab, er möge sich dem Mann nahen, der hier in Gethsemane mit dem Tod ringt, und das Wort Versöhnung wird ihm bald hell leuchten. Wenn wir, die wir schon angefangen hatten, dem Herrn zu leben, nun in neuen schweren, ungeahnten Sündenfall geraten sind, wo wollten wir in solchen Stunden, da unser Herz angstvoll fragt, ob wir noch wiederkommen dürfen zum Throne der Gnade, - wo wollten wir in solchen Stunden Frieden und Glaubensmut anders wiederfinden, als unter den Ölbäumen Gethsemanes? Und wie Mancher und Manche, denen die süßesten Lebenshoffnungen zerknickt und die in höchster Gefahr waren, sich zu verbittern gegen Gott und Menschen, Seite des mit dem Tode ringenden Heilandes ist ihr Herz wieder gesund und lebensfreudig geworden. Und nun gar, wenn die Stunde kommt, da wir in höchsten Nöten sein und wissen nicht wo aus noch ein,“ „da uns am allerbängsten wird um das Herz sein,“ nicht wahr, wir fühlen es im Voraus, dass uns dann aus dem Todesringen Jesu allein Odem ewigen Lebens zuströmen kann. So meint es auch Doktor Luther: „Wenn wir einmal an des Todes Abgrund liegen, wenn uns das Angesicht spitzig und fahl wird, wenn die Augen schwarz und dunkel werden und die Zunge nicht mehr reden kann, dann sollen wir an diesen Mann halten, der dies Schrecken überwunden und in sich selbst ersäuft hat. Ja, dazu gnade uns Gott“.
Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und lass mich sehn dein Bilde
In deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken;
Wer so stirbt, der stirbt wohl. (Otto Funcke)