Kolosser 3,12
Andachten
“Ziehet an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld.“
Nach diesem Spruch dürfen denn wir, die wir auf Christum getauft sind und an Ihn glauben, und als Kinder Gottes auch Erben Gottes und Miterben Christi zu werden hoffen, uns nennen die Auserwählten, die Heiligen und Geliebten. Weil Gott uns so nennt, dürfen wir's uns nicht gar absagen. Aber wenn wir's uns gefallen lassen, so passt doch gewiss dazu nicht das rauborstige Wesen, das wir oft noch durchs Ganze hindurch an uns haben, und zu dem die natürliche Verderbtheit des Herzens so leicht treibt.
Die ungeduldige, derbe und hitzige Art auch, mit welcher wir je und je selbst unser Christentum als Eiferer um den HErrn beweisen zu müssen glauben, widerspricht ganz dem Begriff von Heiligen und Geliebten Gottes. Gerne findet man den Beweis des Christentums in einem schonungslosen Eifer, der eben durchführt, ob's wohl oder wehe tue, lebendig mache oder töte. Die Ehre Gottes und die Bekenntnistreue, meint man, erfordere das. Aber das ist ganz verkehrt. Denn das Wesen des Christentums an Heiligen und Geliebten Gottes liegt im herzlichen Erbarmen mit jedermann, in der Freundlichkeit, in der Demut, in der Sanftmut, in der Geduld auch mit den Sündern und Unwissenden, nicht in einem gleichsam verzehrenden Eifer, bei welchem man drein haut und erbarmungslos oder schonungslos urteilt, verwirft, wegschätzt, richtet und verdammt. Da muss das Kleid, wie es die Wilden an sich tragen, abgelegt, und das Kleid der Liebe, dran man die Auserwählten kennt, angezogen werden.
Auch im täglichen Leben, - ach, wie oft lassen wir's da an dem rechten Geiste, der uns beseelen sollte, fehlen! Wir müssen's besser lernen, müssen uns als die Auserwählten, Heiligen und Geliebten darstellen lernen. Es sollte jeder, sei es, wer es wolle, der Höchste wie der Niedrigste, der Kleinste wie der Größte, schon an unserem Kleid unsern Adel sehen. Jedermann sollte es uns abfühlen zu seinem Trost, zu seiner Erquickung und zu seiner Erbauung, dass wir, sozusagen, vom Kopf bis zum Fuß, d.h. in allem, was an uns zu sehen ist, lauter herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld sind. Dann erst sind wir in vollem Sinne die Auserwählten, Heiligen und Geliebten, - eher nicht.
Der HErr gebe uns Gnade dazu, dass wir's recht merken, wie es mit uns werden soll. Lernen wir unsern Eifer vornehmlich gegen uns richten, dass alles verkehrte, lieblose Wesen bei uns abkomme. Das ist der Eifer, mit welchem wir den Argen überwinden, und dass ich so sage, in aller Stille und Unscheinbarkeit den Himmel und die Herrlichkeit Gottes erstürmen können. Oder wodurch anders hat sich unser Heiland, dessen Gesinnung wir annehmen sollen, im Kampfe für uns hindurchgerungen bis zu der Rechten der Majestät in der Höhe? (Christoph Blumhardt)
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und vertrage einer den andern, und vergebt euch untereinander, So Jemand Klage hat wider den andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr. Über alles aber, zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Gottes regiere eure Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in Einem Leibe, und seid dankbar.
Regiert der Frieden Gottes in unsern Herzen, dann Lasst uns friedfertig und Friedenskinder auch unter den Menschen sein. Wie Jesus uns vergeben hat, sollen wir einander vergeben. Wie er uns in Geduld trägt, sollen wir vertragen Einer den Andern. „Gleichwie aber ein Baum in der Wüste verdorrt, und nur an Wasserbächen gedeiht, so gedeiht solche Liebe, Friede und alles Leben nur an den Bächen des immer frischen Wortes Gottes und unter dem Bauch der Psalmen und Lobgesänge und geistlichen, lieblichen Lieder! Gottes Wort, das ist der Brunnen lebendigen Wassers, aus dem die Liebe und der Friede, die wir beweisen sollen, unversiegbar uns zufließt. Darum lasst das Wort Christi unter euch wohnen; nicht bloß herbergen, sondern wohnen, ja reichlich wohnen. Und die heiligen Lieder der Kirche, das ist der reine Strom, aus dem immer aufs Neue unser gebrochenes Christenleben Glaube und Geduld schöpfen kann. Darum lasst uns an diesem Strom unsre Hütten bauen, dann werden dem Herrn unsre Herzen grünen in stetem Lob und Preis. Und über dem ganzen Leben soll der Name, das Kreuz des Herrn Jesu stehen. In dem Namen Jesu soll ein Christ Alles tun. Was du nicht in diesem Namen tun darfst, das darfst du überhaupt nicht tun. Frage dich bei Adem auch an diesem Tage, ob du es mitnehmen kannst unter Jesu Kreuz; ob du dabei zu seinem Kreuze aufblicken kannst. So wird das ganze Leben ein Dankopfer Gott und dem Vater, durch Jesum Christum. Sieber Gott und Vater im Simmel, der du uns zu deinem Frieden berufen hast, hilf uns durch dein heiliges Wort und durch den teuren Namen Jesu Christi, deines Sohnes, dass wir aufstehen von aller geistlichen Trägheit und Bosheit, und wandeln in deinem Frieden und in deiner Liebe, und dir danken durch ein Leben als die Auserwählten Gottes. Amen. (Adolf Clemen)