Johannes 15,1
Andachten
Ich bin der rechte Weinstock und mein Vater der Weingärtner.
Wir rüsten uns auf das Weihnachtsfest, das ist der Tag, an welchem der Vater, der liebe treue Weingärtner, den Weinstock auf die Erde pflanzte. Jesus Christus ist ja der Weinstock. Warum doch ein Weinstock? Einmal seiner Niedrigkeit und Unscheinbarkeit wegen. Der Weinstock geht ja nicht hoch in die Höhe. Da sind Zedern, Tannen, Fichten und Eichen ganz andere Bäume. Der Herr, unser Weinstock, ist der Allerverachtetste und Unwerteste gewesen. Wiederum ist er der Weinstock um der edlen Kraft und Labung willen, um des Gnadenweines willen, den er gibt. Der Wein erfreut des Menschen Herz, er stärkt die wankenden Knie und die laxen Hände. Wo ist Schatten, wo ist Erquickung, wenn nicht in Christo? Die Vergebung der Sünden fließt in die durstige Seele als der süßeste Wein, den es geben kann. Die Kindschaft und der Friede Gottes machen fröhlicher als aller Wein der Welt. Wenn die Seele sich gläubig versenkt hat in das stille Meer der Erbarmung: wo ist dann Freude, die dieser Freude gliche? Der Wein labt, wenn keiner mehr schmeckt, er stärkt, wenn alle leidigen Tröster ohnmächtig geworden und gewichen sind. Dieser Wein lässt den Toten nicht sterben. Er stärkt ihn zum Leben im Sterben.
Herr, du hast uns zu Reben gemacht an dir, dem Weinstock. Groß ist die Gnade, die du uns hast widerfahren lassen; denn wir sind eingesenkt in einen köstlichen Stamm und genießen dazu auch deine ewigen Lebensfrüchte. So hilf denn, dass wir uns nicht von dir scheiden und als tote Zweige liegen bleiben; hilf auch dass wir nicht den wilden Reben gleichen, die wohl Blätter treiben und auch einmal blühen, bei denen es aber nicht zur Frucht kommt. Aus dem bloßen Jasagen, dem Anerkennen Deiner Gnade, den flüchtigen Wünschen nach der Seligkeit führe uns zur innigen Hingabe an dich. Fördere uns im Glauben und in der Heiligung, dass wir, aus dir allein unsere Lebenskraft ziehend, auch Früchte des Lebens bringen. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Mein Vater ist ein Weingartner.
Das ist wohl ein fein, tröstlich Bild, wer es nur also verstehen und deuten könnte, in Nöten und Anfechtungen, und wenn der Tod einem Christen recht vor den Kopf stoßet, der Teufel anficht und plagt, die Welt ihn lasiert und schändet als einen Teufelsapostel usw., dass er denn könnte, also sagen: Siehe, da werde ich gedüngt und gearbeitet als ein Reben am Weinstock. Wohl her, liebe Hacken und Hippen, hacke und schneide nur getrost, ich will dir gerne herhalten; denn es sind Gottes Hacken und Hippen, mir zu Nutz und Frommen. Wohlan, Christus deutet es als ein Meister, und kann's Ihm selbst also vorbilden: ich werde gedüngt, zerhackt, zerschnitten werden, aber ich weiß wohl, was es ist: nicht wie es die Welt ansieht, dass ich soll untergehen und vertilgt werden, sondern, dass es ist meines lieben Vaters Werk, als der an seinem Weinstock arbeitet, wenn er wohl wachsen und tragen soll. Demnach lerne nun auch, dass Welt, Teufel, Tod und alles Unglück sei nichts Anders, denn Gottes Hacken und Hippen. (Martin Luther)
“Ich bin der rechte Weinstock, Mein Vater der Weingärtner. Einen jeglichen Reben an Mir, der nicht Frucht bringet, wird Er wegnehmen, und einen Jeglichen, der da Frucht bringet, wird Er reinigen, dass er mehr Frucht bringe.“
Der HErr ist der Weinstock, an welchem alle, die Ihm angehören, gleichsam als Reben hinanwachsen, oder als Reben herauswachsen, so dass das Ganze nur Eines ist, und alle zusammen von einerlei Saft genährt werden. Man muss dabei sich erinnern, dass der Weinstock die Art hat, sich weit auszubreiten. Es kann, wie das im Morgenlande schon geschehen ist, ein einziger Weinstock Stunden weit sich fortspinnen über der Erde. So denke man sich die Möglichkeit eines Weinstocks, der über die ganze Erde sich fortspinnt und sie bedeckt, und doch nur einen Grundstock hat. So wäre denn Christus dieser Weinstock, in welchem, als ihrer Lebenskraft, alle Gläubigen zu einem zusammengehörigen Ganzen verbunden sind.
Hierbei kommt nun alles darauf an, dass die Reben an Ihm also bleiben, und also genährt werden und in solcher Gemeinschaft mit Ihm stehen, dass sie Früchte bringen, liebliche, erquickliche Früchte, wie ja des Weinstocks Frucht als eine liebliche und erquickliche bekannt ist. Wir wollen jetzt gerade nur an das denken, dass wir dann die rechten fruchtbaren Reben sind, wenn wir etwas Liebliches und Erquickendes für Jedermann sind. Ja, unser ganzes Wesen muss so sein, dass es alle, mit denen wir in Berührung kommen, erquickt und ihnen wohltut. Wo wir aber herbe sind und räse, wie man bei Früchten sagt, also unfreundlich, hart, widerwärtig gegen Andere, so sind wir keine Frucht tragenden Reben, sondern ausgeartete Reben, die fast noch weniger wert sind, als wenn keine Früchte kämen, und so gewiss nicht am Weinstock bleiben werden.
Zusatz: Insbesondere wenn wir zum Tisch des HErrn gehen, wollen wir da etwas empfangen, wodurch wir in eine nähere Wesens- und Lebensgemeinschaft mit dem HErrn kommen. Es ist Sein Wille, dass da Seine Lebenskraft in uns komme; deswegen gibt Er Sich uns als Speise hin. Ob aber diese Seine Kraft es mit uns so weit bringe, dass wir Früchte tragen, oder Seine Art annehmen können, das wäre die Frage. Wir dürfen nicht denken, weil’s Seine Kraft sei, so wirke sie ganz von selbst, gleichsam mechanisch, was es sein soll. Wir müssen auch mit unserem Verlangen und Willen dabei sein; wir müssen uns, auch wenn wir’s empfangen haben, um die Wirkung des Empfangenen in uns bemühen. Im Reiche Gottes geht nichts von selbst. Der Mensch muss sich hergeben, muss es mindestens verlangen, suchen, erbitten. Geht er seinen Weg nur so hin, ohne zu denken, ohne zu suchen, ohne zu bitten, so wird er eine fruchtlose Rebe bleiben. Darum wollen wir uns immer wieder anfrischen lassen zu neuem Mut, zu neuem Eifer, zu neuem Ringen nach dem, das werden soll. Folgt das bei uns auf das Hören Seines Worts, oder auf den Genuss des heiligen Abendmahls, nach, so kann’s nicht fehlen; denn dann kann die von Christo auf uns übergehende Lebenskraft das Ihre bei uns ausrichten. Will’s ihr aber bei uns nicht recht gelingen, so weiß Er, wie unser Spruch sagt, zu reinigen, zu schneiden und abzuschneiden, damit desto leichter Seine Kraft in uns die Frucht heraustreibe. Da helfe uns der HErr dazu durch Seinen heiligen Geist! (Christoph Blumhardt)
Ich bin ein echter Weinstock, und mein Vater ein Weingärtner. Einen jeglichen Reben an mir, der nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen; und einen jeglichen, der da Frucht bringt, wird er reinigen, dass er mehr Frucht bringe. Ihr seid jetzt rein um des Worts willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir, und ich in euch. Gleichwie der Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe denn am Weinstock; also auch ihr nicht, ihr bleibt denn in mir.
Wie viel Sorge und Mühe hat die ewige Liebe an uns gewandt, dass wir rechte Reben würden an dem himmlischen Weinstock. In den ersten Tagen hat sie uns in ihn hineingepflanzt, in der heiligen Taufe: „Weinstock, hilf, dass diese Rebe auch im Glauben dich umgebe.“ Die treue Hand hat uns vor manchem Wetter, mancher Anfechtung verwahrt; sie hat uns in unsrer Schwachheit gestützt, dass wir nicht zerbrechen möchten, und hat uns nicht lassen versucht werden über Vermögen. Und mehr als dies! „Eine jegliche Rebe, die da Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.“ Reinigen! Der Weingärtner nimmt das Messer und schneidet die wilden Ranken von den Reben weg, damit sie mehr Frucht bringen. Wohl tut dies Schneiden weh. Aber es ist unentbehrlich. So braucht auch der himmlische Weingärtner das scharfe Messer seiner Züchtigungen, unsre Seele zu reinigen von ihrer Weltliebe. Er schneidet weg, was die Liebe Gottes in uns ersticken wollte. Lasst uns ihm stille halten; lasst uns ihm danken dafür, wie weh es auch tue. Denn wir bedürfen noch immer der Reinigung. „Ihr seid jetzt rein“ - gilt dies Wort, das der Herr zu den Jüngern sagt, auch uns? - Er pflanzt uns in seine Gemeinschaft, und nun mahnt, fordert er: Bleibt in mir. - So lasst uns bleiben im Glauben. Durch den Glauben hängen wir an ihm, als die Reben am Weinstock. Lasst uns bleiben in seiner Nachfolge. Gehorsam sein, wie er. Geduldig sein, wie er. Freundlich und gütig sein, wie er. Dienen, wie er gedient hat. Dulden, wie er geduldet hat. (Adolf Clemen)
Ich bin ein rechter Weinstock, und mein Vater ein Weingärtner. Einen jeglichen Reben an mir, der nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen; und einen jeglichen, der da Frucht bringet, wird er reinigen, dass er mehr Frucht bringe.
Die Reben reinigen, das heißt die Ranken beschneiden, welche dem Reben seine Kraft entziehen. Was uns, die wir schon Reben an dem Weinstocke Christi geworden sind, die Kraft des Weinstockes entzieht, das sind die Ranken, das sind jene ungöttlichen Neigungen, die mit dem Reiche Christi nicht zusammenhängen, in welche jene Kraft hineinschlägt, die göttliche Frucht bringen sollte. Je mehr der Mensch sich damit begnügen lässt, in einem so losen Zusammenhange mit Christo zu stehen, in welchem er es zwar zu Blättern und zu Blüten bringt, aber nicht zu Früchten, desto mehr bleiben an einem solchen Weinreben die Ranken. Es verbreitet sich in unserer Zeit ein Christentum, wo von christlicher Lehre und christlichen Gefühlen fortwährend die Rede ist, aber ohne ernste Selbstprüfung, ohne Reinigung von den Ranken, die aus dem natürlichen Menschen kommen. Es verbreitet sich ein Christentum, welches zwar fein davon predigt, wie herrlich Christus sei, aber fein davon schweigt, wie erbärmlich der Mensch ist, bei dem es daher auch nimmer zu einer täglich erneuten Buße, einem täglich neu erkämpften Glauben kommt. Solches Christentum wird am Tage des Gerichts nicht bestehen. Der Herr verkündet in unserm Gleichnisse, dass die Reben, welche keine Frucht bringen, abgehauen werden und verbrennen müssen. Merkt wohl! Er sagt das von Reben, also von solchen, die schon in einem gewissen Zusammenhange mit ihm stehen, die in gewissem Sinne sagen können, dass sie Christi sind, die Blätter und Blüten aufweisen können, welche Christi Geist getrieben hat, nur keine Früchte. O! ist es nicht jammervoll, dass man eine Rebe am Weinstocke sein, und doch noch abgehauen werden kann? Indessen auch ein solcher Anfang des Zusammenhanges mit Christo hat seinen Segen mit sich. Wollt ihr, die ihr diesen Anfang gemacht habt, nicht selbst das Messer an eure Ranken legen, seht, ihr steht unter einem himmlischen Weingärtner, der vom Himmel herab die Hand an eure Ranken legt. In jedes Christen Leben kommen die Stunden, wo tief das reinigende Messer einschneidet in das, woran dein Herz neben Christo hing, in alle Liebesbanden, die nicht durch Gott geheiligt waren, in jede Neigung des unwiedergebornen Menschen. O derjenige, dem es nur ein Ernst ist mit sich selbst, erlebt mit Erstaunen, wie im Laufe seines Lebens das Messer Gottes ihn gerade von denjenigen Seiten antastet, die ihm die empfindlichsten sind, wo sein Zusammenhang mit der Welt am stärksten ist. Es gibt wahrhaftig eine erziehende Gnade Gottes in jedem Christenleben; ja das Wort ist wahr, welches die Schrift uns zuruft: „Welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er - so ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich euch Gott als Kindern!“ (August Tholuck.)
Ich bin der rechte Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner; ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Der Weingärtner pflanzt den Weinstock; das bedeutet: der Vater gibt der Welt seinen Sohn. Der Weinstock bringt aus sich die Reben hervor; das bedeutet: Jesus gibt den Jüngern an dem Teil, was er selber ist, und macht sie durch sich zu dem, was sie sind. Die Reben tragen die Frucht; das bedeutet: aus den Aposteln entsteht die Gemeinde. Hier entsteht eine vollendete Gemeinschaft, die alle füreinander unentbehrlich macht. Jesus ist für die Apostel unentbehrlich und die Apostel sind es für ihn und die Apostel sind für die Gemeinde unentbehrlich und die Gemeinde ist es für die Apostel. Wie der Weinstock durch die Reben die Frucht erzeugt, so war es für Jesus unmöglich, dass er allein bleibe. Er ist dazu gesandt, damit er die für Gott geheiligte Gemeinde schaffe. Dazu bedarf er der Jünger und der Vater hat sie ihm gegeben und er freute sich, als er ins Leiden ging, an ihnen, und machte sie mit sich eins und sandte sie als seine Boten aus. Menschen zu Jesus führen und aus ihnen eine Gemeinde Jesu machen, also Frucht tragen, das können die Jünger nicht durch sich selbst. Dazu reicht auch nicht diejenige Verbindung mit Jesus aus, die auf dem natürlichen Wege entsteht, dadurch nämlich, dass sie Erinnerungen an ihn besitzen und sich in ihren Verkehr mit Ihm zurückversetzen können, sondern Jesus rüstet sie zu ihrem Dienst dadurch, dass er in der gottheitlichen Weise, die durch nichts gehemmt wird, bei ihnen gegenwärtig und in ihnen wirksam ist. Ebenso untrennbar ist auch die Verbindung zwischen den Jüngern und denen, die sie zu Jesus führen. Wie die Rebe um der Frucht willen entsteht, so kann der Jünger nicht allein bleiben und bloß sein eigenes Leben pflegen. Er wird von Jesus verworfen, wenn er nur für sich selber lebt. Aber auch die Kirche kann nicht für sich allein bestehen und sich nicht von den Aposteln lösen. Denn es gibt für sie keinen anderen Weg zu Jesus als den, dass sie die Botschaft Jesu von denen empfängt, denen er sie übergeben hat. Damit ist mir gesagt, was ich in der Schrift zu suchen habe. Ich habe auf die Apostel zu hören, damit ich Jesus finde, und habe zu Jesus zu kommen, damit ich Gott finde. Der Platz der Frucht ist an der Rebe und die Rebe führt ihr den Saft des Weinstocks zu und der Weinstock ist vom Weingärtner gepflanzt und trägt seine Frucht für ihn.
Alle, die ihren Platz in der Gemeinschaft gefunden haben, die Du, Vater, uns durch unseren Herrn bereitest, danken Dir jetzt und ewiglich und dienen Dir mit Freude jetzt und ewiglich. Amen. (Adolf Schlatter)