Psalm 71,18
Andachten
Auch verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde, bis ich Deinen Arm verkündige Kindeskindern.
Der einundsiebzigste Psalm ist die Lebensbeschreibung eines jeden frommen Israeliten oder Christen, worin teils nach der Art eines Bekenntnisses, teils aber durch Bitten dasjenige ausgedrückt wird, was in einem gottgeheiligten Lebenslauf vorzukommen pflegt. Unter Anderem bittet der Verfasser dieses Psalmen: verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde. Das Alter hat nämlich seine eigenen Beschwerden und Versuchungen. Es fasst die Jahre in sich, wovon man sagt: sie gefallen mir nicht. Die junge Welt, welche die Alten um sich sehen, gefällt diesen auch nicht, weil sie gemeiniglich neue Meinungen und Sitten hat, deren diese nicht gewohnt sind. Das Gedächtnis wird schwach, die Kräfte lassen nach, die Arbeit geht mühsamer und langsamer von statten, und was man lange gesehen, gehört und getrieben hat, entleidet nach und nach. Daraus kann dann leicht Ungeduld, mürrisches Wesen, Unachtsamkeit, Trägheit und Gleichgültigkeit gegen die Gebete Gottes entstehen. Auch meint man an vielen Alten einen Hang zum Geiz zu bemerken, welcher den Schein der klugen Vorsorge für ihre Nachkommen annimmt, und aus den Fehlern, die man vorher bei dem unvorsichtigen Geben gemacht hat, entstehen kann. Man hat also nötig zu bitten: verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde. Dein Trost erquicke mich im Alter, der Geist der Liebe mache mich liebreich und mild, und Deine Kraft belebe mich, dass die Abnahme des natürlichen Lebens keine Abnahme des geistlichen Lebens mit sich führe. Kann ich im Alter weniger Werke tun, als vorher, so müssen dagegen durch die Wirkung deiner Gnade meine letzten Werke besser denn die ersten werden. Dein Wort sei mir immer kräftig, dass ich auch im Alter wie ein Baum sei, der an den Wasserbächen gepflanzt ist, der seine Frucht zu seiner Zeit bringt, und dessen Blätter nicht verwelken, und dass, was ich mache, wohl gerate. Dein Geist erinnere mich an alles Nötige, und bilde auch im Alter meinen Sinn und Wandel so, dass ich den Jungen nicht zum Ärgernis werde, sondern vielmehr Deinen Arm, das ist Deine bewahrende, stärkende, tröstende, heilende, siegende und Alles wohl machende Kraft, meinen Kindeskindern, und den Enkeln derer, die mit mir aufgewachsen sind, zu ihrer Erbauung verkündigen könne. Solche geistreiche alte Männer wurden Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Josua, David und fast alle Apostel, ja auch viele andere Christen zu allen Zeiten, deren Reden und Werde von den Jungen mit Ehrerbietung beobachtet, und im Angedenken behalten werden sollen; da hingegen das Beispiel des Salomo anzeigt, wie man noch im Alter in eine schädliche Abnahme der Geisteskraft hinein geraten, und Andern ärgerlich werden könne. Lasst uns den gegenwärtigen Tag wohl anwenden, und aufs Künftige nicht sorgen, aber doch beten. Der HErr, der Allmächtige, wird nicht müde, nicht matt: auch ist Er treu und Seine Güte währt ewiglich. Wenn ich bete: verwirf mich nicht in meinem Alter; verlass mich nicht, wenn ich schwach werde, so antwortet Er: Ich will euch tragen bis ins Alter, und bis ihr grau werdet. Ich will es tun, Ich will heben und tragen und erretten. Jes. 46,4. (Magnus Friedrich Roos)
Verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde, bis ich deinen Arm verkündige Kindeskindern, und deine Kraft allen, die noch kommen sollen. Gott, deine Gerechtigkeit ist hoch, der du große Dinge tust. Gott, wer ist dir gleich? Denn du lässt mich erfahren viel und große Angst, und machst mich wieder lebendig, und holst mich wieder aus der Tiefe der Erde herauf. Du machst mich sehr groß und tröstest mich wieder.
Das ist große Gnade, ein gesegnetes Alter. Nicht bloß ein ruhiges und glückliches, sondern ein solches, das Gottes Liebe und Treue preist. David bittet, Gott möge ihn dies Ziel erreichen lassen. Er hofft fest darauf, Gott werde ihn erhören. Auch wir haben es doch erfahren, wie Gott die Angst in Heil verwandelt und uns seinen Trost ins Herz gibt, wie Gott dem geängsteten Herzen also hilft, dass es sich nach der Prüfungsstunde erquickter und gehobener fühlt, als vor ihr. Ja wir wissen doch noch viel mehr von der Treue Gottes zu rühmen, als David. Denn wir kennen Den, den David nur von ferne gesehen, Jesum Christum, aus dessen Händen Niemand uns reißen soll. Nun so lasst auch uns mit fröhlichem Mut und getrostem Sinn in die Zukunft blicken. Was unser Alter sein wird, wissen wir nicht. Aber das willen wir, dass uns Gott nie verlassen wird. Der über unsrer Jugend gewacht, der wird auch in unserm Alter uns stützen und stärken. Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln, wie die Adler. Was auch komme, der Herr wird alles herrlich hinausführen. Und das Ende aller Wege Gottes ist seine Ehre und die Offenbarung seiner Treue. „So danke ich auch dir mit Psalterspiel für deine Treue, mein Gott. So lobsinge dir auf der Harfe, du Heiliger in Israel.“ (Adolf Clemen)