1. Johannes 3,14
Andachten
Wir lieben die Brüder!
Unser Heiland sagt Joh. 13,34.35: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch unter einander liebt, wie ich euch geliebt habe, auf dass auch ihr einander lieb habt. Dabei wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt.“ Der das Gebot der Bruderliebe gibt, gibt auch in seiner Liebe zu uns das Vermögen, sein Gebot zu erfüllen. Er hat uns geliebt, auf dass wir uns lieb haben können, und hat uns geboten, dass wir uns lieb haben sollen. Wenn wir die Brüder lieben nach seinem Gebot, so beweisen wir, dass wir geglaubt und erkannt und erfahren haben die Liebe, damit uns Christus geliebt hat; und an der Bruderliebe soll man uns als seine Jünger erkennen. O wohl uns, wenn wir mit Johannes sagen können „Wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind, denn wir lieben die Brüder“ (1 Joh. 3,14.). Wie sollten wir doch danach jedes Bleiben in der Lieblosigkeit gegen irgend einen Bruder als ein Bleiben im Tode der Sünden betrachten, und uns befleißigen, von solchem Tode zum Leben hindurch zu dringen! Das tut's freilich noch nicht, dass man mit äußerlichen Gebärden und schönen Worten sich liebreich stellt, während man doch im Herzen gar anders gesinnt ist. Sondern um deswillen, der uns geliebt hat, sollen wir den Bruder lieben lernen mit aufrichtiger und herzlicher Liebe, die sich in Gebärden, Worten und Werken abspiegelt. Auch ist nicht jene schwächliche und unlautere Liebe gemeint, da man aus Furcht, dem Bruder zu missfallen und von ihm verkannt zu werden, auch das Tadelnswerte an ihm gut heißt. Sondern die starke und lautere Liebe, die den fehlenden Bruder mit sanftmütigem Sinn und Weisheit zurecht hilft, der es anliegt, dass der Bruder nicht Schaden an seiner Seele leide, die für sich selbst aber gern trägt und verträgt, gern gibt, nachgibt und vergibt, die sich selbst und all' das Ihre vergißt - das ist rechte Bruderliebe. Das ist auch wirklich so etwas Großes, dass du es nicht leisten kannst ohne Wiedergeburt. Darum sagt Johannes: „Wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind, denn wir lieben die Brüder.“ Sagst du auch also? Wenn du den liebst, der dich geboren hat, so musst du auch diejenigen lieben, die von ihm geboren sind, die mit dir Kinder eines Vaters, Jünger eines Herrn, Tempel eines Geistes sind, die mit dir denselben teuren Glauben überkommen haben, und mit denen du dermaleinst zu gleichem Kindesteil gelangen sollst. Hast du für ihre Leiden kein Mitleid, für ihre Freuden keine Mitfreude, für ihre Kämpfe und Verlegenheiten keine Hilfe mit Gebet, Rat und Tat; stellst du dich, wenn Trübsal und Verfolgung sich über sie erheben, als kennst du sie nicht, als hättest du nichts mit ihnen gemein; suchst du nur das Deine, und liebst du also nur dich selbst - wo bleibt da die Bruderliebe, und das Zeugnis, dass du aus dem Tode in das Leben gekommen bist? Prüfe, prüfe doch deine Liebe! (Carl Johann Philipp Spitta)
Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder. Wer den Bruder nicht liebt, der bleibet im Tod.
Einst, sagt Johannes zur Christenheit, gehörtet ihr zur Schar der Toten; aber ihr habt euch von ihr getrennt und seid zur Schar der Lebenden hinübergegangen. Dieser Schritt, der uns aus dem Tod ins Leben führt, überspringt eine gewaltige Kluft. Woran sieht es Johannes, dass er selbst mit seinen Gemeinden zwar zu denen gehört, die im Tode waren, nun aber nicht mehr ihm verfallen, sondern zu den Lebenden gelangt ist? „Wir lieben die Brüder.“ Nicht das meint er, dass wir mit unserer Liebe den Tod in uns bezwungen haben. Von solchem Aberglauben war Johannes ganz erlöst. Das Leben, sagt er, war beim Vater und es ist uns erschienen, weil Jesus bei uns war. Er gibt uns aber nicht nur eine Verheißung, die uns das Leben in der Ferne zeigt, so dass wir noch als die Hoffenden darauf warten müssten, sondern macht es uns sichtbar, dass der Tod für uns vergangen und der Schritt in das Leben hinein vollzogen ist, und die gewisse, deutliche, unverkennbare Tatsache, die uns dies zeigt, ist, dass wir die Brüder lieben. Wer ist die Liebe? Gott! Wie entsteht sie in uns? Durch Gottes Wirken. Weil es Gottes Gabe ist, dass wir lieben, ist dies der Beweis dafür, dass wir leben. „Die Brüder“, sagt Johannes, und dies hat tiefe Bedeutsamkeit, die, die sich mit uns zu Jesus bekennen, sein Wort bewahren und nach seinem Willen handeln. Wird das Werk Jesu in den anderen sichtbar, so erzeugt das in uns keinen Widerwillen; ihr Glauben trennt uns nicht von ihnen und der Ernst, mit dem sie die Sünde hassen, treibt uns nicht von ihnen weg; Gottes Werk in ihnen ist uns teuer und verbindet uns mit ihnen. Darin, dass wir imstande sind, die Brüder zu lieben, besteht das sichere Kennzeichen, dass wir nicht mehr zu den Toten gehören, sondern das Leben empfangen haben.
Den Vielen, die nicht wissen, was Leben ist, zu zeigen, dass Du uns in das Leben hineingeführt hast, das, Herr, großer Gott, ist Dein köstlicher Auftrag und der herrliche Dienst der Christenheit. Deine Gnade hat mich von denen getrennt, die aus ihrem Leben ein leeres Geschwätz und eine mühevolle Eitelkeit machen. Darum bitte ich Dich um Dein größtes Geschenk, um die Liebe, die mich mit den Brüdern eint, damit meine Seele Dein Lob singe und Dir danksage, dass Du mich zur Schar der Lebenden herzugerufen hast. Amen. (Adolf Schlatter)
“Wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder.“
„Gott schied das Licht von der Finsternis.“ Die Finsternis ist an und für sich ruhig und bleibt ungestört; sobald aber der Herr Licht hineinsendet, so gibt es einen Kampf, denn eines stehet dem andern entgegen. Und dieser Kampf hört nimmer auf, bis der Gläubige völlig verklärt ist im Herrn. Findet nun eine Scheidung innerhalb des einzelnen Christen statt, so erfolgt auch äußerlich eine Scheidung. Sobald der Herr einem Menschen Licht schenkt, so strebt er, sich von der umgebenden Finsternis los zu machen; er will nichts mehr zu schaffen haben mit einer bloß weltlichen Frömmigkeit äußerlicher Formeln, denn ihm genügt von nun an nichts mehr, außer dem Evangelium von Christus, und er entzieht sich aller weltlichen Gesellschaft und allen leichtsinnigen Vergnügungen und sucht die Gemeinschaft der Heiligen, denn „wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder.“ Das Licht sammelt sich, und so auch die Finsternis. Was Gott geschieden hat, wollen wir nicht zu vereinigen suchen, sondern gleichwie Christus hinausging außer dem Lager und seine Schmach trug, so wollen auch wir ausgehen von den Gottlosen und ein heiliges Volk sein. Er war heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern ausgesondert; und gleich wie Er, sollen auch wir uns nicht dieser Welt gleichstellen, sondern alle Sünde verabscheuen und uns von den übrigen Menschen dadurch auszeichnen, dass wir unserem Meister ähnlich werden; denn wir sind geheiligt durch den Namen unseres Herrn Jesu Christi. (Charles Haddon Spurgeon)
Wer den Bruder nicht liebt, der bleibt im Tode. Daran haben wir erkannt die Liebe, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.
Wollen wir's ganz gewiss wissen, ob wir Gottes Kinder sind, dann lasst uns fragen, ob wir Bruderliebe im Herzen haben. Aber damit wir uns dabei nicht täuschen, ist uns ein heller Spiegel gegeben. Jesu Liebe, daran erkennen und lernen wir, was Liebe heißt, wie sie Alles hingibt, wie sie für den Andern leidet und duldet, und sich opfert ohne Klage, mit Freudigkeit. Denn „Liebe und Beiden lässt nimmer sich scheiden“. Wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen, sagt der Apostel; und doch wird vielleicht niemals unsre Liebe auf diese höchste Probe gestellt. Aber wozu wir jeden Tag tausendfach Gelegenheit haben, das ist, im gewöhnlichen Zusammenleben mit den Nächsten uns selbst hinzugeben, unsern Willen, unsre Neigung und Meinung, dem Andern zu lieb und um des Friedens willen. Haben wir das nun gestern getan? War es uns nicht zu schwer, uns selbst Etwas zu versagen, damit es der Andre hätte? Wollen wir heute lieber nachgeben, als streiten? Wollen wir heute des Andern Fehler und kleine Kränkungen mit Geduld ertragen? Wollen wir heute lieber den Eigenheiten des Andern uns fügen und lieber schweigen, als dass wir Streit und Verdruss erregen? Wollen wir heute hie und da unsre Bequemlichkeit drangeben, um bem Andern zu dienen? - Herr, mache du uns willig und stark, zu lieben, nicht mit Worten oder mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit. Zerstöre in uns Hass und Neid, Stolz und Zwietracht, und wo immer heute deine Stimme uns ruft, da hilf uns, nicht das Unsre zu suchen; da hilf uns, zu lieben, wie du uns geliebt hast. Amen. (Adolf Clemen)