1. Korinther 15,9
Andachten
Ich (Paulus) bin der Geringste unter den Aposteln, weil ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, darum, dass ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber von Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle, nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
An der Weise, wie Paulus sein Leben betrachtet, will ich lernen, wozu ich die Vergebung der Sünden empfangen habe und was sie als ihre Frucht in uns wirken soll. Paulus konnte jene Stunde, in der sich ihm Jesus zeigte, nur mit einem einzigen Vorgang vergleichen, nur in der Weise, wie der Auferstandene in den Ostertagen seine Gemeinschaft mit seinen ersten Jüngern erneuert hat. Er sagt darum von dem, was Jesus ihm damals gab, es habe ihn in die Reihe der Apostel gestellt. Aber nun prägt er seinen Gemeinden ein, er sei nicht etwa nur der letzte, sondern auch der geringste unter den Aposteln und denke nicht daran, sich neben oder gar über Jakobus und Petrus und Johannes zu stellen. Er wäre nicht Apostel, sähe er nicht in der Weise, wie Jesus an ihm handelte, die Herrlichkeit des völligen Vergebens, durch das das Alte vergangen ist. Das ermächtigt ihn aber nicht, seinen Fall zu vergessen. Dieser bleibt ihm gegenwärtig und zeigt ihm beständig, wie groß die ihm erwiesene Gnade war. Er hat aber auch erfahren, wie Gottes Gnade unsere Sünde in ihr Wirken aufnimmt und aus ihr einen Segen macht. Wie Jesus gesagt hat, dass der viel liebe, dem viel vergeben sei, so hat auch Paulus durch seinen Fall die große Liebe empfangen, die stets zur Arbeit bereit war, vor keiner Entbehrung zurückwich und jeden Dienst freudig übernahm. Nicht seinen Erfolg verglich er mit dem, was die anderen erreichten; denn der Erfolg ist nicht allein von unserem Verhalten abhängig; dagegen heißt er die Anstrengung und Belastung, die er auf sich nahm, größer als die, die die anderen anfassten. Aber alle Eitelkeit und Selbsterhöhung bleibt ihm fern und er löscht jeden derartigen Gedanken sofort aus. Denn seine Liebe, die keine Arbeit scheut, ist Gottes gnädiges Geschenk. So spricht und handelt ein Mensch dann, wenn er Gottes Vergebung hat.
Du, großer Gott, verwandelst in Deiner Gnade unseren Fall in Heil und unsere Not in Kraft. Schenke mir den klaren Blick in unsere Not, in meine eigene und in die unseres Volks, damit aus der Erkenntnis unserer Sünden die Liebe hervorwachse, die wache, sehende, unermüdliche, die gerne dient. Amen. (Adolf Schlatter)
Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, als der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, darum, dass ich die Gemeine Gottes verfolgt habe. Aber von Gottes Gnade bin ich, das ich bin, und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet, denn sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
Die ersten Taten in uns und an uns tut der heilige Geist allein. Er beruft und erleuchtet uns. Unser eigener Teil an den hochheiligen Anfängen besteht darin, dass wir ihm nicht widerstreben, dass wir ihn gewähren lassen. Hat er sich aber erst eine Herberge in deinem Herzen errungen, hat er Christum in dir wohnen gemacht, ist der neue Mensch in dir zum Leben gekommen, dann wird es anders. Du sollst mit arbeiten, du sollst mit dem anvertrauten Pfund wuchern. Von Natur ist der Mensch wie ein armer Bettler, welcher nichts hat und auch nichts erwerben kann. Da schenkt ihm denn ein reicher Herr in die leere aber offene Hand ein schönes Kapital, dass er damit wuchere. Er ist nun im Stande, mit dem einen Pfund zehn Pfund zu erwerben. Aus dem geschenkten Glauben kann der Christ wachsen im Glauben. Mit den Anfängen der Erkenntnis, die oft wie ein Blizz in seine Seele fallen, kann er wachsen in der Erkenntnis seines Herrn Jesu Christi. Aus der Liebe, mit der Christus ihn geliebt, und die als himmlischer Funke in seiner Seele gezündet hat, kann und soll er sich üben in der Liebe. Er kann und soll brünstiger werden in der Liebe zum Herrn und zu den Brüdern. Aus Glauben und Liebe kann und soll er reich werden an guten Werken.
Dazu ermahnt die Schrift ohne Unterlass, mit solchen Ermahnungen schließt Paulus fast alle seine Briefe. Rechte Christen sind auch in der Tat stets fruchtbar gewesen an guten Werken. Und wenn du es auch bist, sind das denn deine Werke, oder sind es die Werke Christi in dir? Gehört die Ehre dir, oder gehört sie dem Herrn? Paulus sagt: „Nicht ich habe gearbeitet, sondern die Gnade Gottes, die in mir ist. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Und der das neue Leben in dir ist, der schafft auch die guten Werke. Ein Gärtner seht auf einen wilden Stamm ein edles Reis. Das Reis wächst an, wird groß und der Baum trägt edle Früchte. Es ist wahr, dass die Kräfte und Säfte des alten Stammes mit arbeiten, dass aber der Baum nun edle Früchte trägt, das ist nicht ihr Verdienst. Die alten wilden Säfte werden veredelt in dem neuen Reise. Sobald das Reis abgebrochen wird, trägt der Stamm wieder seine wilden, herben Früchte. Er kann nicht anders; ein arger Baum kann nicht gute Früchte bringen. Die edle Frucht gehört dem neuen Reise an. So ist es auch in dir. Was dein Leben von guten, Gott wohlgefälligen Werken aufzuweisen hat, das entstammt dem edlen Reise aus der Wurzel Jesse, welches die Gnade auf den wilden Stamm gesetzt hat. Das halte ja fest. In dieser Wahrheit und Demut lass dich nicht stören. Wohl redet dir dein alter Mensch oft vor, du habest dies oder das Gute getan, und dir gebühre die Ehre. Weise ihn zur Ruhe. Gehe hart mit ihm um. Kannst ihm auch sagen: „Hebe dich weg von mir, Satan!“ Wohl fangen andere an, dich zu loben und zu rühmen. Wenn sie es tun, denke an jenen Bischof der Brüdergemeinde, der in Amerika unter Christen und Heiden mit großer Treue gearbeitet hatte. Er kam wieder, und man feierte in der Kirche einen Dankgottesdienst, in welchem ihm viel Ehre gegeben ward. Als der Geistliche ausgeredet hatte, stand er auf, winkte der Gemeinde und rief: „Wir singen den Vers: Schau her, hier steh' ich Armer, Der Zorn verdient hat; Gib mir, o mein Erbarmer, Den Anblick deiner Gnad'.“
Sobald du deine guten Werke dir selbst zuschreibst, dir die Ehre nimmst und sie dir von Menschen geben lässt, werden diese Werke verderben. Gift und Essig fließen in die Milch. Du rüttelst an dem Reise, das die Gnade auf den alten Stamm gesetzt hat. Die Säfte des alten Stammes fangen an hervorzubrechen. Die Hoffart geht voran, sie bricht zuerst durch, und die andern Sünden folgen bald nach. Darum lasst uns mit Paulus dabei bleiben: Es ist alle Gnade, Gnade deine Erlösung, Gnade dein neues Leben, Gnade jedes Werk des Glaubens und der Liebe. Ohne Christum können wir nichts tun. Von Gottes Gnaden sind wir, das wir sind. (Friedrich Ahlfeld)