Römer 6,22
Andachten
“Nun habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet.“
Unser Charakter, unser inneres Werden, gilt vor dem Herrn viel mehr als unser Tun und Arbeiten. Ist das Innere erst zu einer bestimmten Höhe und Reife gekommen, dann wird das Tun als reife Frucht von selbst kommen. In unserem Text ist sogar das Heiligwerden als Frucht hingestellt. Frucht ist die Folge einer gesunden natürlichen Entwicklung des guten Samens, wenn keine besonderen Hemmungen und Hindernisse diese Entwicklung stören. Hat Jesus sein gutes Werk in uns begonnen, so zielt solches Werk aufs Fruchttragen - auf die Heiligung jetzt und die Heiligkeit in jenem Leben. Die erfahrene Vergebung der Sünden zielt auf das völlige Geschiedenwerden von der Sünde hin; der erfahrene Frieden auf den vollen Frieden der Seligkeit; die erfahrene Freude auf die Vollkommenheit der Freude. Wollen wir mit uns selbst Geduld haben und den jungen Baum nicht verdammen, wenn seine Früchte noch nicht so groß und so süß sind, wie sie sein werden, wenn die Sonne der Ewigkeit sie reift. Ihre Art erkennt man doch. Beim Ungläubigen wird die Frucht seines Lebens böser und bitterer mit den Jahren; bei uns umgekehrt.
Herr Jesu, du verlangst jetzt nicht mehr als möglich ist im Schattenlande des Stückwerks, und doch soll man deine Veredlungsarbeit aus unseren Früchten erkennen. Da bitten wir dich, hilf uns, segne unser Wachsen und Werden um deinetwillen. Amen. (Samuel Keller)
Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben. Denn der Tod ist der Sünden Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn.
Ein Zahltag wartet beider, sowohl derer, welche der Ungerechtigkeit, als derer, welche der Gerechtigkeit dienen, und je nachdem, was man an diesem Zahltag zu gewärtigen hat, je nachdem ist der Dienst ein seliger oder ein unseliger.
Den einen wird ein Sold ausgezahlt, das ist, ein ihnen von Rechts wegen gebührender Lohn, den sie sich verdient haben, und dieser Sold ist der Tod. Diesen Sold zu erwarten, diesen Lohn vor Augen, den Zahltag heranrücken zu sehen, einstweilen in allerlei Angst, in Furcht des Gewissens und zunehmender Hinfälligkeit des Leibes einen Vorschmack dieses Soldes zu haben, das ist kein seliger Zustand. Wenn es einen jammervollen Anblick geben kann, so ist's der Anblick eines Menschen, der ein Knecht der Sünde, ein Verächter des Heils ist, der ein Sündenleben hinter sich hat, und vor sich keine Hoffnung, sondern den Tod, den zeitlichen Tod und dann den ewigen Tod.
Den andern wird nicht ein Sold, sondern eine Gabe gegeben, nicht ein selbstverdienter Lohn, sondern eine Gnadengabe, die nicht sie sich verdient haben, sondern die ein anderer ihnen verdient hat: die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu unserm Herrn. Wie treu sie auch gewesen sein mögen im Dienste Gottes, wie viel Frucht sie auch geschafft haben mögen, an der ihr Herr ein Wohlgefallen gehabt, sie haben nicht auf Lohn gedient, sondern aus freier Liebe zu dem, aus dessen Hand sie bereits die Gabe empfangen, welche ist das ewige Leben. Und dies Erbe und diese ihre Beilage wird ihnen aufbewahrt; sie bleibt ihnen aufgehoben in den Händen des himmlischen Vaters. Wie unvollkommen, wie mangelhaft auch ihr Verdienst gewesen, wie gering und klein sie davon denken müssen - doch war es ein Dienst Gottes, und so gehören sie nicht mehr ins Reich der Finsternis, sondern ins Reich des Lichts, und da ist von keinem Tode mehr die Rede, sondern vom Leben und zwar vom ewigen Leben. Solcher Gabe entgegenzusehen, Friede und Freude wachsen zu sehen, je mehr es auf den Schluss des irdischen Daseins zu geht, bei immer wachsender Schwachheit des Geistes, in der zunehmenden Kraftlosigkeit des Körpers doch nur immer deutlicher die Kräfte der zukünftigen Welt zu spüren - das ist ein seliger Zustand.
Ja, man erfährt, was das ewige Leben sei, nicht erst nach dem Tode; man erfährt es schon jetzt. Und wer es hier nicht erfahren hat, wird's dort nimmer erfahren. Obwohl wir zum vollen Strom erst dort gelangen, sind uns die Tropfen davon doch hier schon gegönnt, und sie reichen hin, um in aller Bitterkeit des Lebens doch noch eine Süßigkeit zu schmecken. So lasst uns wohl bedenken, was zu unserm Frieden dient; lasst uns der Ungerechtigkeit den Dienst sündigen und lasst uns nicht vergessen, dass der Heiland das Joch der Sünde gebrochen hat; dass wir nicht länger ihr zu dienen brauchen, als wir selber ihre Knechte sein wollen; dass, sobald wir seine Hand im Glauben ergreifen, unsere Erlösung gewiss und wahrhaftig geschehen ist, und dass wir, wenn wir ihm zu dienen bereit sind, einen seligen Dienst haben werden nach dem Worte der Verheißung: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Caspari.)