Römer 12,9
Andachten
Die Liebe sei nicht falsch. Hasst das Arge, hängt dem Guten an.
Da nennt der Apostel die heiligen Früchte, die wir in der Nachfolge Christi bringen sollen. Des Herrn Wort und Vorbild soll uns zur Treue im Beruf erwecken. Halte deine Hände rein von den Sünden, die deine Mitarbeiter und Genossen in derselben Arbeit für erlaubt halten. So folge Jesu nach in deinem Beruf. Und in der Bruderliebe ohne Falsch! Lass die barmherzige Liebe deine Augen öffnen, und du wirst nicht träge fragen, was du tun sollst. Blick zum Herrn auf. Was du einem seiner geringsten Brüder tust, das will er ansehen, als ihm getan. Wer einen der Seinen aufnimmt, der nimmt ihn auf. Wie er seine Feinde gesegnet hat, so sollst auch du segnen und nicht fluchen. Wie er sich selbst erniedrigte und sich zu uns armen Sündern herniederneigte, so sollen auch wir Demut üben, und gern zu den Niedrigen uns halten. Über dem Allen aber haltet an am Gebet. Was euch mangele, sucht es nur bei dem Herrn. Erhört er euch nicht gleich, betet nur ernstlicher und inbrünstiger. Er wird zuletzt erhören. Er gibt immer. Er gibt Kraft, seinen Willen zu erfüllen, seine Wege zu gehen, geduldig zu sein in Trübsal, fröhlich in Hoffnung. O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell aller Gaben, erfülle uns mit den Gaben deines Geistes, dass wir treu unsers Amtes warten, und in barmherziger, freundlicher Liebe dem. Heiland nachfolgen, wie er uns zuerst geliebt hat. Amen. (Adolf Clemen)
“Die Liebe sei nicht erheuchelt“
Wenn ein Wort des christlichen Wortschatzes imstande ist, blitzschnell eine Bußstimmung in mir auszulösen, so ist es „Liebe“. Wie viel erleben wir vom Herrn, wie wenig klingt davon unser Umgang mit andern wider! Darüber ist Freund und Feind einig, dass der Hauptbeweis des neuen Lebens Liebe sein müsse, und wenn sie nicht da ist, fühlt man sich versucht, sie wenigstens vor andern zu markieren oder wenigstens mit dem wenigen, was man davon hat, eine möglichst günstige Schaufensterauslage herzustellen. Wie dünn wird das Metall, wenn man eine sehr große Fläche mit einem kleinen Klumpen Gold überziehen will! Man lebt gleichsam über seine Verhältnisse, indem man wenig hat und doch nach außen den großen Christen spielen will, bei dem ein Überfluss an Liebe vorhanden ist. Daher ist die Warnung des Apostels nicht unberechtigt und trifft auch mich. War meine Liebe gegen andere wirklich echt, dass sie das Arge, was jene an sich hatten, hasste und ihre guten Seiten unerschütterlich festhielt? War sie wirklich ein starker Trieb, ihren Seelen voranzuhelfen, dass sie ihr Ziel erreichten oder wenigstens wuchsen an Nähe zum Heiland?
Herr Jesu, du bist der Born der echten großen Liebe! Vergib mir, dass ich dir so wenig ähnlich war und hilf mir, mehr Liebe nehmen, damit ich sie umsetzen kann in Wort und Wesen und du darüber Lob und Ehre erlangest, der so viel Liebe den Menschen gibt. Amen. (Samuel Keller)
Die Liebe sei nicht falsch. Hasst das Arge, hängt dem Guten an.
Der Apostel fordert eine ungefärbte, lautere, ungeheuchelte Liebe. Aber er meint keine Liebe, die alles liebt, kein Wohlwollen, das Gutes und Böses umfasst, keine Herzensoffenheit und Empfänglichkeit für jeden Einfluss, keine Liebe, die sich selbst aufhebt, indem sie keinen Unterschied macht, und die schnell unter Spott und Hohn dahinsterben muss, weil sie Himmel und Hölle, und die ewigen sittlichen Gegensätze aufheben und in sich versöhnen will. Daher ruft er nach seiner mächtigen Vermahnung zur Liebe: „Hasst das Arge, hängt dem Guten an.“ Mit zwei mächtigen Posaunenstößen verkündigt er so die gedoppelte Art der ungefälschten Liebe. Sie kann nicht anders, sie wendet sich mit kräftigem Widerwillen und unverhohlenem Hass vom Bösen und wirst sich dem Guten an den Hals. Um sich dem Guten zuzuwenden, wendet sie sich völlig vom Bösen ab; sie ist nicht ein Rohr im Winde, das sich rechts und links neigt, sondern ein Fels im Meere, der auch im Toben des Sturmes und bei immerwährendem Nahen und Anschlagen der Wasser den Stand nicht ändert, den er einnimmt. Es ist schon oft gesagt worden, dass keine Liebe ist, wo kein Hass ist, dass wir seit Anfang der Sünde in einer allgemeinen Spaltung aller Dinge leben, dass man immer zu unterscheiden genötigt ist, zu wachen und sich zu hüten, dass es nicht Fülle und Allseitigkeit der Liebe, sondern Halbheit und unselige Zerrissenheit einer unerneuten Seele ist, Welt und Christus, Welt und Kirche lieben zu wollen. Es gibt wohl eine Liebe, die auch die Welt liebt, aber sie ist wie die Liebe Gottes ein Feuer, darin das Böse ersterben und der alte Adam ausgefegt werden muss. Eine Liebe zur Welt, in welcher die Welt nicht stirbt und verneuet wird zu Gottes Bilde, ist verdammlich, und bringt den selber, der sie in sich trägt, um die Gnade Gottes und die Hoffnung des ewigen Lebens. Daher bleibt es bei dem apostolischen Wort: Hasst das Arge, hängt dem Guten an, und bei der Entschiedenheit der Liebe allein für eine Seite, nämlich für die des Herrn, dafür sprechen viele Stellen der heiligen Schrift, und in einer jeden Gemeinde macht man auch alle Tage die Erfahrung, wie gar kein Leben gedeiht ohne entschiedene Liebe zum Guten. Auch ihr habt Gelegenheit genug, es unter euch zu sehen. Warum haben so viele überhaupt keine Liebe? Weil sie keine entschiedene Liebe zum Guten haben, weil sie mit der Welt nicht gebrochen haben, noch brechen wollen, weil sie zusammenschweißen und vereinigen wollen, was ewig, ewig getrennt ist und sein muss, Gutes und Böses, Religion und Weltsinn, himmlisches Streben und irdische Begier. Daraus wird nichts als Unlauterkeit, Falschheit, Fall auf Fall, und endlich Abfall. Darum denke man ja nicht, dass sich die große Weitschaft der Liebe auch über die unversöhnlichen Gegensätze erstreckt. Die Liebe trägt, duldet und hofft alles bis zu einer gewissen Grenze, an der bleibt sie stehen und spricht mit Abraham: „Es ist zwischen uns und euch eine große Kluft befestigt, dass die da wollten von hinnen hinabfahren zu euch, könnten nicht, und auch nicht von dannen zu uns herüberfahren.“
Die Liebe leidet nicht Gesellen, Im Fall sie treu und redlich brennt; Zwei Sonnen mögen nicht erhellen Beisammen an dem Firmament. Wer Herren, die einander feind Bedienen will, ist keines Freund. Im Fall du Christum willst behalten, So halt ihn einig und allein; Die ganze Welt soll dir erkalten Und nichts als lauter Gräuel sein; Dein Fleisch muss sterben, eh' die Not Der Sterblichkeit dir bringt den Tod. (Wilhelm Löhe.)