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Johannes 18,37

Johannes 18,37

Andachten

Wer aus der Wahrheit ist, der hört Meine Stimme.

Habe Dank, Du treuer und wahrhaftiger Heiland, für das gute Bekenntnis, welches Du vor Pilatus abgelegt hast, nachdem Du die frechsten Anklagen Deiner Feinde so geduldig erlitten hattest! Wir bitten Dich, Du wollest uns, durch wahre Erkenntnis Deiner heiligen Person und Deines Königreiches, himmlischen Sinn und demütige Herzen schenken, damit wir in solcher Ordnung Deiner Nachfolge immer mehr überzeugt werden, dass wir Dir angehören und als solche, die hier mit Dir leiden, auch dort Miterben Deines Königreiches sein werden! Dazu wollest Du uns tüchtig machen durch Deinen heiligen Geist, und dazu auch diese jetzt betrachteten Wahrheiten uns von oben herab segnen, um Deiner Unschuld und Erbarmen willen! Amen. (Johann Jakob Rambach)


Jesus antwortete: Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.
Der Prozess Jesu auf Gabbatha zeigt uns einen Spiegel der ganzen Welt. Schauen wir den Pilatus an, der einen unschuldigen Mann, den er achtet und liebt, den Juden, die ihm so verhasst sind, wider besseres Wissen und Gewissen opfert, so lernen wir wichtige Wahrheiten. Wir sehen, dass die Menschen, die nicht das Gute unbedingt wollen und das Böse nicht unbedingt hassen, dass diese Schwankenden von Denen, die in der Sünde entschieden sind, unwiderbringlich mit fortgerissen werden. Wir sehen, dass Menschenrücksicht und Menschengefälligkeit mächtige Stricke sind, die zur Hölle herunterreißen. Wir sehen ferner, dass unsere alten Sünden, wenn wir nicht den Mut haben, sie zu erkennen und mit ihnen zu brechen, uns mit Naturnotwendigkeit zu neuen Sünden zwingen. Wir erkennen an dem Volk, das in fanatischer Besessenheit „kreuzige!“ ruft, wie wenig auf das „Hosianna“ und die Gunst der großen Menge zu geben ist; wir sehen an den Erfolgen der Hohenpriester, welch eine furchtbare Macht die Agitation ist; wir lernen gegenüber dem Gebrüll des Volkes, das Jesu Blut über sich herabruft, den Satz verachten: „Volkes Stimme ist Gottes Stimme“.

Aber lassen wir das Alles; hören wir die Stimme des Einen, der, ob auch in Banden, dennoch so still und groß wie ein König auf Gabbatha steht und, unbewegt durch das Wüten der tobenden Menge, unbesorgt um den Zorn seines Richters, die gewaltigen Worte redet: „Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“. Wahrlich, wer ein Ohr hat zu hören, dem tönen aus diesen einfachen Worten die rollenden Donner des Weltgerichts entgegen.

„Aus der Wahrheit sein“ was heißt denn das? Nun, wir verstehen Alle, was es heißt „aus Polen“ sein. Wer so spricht, der hat in Polen seine Eltern und Verwandten, Gesinnungsgenossen und Freunde, ja alle seine Lebenswurzeln. Die Luft, die da weht, ist ihm Lebensluft, und wenn er, ob auch mitten in der Fremde, die polnische Sprache hört, so wacht sein ganzes Herz auf und die entschwundene Heimat wird ihm lebendig. So gibt es auch ein Land der Wahrheit, das nicht von dieser Welt war, aber für diese Welt sein soll. Von Ursprung her gehörten alle Menschen dazu, und auch heute noch sind sie alle dazu berufen. Aber ach! durch die Sünde ist die Welt eine Welt der Lüge geworden. Bei den Königen auf dem Thron und bei den Buben auf der Gasse, unter den Diplomaten und Bauern, unter Weltweisen und Narren herrscht die Lüge, die Unwahrhaftigkeit, und darum ist auch die Erkenntnis der Wahrheit geschwunden. Tiefes Dunkel und Irrtum jeder Art lagert über der Menschheit. Über die höchsten Fragen: „Wer ist Gott? Wer bin ich selbst? Wozu bin ich bestimmt? Was ist der Zweck des Lebens? In welchem Verhältnis steht der Mensch Gott gegenüber? Gibt es ein Leben nach dem Erdenleben?“ - über solche Fragen haben die Einen gar keine Meinung, die Anderen aber haben sehr unsichere und unsinnige Meinungen, die sich einander widersprechen.

Unzählige haben sich des Nachdenkens über die Wahrheit ganz entschlagen. In Sinnengenuss und Weltlust, Freude und Sorge des Erdenlebens haben sie sich gänzlich vergraben. Sie möchten gar nicht, dass es eine Wahrheit und einen Richterstuhl der Wahrheit gebe. Diese sind also nicht aus der Wahrheit. Aber es gibt Andere, denen ist dies die höchste Trauer, dass sie die Wahrheit nicht kennen, und ihre tiefste Sehnsucht ist, die Wahrheit zu finden und zu umfangen. Sie gleichen den Harfenspielern, deren ganzes Verlangen ist, dass sie Gott den Herrn in süßen Liedern preisen möchten. Aber ach, die Saiten ihrer Harfe sind zersprungen und sie können keine neuen spannen. Sehnsuchtsvoll aber stehen sie da, in der Hand die zerstörte Harfe; mit einem Auge voll Tränen schauen sie aus nach Dem, der ihre Harfe wieder neu macht und neu stimmt. Verstehst du nun, was das heißt: „Selig sind die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden?“ - Verstehst du nun, was es heißt: „Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme „?

Die sind „aus der Wahrheit“, deren höchste Sehnsucht es ist, die Wahrheit zu erkennen, ja die um jeden Preis die Wahrheit wollen, möchte sie auch die härteste Zucht über das alte Leben, ja möchte sie auch den Tod der ganzen natürlichen Gesinnung fordern. Wer so wahrhaftig ist, „der ist aus der Wahrheit“ und der wird in den vollen Besitz der Wahrheit gelangen. Wo denn? Bei mir, antwortet Jesus. Wann denn? Wenn Er „meine Stimme hört“.

Also nicht sagt Jesus: Wer aus der Wahrheit ist, der hat die Wahrheit schon; das Suchen nach Wahrheit ist schon die Wahrheit selbst. So sagen heute Unzählige, Leute im Gelehrtenmantel und Leute in der Bluse. Aber das ist eben so unsinnig, als wenn ich sagen wollte, die Sehnsucht nach einem Freund sei ein Freund. Nein, wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme, und dann hat er die Wahrheit und wächst hinein in die Wahrheit, denn mein Wort ist die Wahrheit, ja ich selbst bin die Wahrheit in Person; so spricht der Mann, der auf Gabbatha steht. Und so hat sich's erwiesen bei den Wahrhaftigen. Freudejauchzend riefen jene Wahrheitssucher, Petrus und Philippus, da sie die Stimme Jesu gehört hatten: „Wir haben gefunden.“ (Joh. 1,41.45) und schnell künden sie ihren Freunden die frohe Mär. „Wir haben gefunden!“ tönte es in den Tagen Jesu durch die Reihen der Wahrheitsfreunde. Der sterbende Räuber sogar neben dem sterbenden Jesus lispelt freudelächelnd: „Ich habe gefunden“. Und seit Jesus auf Erden lebte, lebte und litt, ist dieser freudige Klang auf Erden niemals erstorben und wohin auch die Stimme Jesu dringt, überall wachen Diejenigen, die aus der Wahrheit sind, auf wie aus einem Zauberschlaf und jubilieren: „Wir haben gefunden!“

Du auch, lieber Leser? Vielleicht schüttelt der Eine und Andere wehmütig das Haupt. So frage dich ernstlich, warum du noch nicht fandest? Bist du denn auch aus der Wahrheit? Willst du denn auch was opfern um der Wahrheit willen? Siehe doch, welchen Eifer, welche Opfer, wie viel Zeit, wie viel Kraft Leibes und der Seele die Männer daransetzen, die irgend ein großes Problem lösen, eine wichtige Erfindung machen oder eine unbekannte Flussquelle oder einen neuen Seeweg entdecken wollen. Hast du auch etwas von dem Eifer und von der Aufopferung jener Männer, du, der du die Wahrheit suchst? Bist du ganz bei der Sache und bist du bereit, dem König der Wahrheit dein altes Leben zu Füßen zu legen? Dass dir in seinen Worten und Gedanken, in seinem Tun und Leiden, noch Vieles dunkel ist, das ist kein Schade. Verarbeite nur erst treulich und einfältiglich, was dein Gewissen bewegt hat, und so gehe weiter und weiter, ob auch langsam, nur immer wahrhaftig. Und du wirst den Weg des Nikodemus gehen, der erst nur furchtsam, bei finsterer Nacht, zu Jesu kam. Aber doch war er aus der Wahrheit und ließ die Stimme Jesu in sich zur herrschenden Macht werden. Was ihm noch verborgen war, das ließ er stehen, aber er betete um Licht. Und siehe, in dem Kreuz Christi, in demselben Kreuz, das ihm erst Rätsel und Torheit war (Joh. 3,14), gerade darin ging ihm schließlich die volle Sonne der Wahrheit auf, und sein ganzes Herz wurde licht und frei und freudig. Er hatte nun den Grund gefunden, der seinen Anker ewig hält.

Ich kann's mit meinen Sinnen nicht erreichen, Womit doch dein Erbarmen zu vergleichen. Wie kann ich dir denn deine Liebestaten Im Werk erstatten?

Weil aber dies steht nicht in eig'nen Kräften, Dem Kreuze die Begierden anzuheften, So gieß mir deinen Geist, der mich regiere, Zum Guten führe. (Otto Funcke)

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