Johannes 18,22
Andachten
Als er aber solches redete, gab der Diener Einer, die dabei standen, Jesu einen Backenstreich, und sprach: Sollst du dem Hohenpriester also antworten? Jesus antwortete: Habe ich übel geredet, so beweise es, dass es böse sei; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?
Warum hier Christus nicht auch seinen andern Backen hingehalten habe? Allein eben aus diesem Verhalten Christi können wir den wahren Verstand seines Befehls Matth. 5,39 verstehen lernen. Man sieht nämlich, dass bei aller christlichen Sanftmut es auch eine christliche Würde gibt, die sich mit jener wohl verträgt. Es hieße einen Unverschämten zu neuen Unverschämtheiten aufmuntern, wenn man ihm nicht auch ein ernstes Wort sagte. Paulus und Silas schlüpfen nicht in der Stille aus dem Gefängnis, als die Hauptleute zu Philippi die beiden Zeugen Christi wieder ziehen lassen; Paulus sagt zu dem Kerkermeister: Sie haben uns ohne Recht und Urteil öffentlich gestäupt, die wir doch Römer sind, und in das Gefängnis geworfen, und sollten uns nun heimlich ausstoßen? Nicht also, sondern lasst sie selbst kommen, und uns hinausführen (Apgesch. 16,35-37). Auch der Christ darf Satisfaktion verlangen, damit die Sache seines Herrn nicht verunglimpft werde. Jener Befehl in der Bergpredigt will bloß so viel sagen: Ehe man sich selber eigentätiger Weise an seinem Beleidiger räche, soll man lieber bereit sein, wenn man des ordentlichen Schutzes der Obrigkeit nicht teilhaftig werden könne, noch ein größeres Unrecht über sich ergehen zu lassen. Der Backenstreich, den hier der Sohn Gottes erhält, auf seine gerechte Rede hin, büßt zugleich auch alles Sündhafte, das aus unserm ungerechten Mund und Herzen je geflossen ist. Die Sanftmut und Lindigkeit des Herrn, jenem rohen Gerichtsdiener gegenüber, hat uns aber ebenfalls die Kraft erworben, nicht wieder zu schelten, wenn wir gescholten werden, noch zu schmähen, wenn wir leiden, sondern es Dem anheim zu stellen, der da recht richtet. (Friedrich Lobstein)