Lukas 13,24
Andachten
Wer der Lehre des Herrn Jesu recht aufmerksam zuhörte, und den Unterschied merkte zwischen seiner und der Schriftgelehrten Lehre, dem musste es klar werden, wie wenig der Sinn und Wandel des großen Haufens mit dieser Himmelslehre übereinstimme, und wie groß die Gefahr für viele sei, verloren zu werden. Daher fragte ihn einst einer seiner Zuhörer: „Herr, meinst du, dass wenige selig werden?“ (Luk. 13,23.) Es war, als wollte er sagen: „Herr, ich sehe, dass nur wenige es sich den Ernst sein lassen, den du zur Seligkeit forderst, meidest du nun, dass nur diese, also nur wenige selig, die andern aber verloren werden?“ - Darauf sprach der Herr: „Ringt danach, dass ihr durch die enge Pforte eingehet; denn viele werden, das sage ich euch, danach trachten, wie sie hinein kommen, und werden's nicht tun können. Von dem an, wenn der Hausherr aufgestanden ist, und die Tür verschlossen hat, da werdet ihr dann anfangen draußen zu stehen, und an die Tür klopfen und sagen: Herr, Herr, tue uns auf. Und er wird antworten, und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht, wo ihr her seid. So werdet ihr dann anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf den Gassen hast du uns gelehrt. Und er wird sagen: Ich sage euch, ich kenne euch nicht, wo ihr her seid; weicht alle von mir, ihr Übeltäter.“ - So antwortet der Herr. Bewundere seine Weisheit, die immer nur das Eine, was Not ist, im Auge hat. Bewundere seine Vorsicht, die dem Aufrichtigen nicht den Mut niederschlägt, sondern ihm bei gehörigem Ernst das Durchkommen und Gelingen zeigt; aber auch der Falschheit steuert, die auf Andere blickend und Andere vorwendend, doch eigentlich sich selbst meint und nur darauf zielt, dass ihr selber die enge Pforte solle weiter gemacht werden. Bewundere aber auch seine Entschiedenheit, die der Wahrheit nichts vergibt, nichts aufs Ungewisse stellt, was einmal als gewiss dasteht, noch weniger, den Menschen zu gefallen, bald Ja, bald Nein in derselben Sache sagt. So ermahnt er dich, dass du zunächst für dich, auf die Errettung deiner Seele mit ganzem Ernst und Eifer um so mehr bedacht sein sollst, als auch unter denen, die nicht zu den Verächtern und Gleichgültigen gehören, viele aus Mangel an rechtem Ernst nicht zum Ziele kommen würden. Er verbirgt dir nicht, dass die Pforte enge sei. Aber so lange die Gnadenzeit währt, ist es doch nicht eine verschlossene, wenn schon enge, Pforte, durch die wir eingehen können, wenn wir nur ernstlich wollen. Aber offen bleibt die Pforte nicht immer. Einmal wird sie verschlossen, und wer früher aus Mangel an Ernst nicht hat eingehen wollen, der wird dann aus gerechtem Gericht nicht eingehen können. Da wird sich mancher verwundern, der seiner Meinung nach ein guter Christ gewesen ist, weil er am Tisch des Herrn gegessen und getrunken, und der Predigt seines Wortes zugehört habe, dass er draußen bleiben soll. - Darum lass ab vom Fragen und Zählen, ob und wie viele oder wie wenige selig werden; und frage vielmehr, wie du gesinnt sein und wandeln müssest, um dich zu denjenigen zählen zu können, die der Herr einst als die Gesegneten seines Vaters wird eingehen heißen in das Reich, das ihnen bereitet ist vom Anbeginn der Welt. (Carl Philipp Johann Spitta)
Ringt danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht.
Das Reich Gottes, welches man das Reich der Gnade zu nennen pflegt, hat eine enge Pforte, durch die man in dasselbe eingeht, innerhalb desselben aber ist ein schmaler Weg, auf welchem derjenige, der durch die Pforte durchgedrungen ist, in sein himmlisches Vaterland gehen muss. Der HErr Jesus hat nicht nur Matth. 7,13. gesagt: geht ein durch die enge Pforte, sondern auch Luk. 13,24.: ringet danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht. Ohne Zweifel fließt die Notwendigkeit zu ringen daher, dass die Pforte eng ist. Wenn nämlich der HErr Jesus einen Menschen bekehren will, so findet Er ihn als trotzig und verzagt, als leichtsinnig und ungläubig, als lüstern und furchtsam, und kurz zu sagen als einen Menschen, dessen ganze Natur verderbt ist. Wenn aber nun der HErr Christus einen solchen Menschen, wie Paulus Phil. 3,12. redet, mit Seiner göttlichen kraft ergreift, so ergreift Er ihn auf vielen Seiten. Er lässt ihn Seinen Zorn, doch mäßiglich, fühlen, Er lässt eine Furcht vor dem Tod und der Hölle in ihm entstehen, und dabei wirkt Er in ihm ein Verlangen nach der Gnade, und eine Hoffnung, sie zu erlangen. Er lässt ihn die große Gewalt empfinden, welche die Sünde über ihn habe, Er lässt ihn in den Abgrund seiner Seele Blicke tun, und entdeckt ihm, wie grundlos sein Verderben sei: daneben aber bringt Er ihm Verheißungen von der Erhörung des Gebets ins Angedenken, und treibt ihn zu anhaltenden und heftigen Seufzern und Gebeten. Er zeigt Sich ihm durchs Wort, am Kreuz, auf dem Thron der Herrlichkeit und auf dem Richterstuhl: Er lässt ihn auch unter den Menschen herumschauen, und da Beispiele zur Aufmunterung und zum Schrecken betrachten. Er lässt ihn Versuche machen, sich selber zu helfen, hernach aber fühlen, dass er dadurch nicht gebessert worden sei: Er lässt ihn aber auch zuweilen Trost empfinden, und eine Erhörung seines Gebets erfahren. Er lässt ihn Anfälle vom Satan leiden, und wendet diese zur rechten Zeit wieder ab. Er legt auch äußerliche Leiden auf ihn, und nimmt sie zur rechten Zeit wieder weg. Alle diese auf einander folgenden und zuweilen zusammenkommenden Erkenntnisse und Empfindungen bringen die Seele, die ohnehin noch ungeübt ist, und Vieles nicht recht beurteilen kann, ins Gedränge. Sie will ins Reich Gottes eingehen, und merket, dass die Pforte oder der Eingang eng sei. Weil sie aber doch durchdringen will, sintemal sie weiß, dass hinter ihr die Hölle und vor ihr der Himmel sei, und sie Hoffnung hat, dass es ihr gelingen werde, so gerät sie in ein Ringen, das ist, sie greift sich an, ihre Sehnsucht wird stark, sie betet heftig, klopft gleichsam mit Ungestüm an der Gnadentür an; sie macht viele teils geratende, teils missratende Versuche; sie enthält sich, wie es einem Ringenden zusteht (1 Kor. 9,25.), alles Dings, das sie an der Erreichung ihres Zwecks hindern könnte, bis sie ihren Zweck erreicht hat.
So erwecke und treibe denn der HErr Jesus einen Jeden, der’s nötig hat, zu einem Ringen, das Ihm wohlgefällt, und erfülle alsdann die Verheißung an ihm Ps. 20,2.3.5.: der HErr erhöre dich in der Not, der Name des Gottes Jakobs schütze dich. Er sende dir Hilfe vom Heiligtum und stärke dich aus Zion. Er gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alle deine Anschläge! (Magnus Friedrich Roos)