Markus 14,33
Andachten
Und er nahm zu sich Petrum, Jakobum und Johannem und fing an zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: meine Seele ist betrübt, bis an den Tod; enthaltet euch hier und wacht.
Wenn wir unseren Heiland in Gethsemane in seinem Kampf betrachten, so ist es uns, als hören wir den Ruf: ziehe deine Schuhe aus, denn hier ist heilig Land! Er, vor dem jetzt die Hölle zittert, beginnt zu zittern und zu zagen, umgeben von seinen ohnmächtigen Jüngern. Es war ein Zittern und Zagen unter Gericht und Angst. Der Herr steht unter dem Gericht an unserer Statt, und das Gericht in Gethsemane ist so schwer, dass er schon zitterte und sich ängstete, als es seiner Seele nahe trat. Wir können es uns ein wenig, aber doch nur ein klein wenig klar machen, vor was er zitterte und zagte, wenn wir hinzunehmen, was Lukas 22,44 steht: es kam, dass er mit dem Tode rang. Es kam eine satanische Todesmacht über ihn, so dass seine Kraft am Erlöschen war. Die Leidenswilligkeit hat den Herrn in Gethsemane nicht verlassen; es ist nicht das Sterben an und für sich, dem sein Zittern und Ringen gilt, sondern dem für seine heilige Seele furchtbaren Grauen vor der finstern, satanischen Todesmacht. Ältere Seelsorger, die schon viel mit Seelen zu tun hatten, die von satanischen Selbstmordsgedanken verfolgt wurden, bekommen einen Einblick in des Heilands Zittern und Zagen und Ringen mit dem Tod, den Andere nicht haben. Wir müssen Ernst machen mit dem Wort: er ist versucht worden allenthalben, wie wir, doch ohne Sünde, und darum kann er Mitleiden haben mit unserer Schwachheit Hebr. 4,15. Dort in Gethsemane hat der Heiland den ganzen Schrecken des Todes, der unter Todesfurcht seufzenden Menschheit tragen müssen; dort hat er unter dem Druck der satanischen Todesmacht es auch gelernt, der mitleidige Hohepriester der Millionen Seelen zu sein, die der Mörder von Anfang mit Selbstmordgedanken plagt und die seiner Fürbitte so sehr bedürfen. Auch ihnen reicht er nun die Hand und tröstet sie. Ich glaube nicht, dass der Heiland in Gethsemane mit Selbstmordgedanken geplagt wurde; aber er wurde von einer Todesmacht geplagt, die ihn erdrücken wollte. Er sollte aber nicht in einem Winkel in Gethsemane erdrückt werden, sondern am Kreuz sein Leben von sich selber lassen, und mit freiem Willen seinen Geist in seines Vaters Hände befehlen. Sein Glaube hat mit starkem Geschrei und Tränen für uns in Gethsemane gesiegt, und wir sind geborgen in seiner Hand, auch im letzten Stündlein. Sein Kampf und Sieg macht frei von des Todes Grauen.
Gelobt seist Du, Todesüberwinder, dass Du auch für mich gezittert und gezagt hast. Ich danke Dir für Deine Tränen, die Du für mich geweint, damit ich Lust haben könne abzuscheiden und bei Dir zu sein. Amen. (Elias Schrenk)
Und Jesus fing an zu zittern und zu zagen; und sprach zu seinen Jüngern: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; enthaltet euch hier, und wacht! Und ging ein wenig fürbas auf die Erde, und betete.
Wenn wir die Geschichte von Gethsemane lesen, so finden wir alle die Ausdrücke, die das tiefste, ja unendliche Wehe eines Menschenkindes ausdrücken können, zusammengehäuft. Was ist denn das, das unserem Herrn die stille Majestät, die ihn sonst nie verlässt, genommen hat? Was ist's, dass er so unruhig hin und her eilt, dann wieder auf dem Angesicht liegt und aus tiefster gepresster Brust aufschreit zum finsteren Himmel? Was ist's, dass Leib und Seele so erschüttert sind und dass Er, der sonst nie der Hilfe eines Menschen begehrte, jetzt seine Jünger so flehentlich bittet, mit ihm wach zu bleiben? - Ja, was ist's? Wer will's aussagen? Die verstehen gewiss nichts von dieser Geschichte, die bislang nur so leichtfüßig durch das Leben hindurchgetänzelt sind.
Noch weniger die, die von ihrer sittlichen Kraft, Tugend und Gerechtigkeit so einen hohen Begriff haben. Aber auch Diejenigen, die schon in die Abgründe und Tiefen des menschlichen Herzens hineingeschaut und erkannt haben, dass das Wort „Versöhnung“, „Sündentilgung“ die Frage aller Fragen des menschlichen Geschlechtes enthalte, auch sie werden sich nicht unterfangen zu sagen, dass sie diese Geschichte vollkommen begreifen.
„In der Triumphes Höhe
Wird einst am Throne klar,
Was hier des Mittlers Wehe
Am Abgrundsrande war.“
Im Allgemeinen kann man sagen: Jesus fühlt eben jetzt, wie das Gericht über die Sünde der Welt in jeder nur möglichen Gestalt auf ihn eindringt. Man sage nicht: „Aber das Alles hat Jesus ja seit Jahr und Tag gewusst und oftmals deutlich vorhergesagt“. Das ist die kalte Rede eines Menschen, der das wirkliche Leben nicht kennt. Ach, wenn ein treuliebendes Weib auch seit Jahr und Tag weiß, dass ihr Mann an einer unheilbaren Krankheit leidet, so wird doch der Tag entsetzlich sein, wenn das längst Erwartete nun wirklich kommt, wenn der Arzt erklärt: „Heute geht's zu Ende“. Und nun muss geschieden sein, der Faden muss abgerissen werden, und das arme Weib weiß: „In wenig Stunden bin ich eine Witwe“. Ja, wenn die Opferung nun wirklich muss ausgeführt werden, da gibt es, trotz alles Vorherwissens, noch einen Kampf, wie man ihn nicht ahnte.
Und doch, was sind die tiefsten Schmerzen irgend eines Vielgeprüften gegen das, was Jesus hier durchkämpft? Um von Anderem zunächst zu schweigen und mit dem Geheimnisvollsten anzufangen, so deutet Jesus grade hier im Ölgarten darauf hin, dass jetzt die Stunde und Macht der Finsternis sei. Jesus war, nach seiner eigenen Aussage, gekommen, um die Werke des Teufels zu zerstören. Nie endete in seinem Leben der Kampf mit dem Fürsten der Welt, bis Er ihm den Kopf zertreten hatte. In jeder Gestalt und unter jeder Maske nahte sich Satan dem Herrn Christo. Hier aber, in Gethsemane, gab's den Verzweiflungskampf, den Kampf um Sein oder Nichtsein des Finsternis-Reiches. Wer aber möchte sich vermessen, das auszudenken, mit welchen Mitteln der arge böse Feind Glauben und Gehorsam des Heiligen Menschensohnes zu erschüttern suchte? Kam das jähe Zusammenschrecken Jesu daher, dass Satan ihm die schauerlichsten Bilder seiner Martern vor die Seele zauberte? Oder hat der Arge ihn auf allerlei Weise an der Liebe und Weisheit des Gottes, der solch ein Opfer fordere, irre gemacht? Vielleicht ist das angstvolle Flehen Jesu: „dass, so es möglich wäre, der Kelch vorübergehe,“ aus solcher Anfechtung entsprungen. Oder hat Satan höhnend den Versöhner hingewiesen auf die Jünger, die, trotz aller Bitten Jesu, dennoch schliefen: „Sieh' da, die Perlen und Blüten des Menschengeschlechtes, dafür du dein Blut verspritzen willst?“ Nun, wir können's nicht ausbeuten, wie Satan mag Geist und Glauben, Herz und Sinn, Gefühl und Phantasie des heiligen Menschensohnes umgarnt und verzaubert haben. Aber das ist allezeit des Satans Werk, uns irre zu machen an Gott, uns irre zu machen an der Seligkeit seiner Wege, uns irre zu machen an unserem heiligsten Glauben, Lieben und Hoffen.
Vielleicht ärgert sich hier Mancher, dass vom Teufel und Finsternisreich die Rede ist. So etwas zu glauben, hält er längst für einen überwundenen Standpunkt. Aber hüte sich, dass du dich mit solchem Glauben oder vielmehr Unglauben nicht, ohne es zu merken, von dem Zeitgeist, der nicht nur vom persönlichen Teufel, sondern auch vom persönlichen Gott nichts wissen will, ins Schlepptau nehmen und von dem allgemeinen Welt- und Zeitungsschwatz mit hinreißen lassest. Es sollte sich doch bedenklich machen, dass dein Heiland von diesen Dingen mit so hohem heiligem Ernst und wahrlich nicht als von Phantastereien redet. Es mag ja sein, dass Mancher in den Himmel eingeht, der die Existenz des Teufels nicht glaubte. Aber noch eher möchte ich glauben, dass dir bei tieferer Erfahrung Stunden kommen werden, wo du Gott auf den Knien danken wirst, dass diese und jene lästerlichen Gedanken und grauenvollen Anfechtungen, dahinein du verfielst, nicht aus dem Boden deines Herzens gewachsen, sondern von einer fremden Macht in dir geweckt sind. Ja, auf allerlei Art wird dir's noch zum Trost werden, dass dein Heiland mit den Mächten der Finsternis gerungen hat. Spotte nicht, sondern schaue den ringenden Jesus an. Noch kommt erst die Nacht, da wird seine Finsternis dein Licht sein.
Mitten in der Höllen Angst
Unsre Sünd'n uns treiben,
Wo soll'n wir denn fliehen hin,
Dass wir mögen bleiben?
Zu dir, Herr Christ, alleine!
Vergossen ist dein teures Blut,
Das genug für uns Sünder tut.
Heiliger Herre Gott,
Heiliger starker Gott,
Lass uns nicht entfallen
Aus des rechten Glaubens Trost. (Otto Funcke)