Matthäus 27,19
Andachten
Und da Pilatus auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihn und ließ ihm sagen: habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; ich habe heute viel erlitten im Traum von seinetwegen.
Es gehört wesentlich zum Segen der Betrachtung der Leidensgeschichte des Herrn, dass in derselben so verschiedene Gestalten an uns vorbeiziehen, durch die uns Gott etwas zu sagen hat. Eine der wichtigsten Gestalten ist Pilatus. Während die Hohenpriester und Ältesten als die ehrgeizigen Todfeinde des Herrn vor uns stehen, deren Herzen kaum mehr eines besseren Eindrucks fähig waren, und Herodes ein in Sünde verkommener Mensch war, macht Pilatus uns den Eindruck eines Mannes, dem das Verhör des Herrn erst zur Entscheidung dienen muss. Für ihn war es Gnade Gottes, dass er Jesum in der Nähe sehen und hören durfte; er blieb auch nicht ohne Eindrücke von der Person und den Worten des Herrn. Diese Eindrücke sollten noch verstärkt werden durch sein Weib, die unter Gottes Leitung einen Traum hat, in dem sie beunruhigt wird über den Herrn; weshalb sie ihren Mann warnt, sein Gewissen nicht zu beflecken durch Ungerechtigkeit an dem Herrn. Aber - das Alles bringt Pilatus keinen Segen. Er kommt zu keinem inneren Sichaufraffen, zu keiner Entscheidung für die Wahrheit und Gerechtigkeit. Sein Gewissen redet für Jesum; aber er schwankt verlegen hin und her, zwischen der Gerechtigkeit und der Volksgunst, und schließlich siegt Letztere bei ihm, über die Gerechtigkeit und Wahrheit. Ohne Zweifel hatte dieser Mann schon viel gegen sein Gewissen gesündigt, und so den Sinn für Wahrheit in sich geschwächt. Dann lässt uns sein Schwanken und Markten gegenüber dem Geschrei ungerechter Menschen vermuten, dass er Blößen hatte in seiner Amtsführung dem Volk gegenüber, und darum nicht die sittliche Kraft, fest hinzustehen. Dieser schwankende und schließlich vor der Volksgunst sich beugende Mann hat dem Herrn gewiss viele Schmerzen gemacht, und er ist ja nur ein Repräsentant vieler verwandter Menschen, die immer hin und her schwanken und doch nicht zur Entscheidung kommen. Wie jämmerlich, wenn Gott sich einem Menschen so naht, und ihn noch würdigt, durch einen Traum gewarnt zu werden, und es bei ihm zu nichts weiter kommt, als „seine Hände zu waschen“, um sein böses Gewissen zu beschwichtigen. Versäume nicht die Gnadenzeit!
Herr gib mir ein zartes Gewissen, für all Dein Reden mit mir und bewahre mich, die Ehre bei Menschen nicht höher zu achten, als die Wahrheit. Amen. (Elias Schrenk)