Sprüche 11,2
Andachten
Wo Stolz ist, da ist auch Schmach; aber Weisheit ist bei den Demütigen.
Wie die Pflanze nach Luft und Licht lechzt, so lechzt der alte Adam nach Lob, Ehre, Ansehen, Beifall, Anerkennung. Wenn er von Gott auch in die tiefste Grube der Niedrigkeit hinabgestoßen ist, wo ihm nur von ferne her der matteste Schimmer von einem Irrlicht der Ehre bei Menschen wieder hereindämmert, gleich strebt auch die Hoffart von neuem danach empor. Es hat vielleicht einer zu dir einmal gesagt: Du passtest wohl hierzu, oder dafür hast du eine besondere Gabe!“ alsobald ist dir der Kopf von den absonderlichsten Plänen und herrlichsten Luftschlössern angefüllt. Ein Körnchen Weihrauch brauchte den Götzen nur ausgestreut zu werden, sofort waren die Christen ihre Diener und nicht mehr Jesu Jünger. Ein Körnchen des süß duftenden Weihrauchs nur braucht dem Götzen der Eitelkeit in uns geopfert zu werden, sofort sind wir in seiner Gewalt, und unser Geist ist gefährlich umnebelt. Und wenn wir nicht etwa reden wie Nebukadnezar: „Ich will in den Himmel steigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen!“ so fliegen wir doch wahrlich noch zu hoch, als dass Menschenflügel solchen Flug ertragen könnten. Belausche nur jeder sich selbst, wenn etwa eine Ehre, eine Anerkennung ihm zu teil wird. O wie tut das dem alten Menschen so wohl, wie wächst er davon so rasch! Ist doch schon mancher, der im Schatten und der Niedrigkeit still und gehorsam blieb, schwindlig geworden, als er auf eine nur recht mäßige Höhe gestellt wurde, wo ihm eine etwas verantwortungsvollere Arbeit anvertraut oder ein wenig Auszeichnung zu teil ward. Hat nicht ähnliches Josef erlebt, als er den bunten Rock erhielt, den Flitter, wie er Kindern zukommt? Wie erhob er sich sofort über seine Brüder, dass er in allen Stücken ihr Ankläger ward! Und als ihm nun sogar träumte, was für große Dinge Gott in der Zukunft für ihn bereitet hatte, wie brüstete er sich mit seinem, aber doch verletzendem Hochmut nicht nur gegen sie, sondern selbst gegen seine Eltern! Darum hat ihn Gott auch in den Schmelzofen geworfen. Es ist unglaublich, wie tief diese böse Wurzel des Hochmuts in uns sitzt. Wenn die Hitze der Anfechtung uns lange beschienen hat, meint wohl mancher, jegliche Faser der Eitelkeit sei in ihm verdorrt. Aber nur ein Tag, der dem Wachstum der schädlichen Wurzel günstig ist, und der Herzensacker ist wieder überwuchert mit dem Unkraut des Hochmuts. Merke: Demütig werden ist schwer; aber demütig bleiben doch viel hundertmal schwerer, und doch ohne die bleibende Demut können wir unsern Christenberuf nicht erfüllen. (Julius Disselhoff)