Psalm 147,1
Andachten
Die vier letzten Psalme im Psalmbuch bilden ein Ganzes, sie fangen alle an und schließen mit Halleluja, sie bewegen sich nur in einem freudigen Tone, ohne Hintergrund der Wehmut, sie verbinden alle das Lob Gottes aus der Natur mit dem Preise seiner Gnade gegen sein Volk, sie beziehen sich alle auf ein großes Israel widerfahrenes Heil. Das Volk ist damals aus der Zerstreuung gesammelt V. 2., Jerusalem wieder erbauet, befestigt und gegen alle feindliche Anläufe gesichert V. 13. 14. Es ist also ein Tempelpsalm, bald nachdem Israel aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt war und Jerusalem sich von neuem aus dem Staube erhoben hatte. Feurig und lieblich lobsingt er V. 1-6 Gottes Gnade, die an dem gebeugten Israel und seinen demütigen Verehrern sich als die Gnade des Allmächtigen offenbart, rühmt darauf V. 7-11 Gottes väterliche Güte auch gegen die verlassensten seiner Geschöpfe und wie Ihm gerade die Geringen unter den Menschen lieb sind, endlich tröstet er V. 12-20 das neu auferstehende Jerusalem mit dieses Gottes Beistand und erquickt sich an dem Gedanken, dass eben dieser allmächtige König sich dieses Volkes angenommen habe vor allen Völkern der Erde. – Nicht umsonst hat uns der h. Geist die Fürsorge und Regierung Gottes so oft vorhalten lassen, wie hier an den Sternen, Himmel, Wolken, Regen, Bergen, Vieh, Vögel, Schnee, Tau geschieht: wir sollen aus dem Allen den kräftigen Schluss machen, dass wir vielmehr Seiner allmächtigen, allweisen und getreuen Fürsorge und Regierung uns zu versehen haben. Mehr noch als Er die Sterne zählt und mit Namen nennt, zählt Er seiner Kinder Gedanken, Worte und Werke, ihren Eingang und Ausgang, ihre Seufzer und Tränen. Wie Er den Himmel mit Wolken bedeckt, so bedeckt Er auch zuweilen ihr Herz mit finstern Wolken des Kreuzes und der Traurigkeit, lässt aber doch das schmachtende Herz nicht ohne Erquickung. Wie Er für das Vieh und die Raben sorgt, so sorgt Er noch vielmehr für uns, die Er zum ewigen Leben berufen und erlöset hat. Wie Er durch einen warmen Wind Frost und Kälte ändert, so ändert Er auch gar leicht unser trostloses und kaltsinniges Herz durch seinen heiligen Geist, wärmt und erquickt es. Ach ja, stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe auch durch meinen Herzensgarten, dass seine Würze triefen. Amen. (Friedrich Arndt)
Psalm 147,1.
„Lobet den HErrn! Denn unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding; solch Loben ist lieblich und schön.“
Also loben ist köstlich, loben ist lieblich und schön - ist besser als klagen und trotzen und jammernd den Kopf hängen! Hören wir's recht! Loben ist besser; es kommt mehr beim Loben heraus, als wenn man murrt und verdrossen ist. Lieblich und schön und wahrlich köstlich ist's namentlich bei denen, die man sonst nicht gerade im besten Glück sieht und bei denen man den Eindruck hat, sie hätten viel Ursache, traurig und bekümmert zu sein. Wie ergreifend, sie dennoch loben zu sehen!
Kann man denn immer loben?, so fragt eines. Dass man's doch immer zuerst mit den Verdrossenen zu tun haben muss! Nun, es gibt Dinge, die traurig, betrübt und unglücklich machen, da es Tränen kostet und Herzklopfen, Angst und Beklemmung gibt. Geben wir aber einmal acht, wie oft die Trauernden drunterhinein ein Gottlob! aussprechen in Erwägung oder Wahrnehmung eines Umstandes, der erfreulich ist! Das sollte uns nachdenklich machen, wie immer mitten in die Trübsal etwas hineinfällt zum Loben!
Wenn wir denn also nicht sagen wollen - wie es auch der Spruch nicht so meint -, dass man nie weinen, nie betrübt und bekümmert sein dürfe, so wollen wir doch lernen, die kleinen Zwischendinge, an welchen etwas von Gottes Nahesein zu erkennen ist, besser zu beachten. Das unwillkürliche, halb gedankenlose Gottlob! oder Gott sei Dank!, das uns entschlüpft, muss nicht alles sein; sondern wir müssen uns eben in das hinein versenken, was den Ausruf auspresst. Das ist immer etwas, an dem wir einen Halt bekommen und uns aufrichten können. Mitunter ist das so viel, dass es, wenn wir's recht erfasst haben, gerade den Schwerpunkt der Bekümmernis wegnimmt. Wenn es denn so geht, so ist die zufriedene Stimmung schon ein Loben und köstlich, lieblich und schön, erquicklich für alle, die es sehen und hören, wenn sie etwa daherkommen, um Teilnahme zu bezeigen. Wie kann man da so gesegnet beieinandersitzen! Aber welch ein Herzweh kann man bekommen, wenn man jemand rein gar nichts als klagen und jammern und sich trostlos gebärden sieht - selbst wenn offenbar ist, dass Ursachen da wären, den Schmerz zu mäßigen! Da ist's nicht köstlich, sondern armselig; da ist's nicht lieblich und schön, sondern peinigend und hässlich!
Aber sehen wir von der Frage der Verdrossenen ab und denken wir bei dem Spruch nicht gerade an die Traurigen und Unglücklichen: ob die auch noch loben könnten! Lass ihnen das Weinen! Aber du, wenn dir's gut geht und du Ursache hast, fröhlich zu sein, du, dem Gott eine Gnade, eine Hilfe und Errettung oder auch Glück und Segen hat zukommen lassen: wie, mein Lieber, was tust denn du? Nicht wahr, gar oft lässt du's eben so hingehen, wie wenn sich's so von selbst verstünde oder gar, wie wenn's des lieben Gottes Schuldigkeit wäre, dass Er dir's wohl gehen lasse! Wo man diese kühle und undankbare Art sieht, da ist's auch nicht köstlich und nicht lieblich und nicht schön! Tut sich gar dabei an dir noch ein herrischer und harter Sinn gegen andre kund, so möchte man von dir weglaufen und ob dir seufzen! Lerne doch, du Menschenkind, nur wenigstens Gott loben, wo Gott an dir handgreiflich zu loben ist!
Wer's tun kann, wer's vor jedermann unumwunden aussprechen kann mit freudiger Herzensbewegung, wie sehr er Gott lobe und Ihm danke für alles Gute, das Er gibt und erfahren lässt - wer so seinen gnädigen und gütigen Gott gleichsam jedermann repräsentiert und vor Augen stellt: der tut vielen wohl. Wer's hört, muss sagen: „Es ist doch köstlich, wie der oder die so dankbar ist, es ist lieblich und schön, es erquickt durch und durch, dass man sein eigen Kreuz darob vergisst und sich mitfreuen muss!“ Kommt's denn noch zu gemeinschaftlichen Lobgesängen, so singen alle gerne mit aus Herzensgrund. Und wie köstlich, wie schön und lieblich ist dann solch Loben! (Christoph Blumhardt)