Psalm 106,1
Andachten
Der Herr ist freundlich und seine Gnade währet ewiglich.
Gnade! o du beseligendes Wort! wer dich versteht, der hat schon den Himmel in sich. Doch wer nur das Wort hat, und nicht die Sache, die Gnade selbst, der hat wenig oder nichts; ja, es wäre besser, er hätte gar nichts, er kennte auch das Wort nicht. Die Gnade ist uns nicht gegeben, dass wir mit dem Worte spielen, sondern dass wir wirklich in der Gnade leben, und die Gnade oder den gnädigen, barmherzigen, lebendigen Gott und Heiland in uns leben lassen. Sage mir: Verstehst du, was dies heiße? Hast du die Gnade des lebendigen Gottes an deinem Herzen erfahren? - O so bewahre, benutze, gebrauche sie, damit sie dir nicht entzogen werde. Denn ungebraucht schwindet sie. Wenn du aber in ihr lebst und sie gebrauchest, vermehret sie sich und wächst. Sei aber demütig dabei, und vergiss nicht, dass sie umsonst gegeben ist; lass Gnade Gnade bleiben, und mache kein Verdienst daraus, aber auch kein Polster der Trägheit, um darauf einzuschlafen. Sie muss dich munter, wachsam, tätig und lebendig in Christo machen und erhalten. Die Gnade währest ewiglich - verkürze sie dir nicht. Die Gnade waltet himmelhoch, in solcher Fülle, als alle Himmel nicht fassen mögen, über uns, also wohl reichlich genug, dass wir alles, alle Tage, durch sie vermögen, und nicht schläfrig und träge sein dürfen. (Johannes Evangelista Gossner)
Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewig. Wer kann die großen Taten des Herrn ausreden, und alle seine löblichen Werke preisen!
Denke einmal an alle die Segnungen und Wohltaten deines Gottes, die du erfahren! Du darfst nur dein Leben und deine Lebenswege von den Jahren deiner Kindheit an bis zu dem heutigen Tage betrachten. Du darfst nur dein Haus, dein Amt, deinen Beruf darauf ansehen. Überall wirst du die Wohltaten und Segnungen deines Gottes erblicken. Jedes Jahr, jede Woche, jeder Tag, ja jede Stunde deines Lebens ist voll davon. Wie der Himmel voller Sterne, wie der Garten voller Blumen ist, so leuchten an deinem Lebenshimmel die Wohltaten, so blühen und duften in deinem Lebensgarten die Segnungen deines Gottes. Und das alles ohne unser Verdienst und Würdigkeit, aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit! Was haben wir ihm denn zuvor gegeben und getan? Nichts, gar nichts. Wir müssen uns beugen vor seiner Gnade, wir müssen dankbar unsere Hände kalten und zu unserer Seele sprechen: Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, Der dich auf Adelers Fittigen sicher geführt, Der dich erhält, Wie es dir selber gefällt; Hast du nicht solches verspüret? Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet, Der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet; Denke daran, Was der Allmächtige kann, Der dir mit Liebe begegnet!
Es kommen freilich Stunden und Tage in unserem Leben, wo das Loben und Danken uns ziemlich schwer fällt. Hier drückt uns Mangel und Armut, dort plagt uns eine schwere und schmerzliche Krankheit. Hier machen wir bittere Erfahrungen; dort seufzen wir über Krieg und Trübsal. Aber haben wir auch in solchen Stunden und in solcher Not keine Ursache, dem Herrn zu danken? Haben wir kein Gedächtnis für die Vergangenheit und keine Hoffnung für die Zukunft? Haben wir keinen Trost und keine Freude für die Gegenwart? Du bist arm, aber du bist vielleicht gesund. Du kannst auch an deinem kärglichen Tische sprechen: Gott Lob, dass wir's haben; Gott Lob, dass wir's mögen. Du bist krank, aber du erfährst so treue Liebe und Pflege, dass du dafür wohl danken müsstest. Du seufzest unter dem Kreuz und in der Trübsal. Aber sie haben ihren reichen Segen, wenn du es nur erkennen willst. Wenn du nur an das Wort und an die Verheißung deines Gottes glaubst, du wirst Ursache genug finden, ihm zu danken und seinen Namen zu preisen. Und der fromme Dichter hat Recht, wenn er sagt:
Wenn du Gott wolltest Dank für jede Lust erst sagen, Du fändest gar nicht Zeit, noch über Weh zu klagen. (Friedrich Ziethe.)
Dankt dem HErrn; denn Er ist freundlich und Seine Güte währt ewig.
Hier haben wir das rechte Fundament und die Ursache, warum wir Gott danken sollen: 1. Von wegen Seiner Freundlichkeit. 2. Von wegen Seiner Gütigkeit, so ewig ist. Freundlichkeit leuchtet aus den Worten und Gebärden, Gütigkeit aber aus den Werken. Gott redet in Seinem Wort so freundlich mit uns, und hat Sich so holdselig abgebildet, dass kein Vater und Mutter ihr weinendes Kindlein liebreicher anreden kann. Bist du nicht Mein teurer Sohn und Mein trautes Kind? Darum bricht Mir Mein Herz, dass Ich Mich deiner erbarmen muss, spricht Gott: Jer. 31, 20. Was hat Er uns für große Liebeswerke und Gütigkeit erzeigt an Leib und Seele? Es soll Meine Lust sein, dass Ich ihnen Gutes tue, Jer. 32, 41. So gütig und liebreich ist Gott, dass Er Sich freut, wenn Er einen findet, der Seine Gütigkeit genießen möge. Das ist der Liebe Art. Ist doch die Erde voll Seiner Güte. Er lässt uns Feuer und Wasser, Erde und Luft dienen, Sonne und Mond; Er gibt gesunde Leiber und Glieder, und wenn wir nicht so blind und undankbar wären, so würden wir erkennen, dass ein jeder Mensch an seinem Leibe so viele Güter trüge, deren er keines für ein Kaisertum gäbe. Denn wer wollte seine Augen, Hände, Füße oder Vernunft geben für ein Kaisertum? (Johann Arnd)