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Psalm 1 - Predigten

Psalm 1 - Predigten

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 1.

Es ist von Anfang unter allen Völkern die Frage gewesen, was das höchste Gut, die Seligkeit des Menschen wäre; denn es ist natürlich, dass Jeder sich selbst gerne das höchste Gut und das Allerbeste wünscht. Die Weltweisen haben das höchste Gut, die Seligkeit gesucht im Reichtum, Ehre, Herrlichkeit und Wollust dieser Welt und sind schändlich betrogen worden. Denn dies Alles verschwindet am Ende wie Rauch und Schatten, und der Gottlose mit all seiner Ehre und seinem Reichtum ist wie Spreu, die der Wind zerstreut. Andere, da sie das gesehen, haben die Seligkeit nicht in vergänglichen Dingen suchen wollen, sondern in der Tugend, haben aber die rechte Tugend doch nicht verstanden noch aus ihren menschlichen Kräften erlangen können.

Was ist denn nun der Christen höchstes Gut und Seligkeit? Es ist Gott selbst und Gott allein und zwar darum, weil er alles Gute ist, dem nichts mangelt, und in diesem kann unser Herz mit vollem Genüge ruhen. Alle, welche dieses höchste Gut nicht haben, sind nicht selig, sondern unselig und müssen am Ende verzweifeln. Der aber ist recht selig, der dieses höchste Gut hat und mit seinem Herzen allein darauf ruht. Unser Psalm sagt uns nun, wie wir zu solcher Seligkeit kommen können. Zuerst wird uns gezeigt, was wir dabei vermeiden müssen; denn unser Herz ist immer zum Bösen geneigt. Wie man Kindern wegen ihrer angeborenen Unart dreimal verbieten muss, ehe sie zu einem Guten kommen, so verbietet uns hier der Heilige Geist dreimal das Böse: nicht wandeln, noch treten noch sitzen.

V. 1. Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen. Willst du das höchste Gut erlangen und ein seliger Mensch werden, so darfst du erstlich nicht wandeln im Rat der Gottlosen. Die Gottlosen sind solche Leute, die in ihrem Glauben und Leben nicht allein Gott und seinem heiligen Worte zuwider sind, sondern auch das gegen ratschlagen, wie sie das Wort dämpfen, unterdrücken, verfolgen und verfälschen wollen. Nicht umsonst gebraucht der Heilige Geist das Wort „wandeln“, d. h. Gemeinschaft haben mit den Feinden der Kirche, mit falschen Lehrern, Verächtern und Verfolgern des göttlichen Wortes. Er gebraucht nicht ohne Ursache das Wort „Rat“; denn gewöhnlich haben solche gottlosen Leute ihre besonderen Zusammenkünfte und Ratschläge, da sie heimlich hinschleichen und, wie der 10. Psalm (v. 2) sagt: sich aneinander hängen und böse Tücke erdenken. Der Rat der Gottlosen führt von Gott und seinem heiligen Worte ab, beides im Glauben wie im Leben. Das war z. B. böser Rat, da unsre ersten Eltern wandelten im Rat der Schlange und verließen Gottes Wort. Das war ein böser Rat, da Aaron sich bereden ließ und wandelte im Rat der Abgöttischen und machte ein golden Kalb. Ein böser Rat war es, da der weise Salomo seinen Weibern zu Gefallen den Götzen diente. So wandeln auch jetzt Viele in bösem Rat wider Gott und sein Wort um Gunst, Ehre, Gutes und Reichtums willen. Wer aber ein seliger Mensch sein will, darf das nicht tun.

Er darf aber auch zum zweiten nicht treten auf den Weg der Sünder. Das heißt vor Allem, er muss dem alten, fleischlichen, gottlosen Wesen und Leben absagen und das neue Leben, das aus Christo ist, nach Christi Beispiel an sich nehmen, sich selbst verleugnen lernen, sein eigen Leben hassen und absagen alle dem, das er hat, sonst kann er Christi Diener nicht sein. Darum heißt es: den Weg der Sünder. Denn welchen Weg alle Welt jetzt geht, das sieht man, nämlich den Weg der Augenlust, der Fleischeslust und des hoffärtigen Lebens. Das ist der breite Weg, der zum Verderben führt, und ihrer sind Viele, die darauf wandeln, sagt unser lieber HErr. Dann aber heißt auf den Weg der Sünden treten: öffentlich Frevel und Gewalt üben und den Rat der Gottlosen ausführen. Derlei Leute beschreibt der 10. Psalm mit den Worten: der Gottlose ist so stolz und zornig, dass er nach Niemanden fragt; in allen seinen Tücken hält er Gott für nichts. Er fährt fort mit seinem Tun immerdar, deine Gerichte sind ferne von ihm; er handelt trotzig mit allen seinen Feinden (V. 4. 5). Davor warnt uns die Weisheit Gottes, wenn sie spricht (Spr. 3,31.32.): eifre nicht einem Frevler nach, und erwähle seiner Wege keinen; denn der HErr hat ein Gräuel an dem Abtrünnigen, und sein Geheimnis ist bei den Frommen.

Wer ein seliger Mensch sein will, darf drittens nicht sitzen, da die Spötter sitzen. Wo man Gottes und seiner Wahrheit spottet, Christum und seine Gläubigen in ihrem Kreuz und ihrer Armut verachtet, verurteilt, verdammt und verspottet, da darf, wer ein seliger Mensch sein will, nicht sitzen, noch Christum und sein Wort verspotten und verfolgen helfen,

V. 2. Sondern hat Lust zum Gesetz des HErrn, fährt unser Psalm fort, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Gottes Wort ist in eines jeden frommen Menschen Herzen, dass es immer herauskommt, dass er damit zu Bette geht und wieder aufsteht. Und was man im Herzen hat, davon redet man stetig; denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Darum heißt es: und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Ach was ist es doch für eine große Gnade, wenn durch den heiligen Geist die Gottesfurcht eingepflanzt und ins Herz geschrieben ist! Es ist zwar allen Menschen, auch den Heiden, von Natur das Gesetz Gottes ins Herz geschrieben, in ihr Gewissen, dadurch sie unterscheiden können, was gut und böse ist, und was dein Herzen Freude oder Furcht bringt; aber selig werden sie davon nicht. Ein gläubiges Herz aber, das den heiligen Geist empfangen hat, empfindet das ewige, lebendige Gotteswort in sich, dadurch es bewegt, gestärkt, getröstet, erquickt und erfreut wird. Denn so oft man das Wort Gottes innerlich betrachtet, gibt es neue Freude, neues Licht, neues Leben und neue Kraft.

Nun prüfe dich, ob du auch unter die Zahl der Seligen gehörst, von welchen dieser Psalm redet. Bist du aller gottlosen Lehre und Leben feind, hast du Gottes Wort in deinem Herzen lieb, hast du Lust und Freude daran und ein heiliges Verlangen darnach, so hast du als ein seliger Mensch das höchste Gut in deinem Herzen, welches Gott selbst ist; denn Gott ist im Wort. Gottes Wort aber ist kein totes Wort, sondern lebendig und kräftig; dasselbe wird dich heiligen, stärken, trösten und segnen. Und so du etwa zweifeln wolltest, ob es denn wirklich um Gottes Wort eine so große Sache sei, so merke: gleichwie man des Weines stärkende und erquickende Kraft hauptsächlich in Tagen der Krankheit und leiblichen Schwachheit spürt, so die des göttlichen Wortes in Tagen der Trübsal und des Kreuzes. Da erfährt man, was für eine Lebenskraft das Wort Gottes hat, welch großer Schatz es ist, wie es die Seelen tröstet, erquickt und erfreut. So sagt der 119 Psalm (V. 92): wo dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend.

Wie viel für unser Christenleben darauf ankommt, ob wir zu den frommen seligen Menschen gehören, wie sie bisher beschrieben wurden oder nicht, das zeigen uns die weiteren Verse unsres Psalms:

V. 3. Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, das gerät wohl. Ein Palmbaum wächst zwar gerne am Wasser; und wo wachsen gläubige Herzen lieber denn bei den Brünnlein Israels, bei dem Worte Gottes und den heiligen Sakramenten? Denn wie ohne Regen und Wasser kein Baum grünen kann oder, wie Hiob sagt (14,9), ein Baum wächst und grünt vom Geruch des Wassers, so kann kein gottesfürchtiger Mensch geistlich leben und wachsen ohne Gottes Wort und Geist; denn da ist der Geruch des Lebens. Das ist uns auch vorgebildet durch das Gesicht des Propheten Hesekiel (47,1 f.), da er im Geist einen klaren Wasserstrom aus dem Heiligtum fließen sah; denn dieser Wasserstrom ist nichts anderes als Gottes Wort, der Heilige Geist und die heilige Taufe, und das Heiligtum ist Christus, unser lieber HErr, mit seinem heiligen Verdienst, Leiden und Sterben. Daraus entspringt das Wasser, das unsere Seelen erhält, erquickt und erfrischt, und darum spricht auch Hesekiel: es stehen daselbst Bäume, deren Blätter nicht verwelken, und deren Früchte nicht verfaulen, denn ihr Wasser fließt aus dem Heiligtum.

Ein solcher Baum aber bringt seine Früchte zu seiner Zeit. St. Paulus sagt: die Gottseligkeit sei zu allen Dingen nütze; darum bringt sie auch bei allen Dingen und in allen Ständen ihre Früchte. Im Hausstand z. B. bringt die Gottseligkeit treffliche Früchte als christliche Kindererziehung, Glauben und Vertrauen auf Gott, Liebe, Hoffnung, Friede, Geduld, Demut, Sanftmut u. dgl., und alle diese Früchte kommen zu seiner Zeit. Denn wie die Früchte der Erde ihre gewisse Zeit haben und ihre gewissen Monate, wenn sie reif werden, wie denn der liebe Gott so weislich das ganze Jahr mit seinem Gute gekrönt hat so kommen auch die Früchte der Gottesfurcht zu seiner Zeit. In Zeiten der Verfolgung kommen hervor und reifen die Früchte des Bekenntnisses, der Beständigkeit, der Geduld, des Glaubens; in Krankheit und Armut des Nächsten blüht die edle Blume der Barmherzigkeit und Milde. Der rechte ewig grünende Baum, unser HErr Jesus Christus brachte auch seine Früchte zu seiner Zeit: bei der Menschwerdung große Freude, wie der Engel sagte, Ehre Gottes, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen; zur Zeit seines Lehramts die herrlichen Früchte seines Evangeliums und seiner Wunderwerke zur Zeit seines Leidens die herrlichen Früchte der Versöhnung mit Gott, der Bezahlung unsrer Sünden und zur Zeit seiner Auferstehung Gerechtigkeit und Sieg über Tod, Teufel und Hölle. So bringt auch jeder Christ seine Früchte zu seiner Zeit.

Von einem solchen am Wasser gepflanzten Baum heißt es weiter: und seine Blätter verwelken nicht. Gleichwie ein Palmbaum auch mitten im Winter seine Blätter grün behält, so werden auch alle gottesfürchtigen Leute im Winter der Trübsal, des Elends und der Verfolgung an christlichen Tugenden nicht leer, sondern grünen und blühen auch unter dem Könige und behalten ihren geistlichen Schmuck, als Glaube, Liebe, Hoffnung, Geduld und Gebet; denn der Heilige Geist erhält sie. So sagt auch der 92. Psalm (v. 13-16): der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf Libanon. Die gepflanzt sind im Hause des HErrn, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen, und ob sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein, dass sie verkündigen, wie der HErr fromm ist, mein Hort, und kein Unrecht an ihm.

Und Alles, was er macht, gerät wohl. Demnach können sich alle gottesfürchtigen Herzen dessen getrösten, dass ihr Amt, Beruf, Geschäft, Handel und Wandel mit glücklichem Fortgang und gutem Gedeihen soll gesegnet werden. So lesen wir auch von Jakob, von Joseph, David und Daniel, dass Gott zu Allem, was sie angefangen, Glück gegeben habe. Und nicht allein alle Geschäfte haben einen glücklichen Ausgang, sondern auch Kreuz und Leiden. Denn wenn auch die Gottesfürchtigen meistens viel Unglück und Trübsal leiden müssen, dennoch müssen ihnen alle Dinge zum Besten dienen, auch die Trübsal; selbst der Tod muss zur Seligkeit gereichen. Recht wohl gedeiht aber Alles nur dann, wenn es zu Gottes Ehre, zur eigenen Seligkeit und dem Nächsten zu Nutz gereichet. Denn alle Arbeit ist vergeblich, die nicht aufs ewige Leben gerichtet ist.

Nach dieser Beschreibung der Gottesfürchtigen und ihres Glückes prophezeit nun der Heilige Geist den Gottlosen, wie es ihnen ergeben wird und droht ihnen erstlich einen kläglichen Ausgang:

V. 4. Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. Das können wir sehen, wie gering vor Gottes Augen die Gottlosen geachtet sind. Ob sie wohl vor der Welt großes Ansehen und hohen Namen haben, so sind sie doch ganz unwert und gering vor Gott: denn vor ihm ist nichts groß, als was ihn fürchtet. Darum darf auch nicht allezeit derjenige für herrlich und glücklich geachtet werden, der vor der Welt hoch ist; denn Gottes Urteile sind viel anders. Gott hat nicht fleischliche Augen, dass er sähe, wie ein Mensch sieht; vor Gott werden alle Menschen nach dem inneren Grund ihres Herzens beurteilt. Ist Gottesfurcht im Herzen, wahre Buße, Glaube, Demut, so ist ein solches Herz vor Gott köstlich und wert geachtet, und wenn es auch von der Welt der allerverachtetste und unwerteste Mensch wäre; dagegen, ist ein Mensch noch so herrlich und glückselig in dieser Welt und hat keine Gottesfurcht, so ist er mit all seiner Herrlichkeit vor Gott doch nur wie Kot und Unflat. Gott schickt es auch also, dass viele Gottlose ein solches Ende nehmen, dass sie werden wie Kot auf der Gasse, wie Jesabel, welche auf der Gasse zertreten wurde. Ja an jenem Tage werden alle Gottlosen allem Fleisch ein Gräuel sein. Und wie ferner der Wind die Spreu verweht, dass man nicht weiß, wo sie hingekommen ist, so ist es auch mit der Gottlosen Glück und Reichtum - sie verwehen, dass du sie nimmer finden kannst. So spricht auch der Psalmist (37,35): ich sah einen Gottlosen, der breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum. Da man vorüberging, da war er dahin; ich fragte nach ihm, da ward er nirgend gefunden.

Von den Gottlosen heißt es aber weiter:

V. 5. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeine der Gerechten. Sie bleiben nicht in Gottes Gericht, wenn er anfängt, Gericht zu halten und sein Urteil vom Himmel hören zu lassen, wenn er anfängt, Rache und Strafe zu üben, oder sie empfinden lässt die Schrecken des Todes und der Hölle. Denn sie haben keinen Trost. Christum erkennen sie nicht, der mit seinem heiligen Gehorsam Gott versöhnt hat; die Ursachen der Trübsal verstehen sie nicht, dass sie Gott dadurch zur Buße rufen will, sie sehen nur an den zornigen Gott und seine Strafen und können sich nicht trösten, dass Gott durch Christum versöhnt, und die ewige Strafe weggenommen ist. Können die Gottlosen schon nicht bestehen in der Zeit vor Gottes Gericht und Strafen, so dass sie oft verzweifeln wie z. B. Saul und Ahitophel, wie wollen sie bestehen vor dem letzten Gericht Gottes?

Wie aber die Gottlosen nicht im Gericht Gottes bleiben, so auch nicht in der Gemeine der Gerechten. Die heilige Kirche glaubt an Christum und lebt in Christo; wer davon abweicht, der kann nicht bleiben in der Gemeine der Gerechten. Denn die Gottlosen bleiben nicht in Christo, so werden sie als dürre, unnütze Reben vom lebendigen Weinstock abgeschnitten, verdorren und gehören ins Feuer. Und wenn die Gottlosen noch so sehr den Titel und Namen der Kirche führen, wie die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer in Jerusalem, dennoch können sie nicht bestehen in der Gemeine der Gerechten, sobald ihr Glaube und Leben nach Gottes Wort beurteilt wird. Sie bleiben auch von sich selbst aus nicht in der Gemeine der Gerechten; denn sie sind zu stolz in ihres Herzens Sinn, als dass sie das Urteil und Gericht des Gesetzes über sich hören wollten, achten sich viel zu hoch, zu heilig und gerecht, als dass sie sich sollten richten, strafen und zur Buße leiten lassen. Darum haben sie keinen Teil mit denen, die durch Christum gerecht worden sind und kommt es einmal zur letzten Scheidung, so werden sie auch nicht bestehen können.

Der Grund aber von alle dem ist:

V. 6. Denn der HErr kennet den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergehet. Das Wörtlein „kennen“ heißt hier für das Seine erkennen, erhalten, regieren, lieben und schützen, und unter „Weg“ haben wir des Menschen Beruf, Handel und Wandel und ganzes Leben zu verstehen. So ist nun das ein herrlicher Trost für alle Gottesfürchtigen, dass Gott an ihnen ein gnädiges Wohlgefallen hat, ihr Gebet erhört, sie mit seinem heiligen Geist regiert, leitet und führt, dass Gott sie erhält und tröstet im Kreuz und mitten im Tode, und ihnen ein seliges Ende und Abscheiden aus diesem Jammertal beschert.

Aber solchen Trost haben die Gottlosen nicht, weder im Leben noch im Tode, denn der Gottlosen Weg vergeht. Sie können nicht sagen, dass Gott ein Gefallen an ihnen habe, dass er ihr Gebet erhöre, dass er sie mit seinem heiligen Geist regiere. Sie haben keinen Trost im Kreuz und nehmen einen unseligen Tod; ihr ganzes Leben mit all seinen vermeintlichen Schätzen ist verschwunden, ihr Gedächtnis wird ausgerottet aus dem Lande der Lebendigen, ihr Name ist nicht angeschrieben im Himmel, im Buche des Lebens.

So ist denn nur der selig, der Gottes Wort lieb hat. Denn der irdische Trost vergeht mit dem Zeitlichen, aber Gottes Trost ist ewig, und derselbe ist in Gottes Wort. Die unsterbliche Seele will unsterblichen Trost haben. Darum preist der Heilige Geist die Leute selig, welche Gottes Wort von Herzen lieb haben. Gott gebe, dass wir Alle solch selige Leute seien und werden mögen! Amen.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, Vater unsres HErrn JEsu Christi, wir bitten dich herzlich, dass du in uns durch deinem heiligen Geist Lust und Liebe zu deinem heiligen Wort, zum Gebet und deiner Anrufung allezeit entzünden und erhalten wollest. Denn wir sind des gewiss, das außer deinem Wort kein Trost, Glaube, Leben noch Seligkeit ist, sondern lauter Sünderwege und Spöttersitz, das wie Spreu vom Winde verweht wird. Lass uns ja, lieber HErr Gott, bei deinem Wort bleiben, Leben und Sterben. Heilige uns in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit. Lass uns haben und behalten den rechten Glauben und allezeit ein gutes ruhiges Gewissen, auf dass wir grünen und ewiglich fruchtbar bleiben wie ein Palmbaum am Wasser, und dass unsre Blätter weder in diesem noch im ewigen Leben verwelken. HErr Gott, erhöre uns und lass uns ja dein sein und bleiben durch JEsum Christum, deinen lieben Sohn, unsern HErrn und Heiland. Amen.

Ludwig Harms

Wir wollen heute mit Gottes Hilfe anfangen, den Psalter nacheinander durchzunehmen. Er enthält Gebete, meistens vom Könige David verfasst. Doch sind auch einige Psalme darunter, die andere Männer zum Verfasser haben, z. B. Mose, Salomo, Assaph, Hemann, Ethan, die Kinder Korah u. s. w. Indessen heißt es doch mit Recht „die Psalmen Davids“, weil es insonderheit Gebete sind des Mannes, der von Gott selbst genannt wird: „ein Mann nach dem Herzen Gottes“. Der Psalter ist eins der wichtigsten Bücher in der ganzen Bibel, und darum geht es ihm, wie es so oft im Leben geht, wo das Wichtigste gering geschätzt und zurück gesetzt wird. Man findet viele Leute in der Christenheit, die den Psalter nicht einmal ordentlich durchgelesen, geschweige denn durchgebetet haben. Was ist das aber anders, als Geringschätzung? Der Psalter ist darum so wichtig, weil uns darin nicht die Werke, sondern die Worte der Heiligen aufbewahrt sind, und zwar die Worte, welche sie im Betkämmerlein zu Gott gesprochen haben, so dass man einen Blick tut in die Herzen der Heiligen, was bei ihren Werken nicht gut möglich ist. Liest du die Werke der Heiligen, so kannst du daraus nie auf ihr Herz schließen. Wolltest du es doch tun, du würdest dich oft irren bei der maßlosen Heuchelei der Menschen. Aber die Worte, die von den Heiligen und zwar im Betkämmerlein zu Gott dem HErrn gesprochen werden, die zeugen von dem, was in ihrem Herzen ist. Auch führen uns die Psalmen in die einzelnen Zustände hinein, die sich bei den Menschen vorfinden. Da sind Lob- und Dankpsalmen, Buß- und Klagepsalmen, Lehrpsalmen und Psalmen im höheren Chor. Und bei alle dem reißen diese Psalmen, wenn man sie nicht nur liest mit dem Munde, sondern wirklich betet, so das Herz mit sich fort, dass durch nichts so sehr das Herz der Gläubigen mit Gott vereinigt wird, als durch sie. In den Lobpsalmen steigen wir gleichsam mit dem HErrn in den Himmel, in den Bußpsalmen steigen wir mit dem HErrn in die Hölle; und was es gibt an Lust und Leid, Furcht und Sorge, Angst und Pein, das ist alles in dem Psalter geschrieben, so dass wir sagen können: ein jeder findet seinen Zustand darin, es gibt nichts im innerlichen Leben eines Christen, wofür der Psalter keinen Ausdruck hätte. Darum ist auch der Psalter von jeher das Lieblingsbuch der Christen gewesen, und zwar in solchem Maße, dass wohl kein Tag hingeht, da der Christ nicht einen Psalm betet, und die hauptsächlichsten sind nicht nur in das Herz, sondern auch in den Kopf geschrieben. Ist der Psalter auch dein Lieblingsbuch, oder liest du nicht viel darin? steht er in deinem Gedächtnis, oder hast du dir noch niemals Mühe zum Auswendiglernen desselben gegeben? - Und dazu weiset kein Buch im Alten Testament so kräftig auf Christum, als der Psalter. Die klarsten Weissagungen von Christi Leiden und Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt stehen in den Psalmen, so dass man nötigenfalls die ganze Leidens- und Herrlichkeitsgeschichte Christi daraus nachweisen könnte, wenn wir auch kein Evangelium hätten.

Wir wollen nun heute mit dem ersten Psalm den Anfang machen. Da heißt es zuerst: Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen; sondern hat Lust zum Gesetze des HErrn, und redet von Seinem Gesetze Tag und Nacht. In diesen beiden Versen wird uns beschrieben der wahre, aufrichtig fromme Christ, er steht da vor uns, wie er leibt und lebt und wird geschildert nach seinen beiden Seiten: 1. was er nicht ist und 2. was er ist; beides ist wichtig und kann nicht genug beherzigt werden. Es gehört für das Leben des wahren Christen ein Nein und ein Ja: ein Nein gegen alles gottlose Wesen und ein Ja für alles Gute und Himmlische, und beides muss von den Christen auf das Entschiedenste geltend gemacht werden. Das Nein des Christen besteht darin: Er wandelt nicht im Rat der Gottlosen, er tritt nicht auf den Weg der Sünder, er sitzt nicht, da die Spötter sitzen; und bei diesem Nein bleibt er mit solcher unerschütterlicher Entschiedenheit, dass er keinen Schritt davon weicht und wankt. Die Weltkinder, die nichts mit Gott zu schaffen haben, werden in drei Stufen unterschieden: schlimm sind die Gottlosen, schlimmer find die Sünder und die schlimmsten sind die Spötter; und mit allen diesen Leuten hat der wahre Christ nicht das allergeringste zu tun. Die Gottlosen, was sind das für Leute? Meint ihr, die Bibel verstehe nur darunter die Mörder, Diebe, Hurer, Ehebrecher u. s. w., so irrt ihr sehr. Die gehören auch dazu, aber nicht minder die weisen und tugendhaften und ehrbaren Leute vor der Welt, wie Luther sagt, die wie sie meinen, keinen Gott und Heiland nötig haben. Zum heiligen Abendmahl gehen diese Leute nur selten oder nie, weil sie keine Vergebung der Sünden brauchen, in der Bibel lesen sie nicht, da sie den Weg zur Seligkeit nicht wissen wollen und zur Kirche kommen sie nicht, weil da die Sünde gestraft wird. So sind sie also Abendmahls-, Bibel- und Kirchenverächter, sonst aber die ehrbarsten und tugendhaftesten Leute von der Welt. Mit diesen Gottlosen hat der wahre Christ nichts zu tun, er meidet sie, denn er kann nicht in den Rat derer gehen, die Abendmahl, Bibel und Predigt verachten. Kommt es auch bei ihnen nicht so weit, dass sie über Abendmahl, Bibel und Predigt spotten, so bezeichnet sie doch genugsam die Verachtung der Gnadenmittel als Gottlose, und mit denen kann man keine Gemeinschaft haben. Ich frage euch, meine Lieben, meidet ihr die, die Predigt, Abendmahl und Bibel verachten? habt ihr keinen Umgang mit ihnen? tretet ihr nicht in ihren Rat? ist euch das das Grässlichste, dass ein Mensch verachtet, was ihm und euch zur Seligkeit dienen soll und was euch das Liebste und Teuerste ist? Die Sünder, das sind die schlimmeren. Aber merket euch, es ist vom Gottlosen bis zum Sünder nur ein kleiner Schritt; denn wenn ich erst die Gnadenmittel verachte, warum sollte ich mich dann noch vor der Sünde scheuen? Da der Gottlose sich nicht um Gott und Gottes Wort, um Seligkeit und Verdammnis kümmert, warum sollte er die Sünde lassen und hassen? da die Sünde so angenehm ist für das Fleisch, warum sollte er sie nicht tun? Trotz der äußerlichen Ehrbarkeit kann er der Sünde heimlich dienen, und aus diesem heimlichen Sündendienst wird bald ein öffentlicher. So ist nur ein Schritt zwischen dem Gottlosen und dem Sünder. Nun hat aber ein frommer Christ eben so wenig was zu tun mit einem Sünder, als mit einem Gottlosen, er enthält sich jeder Gemeinschaft mit ihnen. So gewiss wie ich selig bin in der Nachfolge Gottes, in der Gemeinschaft der Gläubigen, eben so gewiss bin ich unselig in der Gemeinschaft mit Sündern; denn wer Pech angreift, besudelt sich, und solche Sünder sind schwärzer als Pech. Bei der Welt ist es nicht so, bei den halben Christen auch nicht, die verkehren mit jedermann. Ja, du kannst die halben Christen mit anerkannt groben Sündern in einer Stube und an einem Tische sitzen sehen. Bei der Welt gehört weiter nichts zum Umgange, als dass einer einen blanken Rock anhat, dass er Bildung besitzt und einen Diener machen kann. Ob er ein Gottloser, Hurer, Ehebrecher, Dieb ist, das ist Nebensache, wenn er nur Bildung und Geld hat, dann ist es gut. Ein wahrer Christ aber hat Abscheu vor jedem Menschen, der in öffentlichen Sünden und Schanden lebt. Die schlimmsten unter den Weltkindern sind die Spötter. Aber wiederum zwischen dem Sünder und dem Spötter ist auch nur ein Schritt. Der Mensch hat ein Gewissen, und wenn er sündigt, schlägt dies verletzte Gewissen. Meint ihr nicht, dass dem Hurer und Ehebrecher, dessen Sünden in der Kirche durch die Predigt gestraft werden, fein Gewissen anfängt zu schlagen? Was tut er nun? Da er sich nicht bekehren will, so fängt er an zu spotten. Woher kommt also der Spott? Aus einem gestochenen Gewissen; und alle Spötter haben ein solches. Wer erst ein Spötter ist, der ist nicht nur dem Teufel ähnlich, sondern ist selbst ein Teufel. Der Christ kann mit keinem Gottlosen und Sünder Umgang haben, aber auch eben so wenig mit einem Spötter. Mit den Gottlosen und Sündern kann er nicht umgehen, weil sie halbe Teufel sind und mit den Spöttern nicht, weil sie ganze Teufel sind. Dazu merkt euch noch folgende Worte des ersten Verses: wandeln, treten, sitzen. Beim Wandeln ist man noch in Bewegung, man geht an den Gottlosen vorüber; beim Treten bleibt man schon bei den Sündern stehen und sieht zu; beim Sitzen setzt man sich zu den Spöttern und hat Gefallen an ihrem Spott. Also, gehe nicht vorüber an den Gottlosen, denn da fliegen die giftigen Pfeile des Bösewichts in dein Herz; stehe nicht still bei den Sündern, sonst möchten sich diese giftigen Pfeile fest setzen in deinem Herzen; setze dich nicht hin bei den Spöttern, sonst möchten sie dich ganz gefangen nehmen und in die Hölle stürzen. Denkt an das Beispiel des Petrus. Zuerst geht er nur am Kohlenfeuer vorüber, dann bleibt er stehen und wärmt sich und endlich setzt er sich dahin, wo die Spötter sitzen, wird selbst ein Spötter und verleugnet den HErrn Jesum.

Ihr habt das Nein eines wahren Christen vernommen, nun hört auch das Ja, was sich bei ihm findet. Unser Psalm spricht das aus mit den Worten: Er hat Lust zum Gesetze des HErrn und redet von Seinem Gesetze Tag und Nacht, d. h. er sinnt darüber nach. Das Kennzeichen eines wahren Christen ist die innige, herzliche Lust an des HErrn Wort; diese Lust treibt ihn, dasselbe täglich zu lesen. So wenig wie sein Körper das frische Wasser entbehren kann, eben so wenig kann seine Seele das Wort Gottes entbehren. Er liest nicht in der Bibel aus Zwang, sondern aus Lust, nicht weil er muss, sondern weil er seine Freude daran hat. Und wie das Lesen des Wortes Gottes seine Lust ist, so ist es nicht minder das Hören. Er kann es kaum abwarten, bis der liebe Sonntag kommt, und in der Woche versäumt er auch ohne Not keine Predigt. Davon ist nun die Folge, dass sein Mund überfließt von dem, was in seinem Herzen ist. Wie des Weltkindes Mund überfließt von Sünden und Schanden, so fließt des Christen Mund über von dem Worte des HErrn, das ihm süßer ist als Honig und Honigseim, köstlicher als Gold und viel feines Gold. Er schämt sich dieses Wortes nicht, wo er ist, einerlei ob bei Frommen oder Gottlosen, bei Reichen oder Armen. Man kann es ihm bald anmerken, dass er ein wahrer Christ ist. Welchen Segen hat denn ein Christ davon, der Psalm hat doch zu Anfang gesagt: Wohl dem u. s. w.? Hört wie es weiter heißt im dritten Verse: Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, das gerät wohl. Das ist der Segen des Frommen. Er ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, ihm fehlt nie die Nahrung, er streckt die Wurzeln in das Wasser und zieht die Nahrung daraus hervor und dann bringt er seine Frucht. Er ist nicht wie ein Baum, der die angesetzten Früchte wieder abfallen lässt, weil es ihm an Nahrung fehlt, sondern er hat immer frischen Saft, darum fallen nicht mal seine Blätter ab. Es muss ein solcher, der seine Wurzeln in das himmlische Wasser stecken und daraus Nahrung saugen kann, ein gesegneter Mensch sein. Wenn ich mit meinem inwendigen Menschen in Gottes Wort und in Gott selbst stehe, so muss mir gelingen, was ich mit Gott tue. Der Fromme streckt sich durch Gebet und Gottes Wort in Gottes Herz und darum ist er ein gesegneter Mann. Es gibt viele Menschen, die ihre Werke klug und pfiffig anfangen, und wenn sie dann ein schlechtes Ende nehmen, so sagen sie wohl, mir will auch nichts gelingen. Weißt du, warum nicht? Weil sie ihre Werke nicht mit Gott anfangen, weil ihre Kraft nicht im Herzen Gottes liegt, darum kann es nicht geraten. Ein wahrer Christ kann von seinem Werke sagen: Es ist Gottes Werk und nicht das meine, darin liegt der Grund des Gedeihens. Fragt einmal, wenn ihr sehet, dass ein Mensch ein besonderes Werkzeug des HErrn ist, wenn ihr sehet, dass einer in seiner Schwachheit große Dinge ausrichtet und ihm alles wohl gerät, z. B. Dr. Luther, wie ist das möglich gewesen? so ist die Antwort: weil er mit seinem innersten Wesen in Gott wurzelt. Luther konnte sagen: es ist nicht meine Sache, die ich treibe, sondern Deine Sache, lieber HErr. Und wenn er scheinbar verlassen war von Allen, dann wurde das Größte von Gott durch ihn ausgerichtet. Bei solchen Leuten findet sich aber auch, weil sie in Gott gewurzelt sind, ein großer Mut und eine große Freudigkeit. Daher kommt das Gedeihen, weil sie sich Alles von Gott geben lassen. Das sind die Frommen. Nun wird uns das Bild der Gottlosen vorgestellt. Aber so sind die Gottlosen nicht; sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. So gesegnet wie die Frommen sind die Gottlosen nicht. Sie haben nichts mit Gott zu tun, wie könnten sie denn Bäume sein an Wasserbächen gepflanzt! Sie sind nicht in Gott gewurzelt, darum sind sie wie Spreu, die der Wind verweht. Die Frommen aber sind ewig, sie nehmen kein Ende, die Gottlosen sind wie Spreu, die sich bald verliert. Wenn das Werk des Gottlosen auch gut anfängt und fortgeht, es scheint doch nur so, bald aber wird es stocken und zu Nichte werden. Wie die Pilze aus der Erde schießen, so wachsen die Gottlosen empor, aber weil sie keine Wurzel haben, so vergehen beide bald. Aber nicht nur darum vergehen sie bald, weil sie keinen Halt und Grund haben, sondern Gott hasst sie auch. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeine der Gerechten. Es heißt von allen Gottlosen: du bist gewogen und zu leicht gefunden, verflucht sind die Werke deiner Hände. Er wird verdammt, darum bleibt er nicht in der Gemeine der Gerechten. Der HErr sagt zu ihm: Gehe weg von Mir, du Verfluchter, in das ewige Feuer, während Er zu dem Frommen sagt: Komm her zu Mir, du Gesegneter des HErrn. Ja, der HErr kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht. Der HErr kennt, leitet und fördert den Gerechten, darum geht sein Weg in den Himmel; aber des Gottlosen Weg vergeht und führt in die Hölle, weil der HErr ihn nicht segnet. Das Ende des Frommen ist, dass sein Weg bleibt und in das ewige Leben führt; das Ende des Gottlosen ist, dass sein Weg vergeht und in die ewige Verdammnis führt. Amen.


Krummacher, Friedrich Wilhelm

Des Königs Rettung

Predigt gehalten am Dankfeste, den 2. Mai 1850

Die Gemeine sang:

Was mein Gott will, gescheh' allzeit
Sein Will' ist stets der beste;
Zu helfen dem Ist er bereit,
Der an ihn glaubet feste.
Er hilf! aus Not, der fromme Gott,
Und züchtiget mit Maßen.
Wer Gott vertraut, fest auf ihn baut.
Den wird er nicht verlassen.
Mein Gott ist meine Zuversicht;
Er ist mein Licht und Leben;
Fasst seinen Rat mein Herz auch nicht.
Doch soll's nicht widerstreben.
Sein Wort ist wahr, er hat das Haar
Auf meinem Haupt gezählet;
Er sorgt und wacht, nimmt mich in Acht,
Gibt Alles, was mir fehlet.

Gebet.

Herr, Herr Gott, mit welchen Empfindungen erscheinen wir heute vor Deinem Angesichte! - Ist es uns doch fast, als hätten wir selbst das Verbrechen begangen, das den Ruhm unserer Stadt aufs neue so tief verdunkelt hat; ja, als sähen wir uns Alle heut vor Deinen Richterstuhl geladen. Und sind wir's nicht auch wirklich? - Ein Teil der Schuld lastet mit auf uns! - Herr Gott, wir sind sehr darniedergebeugt; wir sind sehr geschlagen. - O, gehe nicht ins Gericht mit Deinen Knechten; denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. - Schone unser, erbarme Dich über uns, und vergib uns unsere Sünden um Jesu Christi, Deines Sohnes willen! - Amen.

Text: Psalm 1. Vers 1-3.

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibet: der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der Pestilenz der Bosheit, Er wirb dich mit seinen Fittigen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln; seine Wahrheit ist Schirm und Schild, dass du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht; vor den Pfeilen, die des Tages fliegen.

„Ach, dass ich Wasser genug in meinem Haupte hätte, und meine Augen Tränenquellen wären, dass ich Tag und Nacht beweinen könnte die Sünden meines Volks!“

Ja, teure Brüder, mit diesen Jeremiasworten muss ich diesmal beginnen; denn in ihnen finde ich den Ausdruck der Grundstimmung, mit der ich heute an diese Stätte trete. War mir's doch mitunter in diesen Tagen, als hätte ich mit demselben Propheten auch weiter sprechen mögen: „Ach, dass ich eine Herberge hätte, wie Wandrer in der Wüste, so wollte ich mein Volk verlassen und von ihnen ziehen.“ Ich gedachte, diese Worte des alten heiligen Sehers zu meinem heutigen Texte zu wählen: aber neben der Empfindung tiefer Trauer und heiliger Entrüstung, die uns überwältigt, macht sich in unserem Innern auch noch eine andere geltend, die gleichfalls ihre Rechte fordert: diejenige dankerfüllter und anbetungsvoller Freude über ein neues, hochherrliches Wunder der Bewahrung, das der lebendige Gott in unserer Mitte uns hat sehen lassen; und diese Empfindung lehnt sich freilich besser an die lieblichen Psalmtöne an, die so eben, aus Davids-Harfe zu unserem Ohr gedrungen. Machen wir unserm Herzen Luft, und lassen unsern Mund übergehen von Dem, wovon das Herz so voll ist. Sprechen wir einander unsere Empfindungen und Gedanken über das erschütternde Ereignis aus, das sich im Laufe der verwichenen Woche ach! wieder unter uns begeben hat, und werden wir uns bewusst, zuerst, was dasselbe uns entschleierte; und dann, wozu es uns aufruft. Kröne der Herr unser Wort mit bleibendem Segen.

I.

Ein Mordanfall gegen das Leben unseres geliebten Königs! - Gott sei uns gnädig! - Wenn früher die Kunde von solcher Freveltat aus unserm unglückseligen Nachbarlande gen Westen zu uns herüberdrang, wie schauderte uns. Zugleich aber ging ein stilles Danklied zu Gott durch unser Herz, dass an dem Ehrenschilde unseres Vaterlandes und Volks der Fleck solch einer Ruchlosigkeit doch noch nicht hafte. Für unmöglich erachteten wir's, dass dergleichen unter uns, dem Volke der Treue, je geschehen könnte. Ach, mein Vaterland, nun liegt dieser dein schöner Ruhm auch auf der Totenbahre, und unter den blutigen Tränen, die auf den düstern Grabstein, den die Geschichte ihm nun setzt, herniedertauen, sind auch die meinigen, und, nicht wahr? die eurigen nicht minder. - Wehe, wehe, zum zweitenmal! - und der letzte Frevel ärger, denn der erste! Freilich steht es uns hier nicht zu, die Frage zu erörtern, wie der unglückselige Mensch zu seiner Untat möge gekommen sein. Die Männer, die im Namen Gottes zu Gerichte sitzen, werden es zu seiner Zeit ans Licht zu bringen wissen. Mit aller Macht sträuben wir uns gegen die furchtbare Vorstellung, dass wir es hier nicht mit einem vereinzelten Bösewicht, sondern mit dem Werkzeuge einer im Finstern schleichenden Mörderbande zu tun haben möchten. Unsere Gebeine erzittern vor dem Gedanken, dass der Meuchelmörder könnte gedungen worden, ja dass man fähig gewesen sein könnte, in kalter, mehr als höllischer Berechnung gerade einen Menschen in ihm zu dingen, dessen Verbrechen man mit dem Scheine der Unzurechnungsfähigkeit zu beschönigen, und als ein zusammenhanglos und vereinzelt dastehendes zu bezeichnen hoffte, und an den man überdies, als an einen Träger des unbefleckten Ehrenrockes unserer vaterländischen Krieger, die Erwartung knüpfte, dass er die Treue unseres ganzen sieggewohnten und ehrenhaften Heeres der Verdächtigung bloßstellen werde. Wir wehren uns aufs äußerste gegen diese Idee, wie gegen ein Ungeheuer, das uns vollends zu Boden zu werfen, und in den Abgrund der Trostlosigkeit hinunterzuschleudern droht. Wir klammem uns krampfhaft an der Voraussetzung fest, es habe dem Unglückseligen wirklich nur ein Anfall von Irrsinn die Mordwaffe in die Hand gegeben, und auf seinen Namen allein, auf keinen weiter, sei die Freveltat in den Büchern Gottes, des Richters der Lebendigen und der Toten, angeschrieben. Aber die ruhige Überlegung, mit der er handelte; - das Losungswort, das er bei seinem Überfall ausstieß; das augenblicklich sich geltend machende Gefühl Aller: „Da steckt was hinter“, und insonderheit der Umstand, dass, wie groß auch die Bestürzung war, welche die Kunde von dem, was geschehen, ringsum verbreitete, doch Keiner die Möglichkeit des Frevels in Zweifel zog: ach, das sind bedenkliche Zeichen! Denn warum wurde die Möglichkeit so gar nicht bezweifelt? Ach, man weiß, wie weit es bei einem großen Teile des Geschlechtes unserer Zeit mit dem Abfall von Gott und allem Heiligen gekommen ist. Man hat die Grundsätze der Ruchlosigkeit gehört, die je länger, je lauter in unsern Tagen auf allen Gassen gepredigt werden. Man kennt die entsetzlichen Flugblätter und Tagesschriften, die täglich zu Tausenden aus der schrecklich missbrauchten Presse hervorgehen, und vergiftend und verderbend das Volk durchziehen. O, verhehlen wir es uns nicht: die Schauertat, die unter uns begangen ward, begangen gegen einen Landesvater, dessen Wohlwollen, Leutseligkeit und Herzensgüte zum Sprichwort geworden sind; begangen gegen einen Herrn, der, seinem Worte stehend, den Wünschen seines Volkes an Freiheiten und Rechten das Äußerste gewährte, was vernünftiger Weise zu gewähren war, ja mehr als dies; begangen gegen einen König, der eben tatkräftig vorgeschritten war, um auch die Idee des begehrten einigen Deutschlands ins Leben einzuführen, und welchem, als dem auserlesensten der Monarchen, ich wüsste nicht was zur Last gelegt werden könnte, wenn nicht etwa, wes manche der Wohlgesinnten ihn zeihen wollen, dass er zu großmütig und zu gütig sei, oder, was freilich nur der Teufel ihm zur Last legt, dass er sich nicht dazu zu verstehen vermag, mit den Schlechten der Zeit gemeinschaftliche Sache zu machen, und der Gottlosigkeit im Lande Tür und Tor zu öffnen; - ich sage: die begangene Schauertat, man beurteile den, der sie beging, wie man immer wolle, lüftet jedenfalls einen Schleier, und das erste Schauspiel, das sie uns enthüllt, ist entsetzlich. Wehe! nicht bloß in Frankreich, auch unter uns hat sich, wenn auch, wie wir hoffen, zur Zeit noch mit beschränkterm Krater, der Abgrund der Hölle aufgetan. Und - was wollen wir sagen? - wenn es dahin bereits gediehen ist, dass selbst der Meuchelmord als Mittel zum Zweck nicht mehr verschmäht, ja zur Ehrenwaffe gestempelt wird, dann wird es dem Mörder von Anfang, dem Höllenfürsten, endlich ja gelingen müssen, seine schauerlichen blutroten Pläne zum Ziele zu führen. Man sollte es denken; aber nein, nein! Die Gräueltat des beabsichtigten Königsmordes enthüllt uns neben dem Geheimnis der Bosheit, das unter uns sich reget, auch noch ein Weiteres. Sie hat uns ein erneuertes tatsächliches Zeugnis geben müssen, dass der alte Gott noch lebt, sein Wort feststeht, wie die ewigen Berge, und Verlass auf Ihn sei, als auf den Hüter Israels, der nicht schläft noch schlummert, als auf den Felsen der Ewigkeit, der nicht weicht noch wankt. Das erste Wort, das bei der Nachricht von dem glücklichen Ausgange der Schreckensbegebenheit fast einem Jeden entfuhr, wie lautete es? „Das ist ein Wunder!“ O Brüder, traut diesem ersten Eindruck, traut diesem unwillkürlichen Schrei eures innern Menschen: denn er ist Wahrheit! Ja, ein Wunder, wie das vor etlichen Jahren, und ein noch größeres! Denkt, zwei Schritte nur, mit satanischer Besonnenheit gezielt, - und dennoch! - Ein Engel Gottes hub dem Gesalbten des Herrn im rechten Momente den Arm zum Schild für seine Brust. Freilich eine Verletzung! und wehe! eine blutige; aber, gottlob! eine leichte und ungefährliche. Es dürfte sich in Zukunft zu Tage stellen, dass auch sie, durch welche die Weiterfahrt des Königs verhindert wurde, in Gemäßheit eines göttlichen Gnadenrats erfolgte; und die Narbe an dem königlichen Arm 'wird dann noch als ein besonderes Denkmal göttlicher Gnadenobhut uns erscheinen. O, wie so buchstäblich und bis aufs Jota hat das Verheißungswort unseres Psalms an unserm Könige sich erfüllt! Er sitzt unter dem Schirm des Höchsten und übernachtet unter dem Schatten des Allmächtigen. Er sprach und spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Und nicht mit Worten nur, mit der Tat seines Lebens hat er es je und je gesprochen. Wie unbefangen, arglos und vertrauensvoll ging er überall und jederzeit unter seinem Volke umher, und wie entschieden wies er jede Zumutung, sich, gleich anderen Fürsten, mit Wachen zu umgeben, von sich ab! Das machte: er wusste sich unter den Vateraugen Gottes, an des Herrn Hand und unter den Fittigen seiner leitenden und beschirmenden Liebe. „Die aber auf den Herrn harren“, sagt die Schrift, „deren Angesicht wird nicht zu Schanden werden.“ Der Herr hat ihn „errettet vom Stricke des Jägers und von der Pestilenz der Bosheit, und ihn gedeckt mit seinen Fittigen, und des Königes Zuversicht war unter seinen Flügeln. Gottes Treue war ihm Schirm und Schild, und bleibt's ihm, dass er nicht erschrecken müsse vor dem Grauen der Nacht, noch vor den Pfeilen, die des Tages stiegen.“ Und er ist nicht erschrocken und er erschrickt nicht. Mit jener Ruhe, welche nur ein gutes Gewissen und die aufrichtigste Gottergebenheit verleihen können, ging er aus dem Mordanfall hervor, fuhr er, den verwundeten Arm auf die treue Gefährtin seines Lebens gelehnt, nach seinem Schlosse zurück, und schlummerte die ganze Nacht hindurch sanft, wie ein Kind. Das ist der Schlaf der Gerechten, von welchem David singt: „Hier liege und schlafe ganz mit Frieden, denn du Herr schaffest, dass ich sicher wohne.“ Ja, Brüder, es waltet ein lebendiger Gott auf Erden, und dieser Gott ist mit denen, die auf ihn trauen und seinen Namen fürchten, und Er ist mit unserem Könige, und wird fürder mit ihm sein. Seht, auch dies hat uns die Schreckenstat aufs Neue entschleiern müssen, und diese neubesiegelte Tatsache ist uns ein köstlicher dankenswerter Schatz, der durch Gottes Gnade aus dem grässlichsten Ereignis uns erwachsen musste.

Und wie Manches sonst noch hat die Untat uns enthüllt. Sie hat einen wohltuenden Blick in die innige Liebe uns eröffnet, durch deren zarte Bande die Glieder der königlichen Familie unter sich verbunden sind. O, diese Tränen, die so reichlich von ihren Augen strömten, wohl hatten sie lieblicheren Glanz, als die Edelsteine in den Diademen um ihre Stirnen. Es hat die Schauertat an der allgemeinen Entrüstung, die sie weit und breit hervorrief, uns ein Zeichen gegeben, dass doch das sittliche Bewusstsein in unserm Volke noch lange nicht erstorben und verrottet sei. Sie hat überdies einmal wieder, wie teilweise schon zu Tage liegt, und die nächste Zukunft es noch weiter zeigen wird, Millionen zu Kundgebungen der begeistertsten Anhänglichkeit an den König und sein königliches Haus Raum gemacht; und wenn auch neben den Angesichtern, in denen nur heilige Entrüstung und dankbare Freude über die dem Könige widerfahrene göttliche Gnadenhut sich spiegelten, hin und wieder in diesen Tagen auch Mienen anderer Art zum Vorschein kamen, so haben diejenigen, die sie trugen, nur sich selbst dadurch gerichtet, und sich selbst gezeichnet für Den, der in der Höhe wohnet, und den Widerwärtigen ein verzehrend Feuer ist.

II.

Aber nicht mit Enthüllungen nur steht sie vor uns die Schreckenstat; auch mit ernstem Mahn- und Wächterrufe dringt sie auf uns ein. Und wozu ruft sie? Zuerst, Geliebte, zur Buße, zur Buße! Oder ist euch nicht, als wäre die Schuld des einzelnen Frevlers in einem gewissen Maße wenigstens die Gemeinschuld unser Aller? Euer Gewissen müsste schlafen, wenn euch nicht so wäre. Sagt doch, wenn die moralische Atmosphäre unter uns eine mächtigere gewesen wäre, und vermöge ihrer stillen Gewalt dem Mörder unabweisbar das Bewusstsein aufgezwungen hätte, dass sich sein Bubenstück nur aus den Abscheu und das Verdammungsurteil Aller, auf nichts weniger aber, als aus Beschönigung oder gar auf Sympathien Rechnung zu machen habe, würde er gewagt haben, was er wagte? Ich bezweifle es. Und hätten wir von vorneherein entschlossen und rührig uns geeint, um mit allen Mitteln, welche die Wahrheit und die Liebe uns zu Gebote stellen, die mit vollen Händen unter uns ausgestreute Schirlingssaat der Lüge, aus der jener Frevel als schauerliche Höllenblüte aufgesprossen, schon im Keime zu ersticken, hätte jene sich entfalten können? Gewiss nicht. Ja, mitschuldig erkläre sich nur Alles, Alles: Die Regierungen, dass sie nicht kräftiger im Namen Gottes die Zügel ihres Regiments führten; die Oberen der Kirche, dass sie nicht energischer und tatkräftiger in der göttlichen Waffenrüstung den Mächten der Finsternis die Brust entgegen warfen; die Geistlichkeit, - ich stehe nicht an, mich zuerst dem Zöllner in des Tempels Winkel anzuschließen, - dass sie nicht treu und eifrig genug um den Schaden Josephs sich gekümmert; die Obrigkeiten dieser Stadt, dass sie vielleicht nicht sorgsam genug gewacht, oder nicht immer den Ehrfurcht gebietenden Einfluss einer unwandelbar sich gleichbleibenden gegenwirkenden Haltung jeder der göttlichen Ordnung widerstrebenden Richtung der Zeit gegenüber, geltend machten; die Richter, dass sie durch leichtfertige Urteilssprüche vielfach das Verbrechen, wo nicht heilig sprachen, so doch in den Augen der Frevler zu einer Bagatelle stempelten und die Gewissen beirrten; die sogenannten guten Bürger, die Freunde der Ordnung, dass sie nicht furchtlos und tätig genug der Fahne des Abgrunds gegenüber diejenige der Sache Gottes der Sittlichkeit und des Rechts entfalteten. Ja wer ist, der heute nicht im Sack und in der Asche sitzen müsste? Es schlage Jeder an seine Brust! - Königsblut, von Mörderhand vergossen, haftet an unserm Berliner Boden! Diesen Fleck, der unsrer Stadt einen grauenvollen Stempel aufdrückt, und um Gericht und Rache schreit gen Himmel, was wäscht ihn weg? Nicht unser ohnmächtiges Bedauern; nicht auch unsere Bestürzung und Entrüstung; nicht einmal das Blut des Unglückseligen, der dasjenige des Gesalbten des Herrn vergoss, sondern einzig und allein Christi, des Lammes Gottes Blut, das aber seine sühnende, reinigende und Gnade erwirkende Macht nur da beweiset, wo Tränen aufrichtiger Buße stießen. O so gebe denn Gott uns Allen solche Tränen!

Wie zur Buße, so ruft das Ereignis zu lautem freudigem Danke uns auf zu Gott, dem gnadenreichen und allwaltenden, der das teure Leben unseres geliebten Königs so wunderbar uns beschirmt, und in dessen geheiligter Person, ach, was Alles uns gerettet hat! Wäre das Bubenstück gelungen, großer Gott! ich mag daran nicht denken, was aus uns geworden wäre. Nein, wir säßen dann so friedlich nicht beisammen, wie gegenwärtig, und das Geläute in unsern Türmen am heutigen Morgen würde etwas anderes wohl bedeutet haben, als den Beginn unsrer stillen Gottesdienste. Ja, wir sind aus dem Mordanfalle unversehrt hervorgegangen, Wir haben ein Wunder göttlicher Behütung erfahren. Dank, Dank dem Herrn! - Wahrer Dank aber, ihr wisst es, bleibt nicht in Gefühl und Worten haften, sondern verkörpert sich zur Tat. „Auf euren Posten!“ ruft das Ereignis dem bessern Teile unsers Volkes zu. „Aufgewacht vom Schlaf der Sicherheit!“ ruft's, „denn ihr sehet, von welchem Lager ihr umgeben seid! „Schließt“, ruft es, „dichter eure Reihen!“ „Schart enger euch und fester um den König, den Vertreter der Ordnungen Gottes in unserm Vaterlande! „Verdoppelt“, ruft es, „wie eure Wachsamkeit, so eure Tätigkeit! Führt, ein Jeder in seinem Kreise, die Verblendeten liebevoll zurück; den Gottlosen imponiert, die Frevler bindet moralisch, wie durch die Entschlossenheit eurer Zeugnisse, so durch das Ganze eurer männlich festen sittlichen Haltung!“ So ruft das Ereignis, und fürwahr, teure Brüder, wenn es je gegolten, für die Wahrung und Erhaltung der höchsten und unveräußerlichsten Güter der menschlichen Gesellschaft in Staat, Kirche und Familie, den Schild zu erheben, alle Kräfte des Gedankens, des Wortes und der Tat in Bewegung zu setzen, und selbst das Opfer des eigenen Lebens nicht für zu groß zu achten, um, wenn es gefordert würde, es freudig darzubringen, dann gegenwärtig: denn jene Güter, so wahr der Herr lebt, sind schwer bedroht. – Gebe denn Gott, dass die Besseren im Volke, die ja wahrhaftig noch die Mehrzahl bilden, endlich, endlich sich von ihrer Lethargie ermannen, und als eine festgeschlossene Phalanx, als eine blitzende Legion im Harnisch des Glaubens an den unausbleiblichen Sieg der guten Sache, mit offenem Visier kühn und mutig den hellen Haufen der Umsturzfraktionen entgegentreten. Gebe es Gott in Gnaden, oder - - -

Doch wir wollen hoffen, hoffen! Gott hat sein Gnadenauge noch nicht von uns abgewandt; des sind wir ja aufs Neue inne worden. O hören wir seinen Zuruf: „So ihr euch von ganzem Herzen zu mir bekehret, so will ich euch erretten und euer Gott sein!“ Geben wir Ihm, dem Ewigtreuen, rückhaltlos uns hin. Nehmen wir mit ganzer Entschiedenheit für ihn und für seine Sache Partei: denn es ist Zeit, dass wir den Standpunkt der Neutralität verlassen, und das Wort des heiligen Sängers zu dem unsern machen: „Ich schwöre, dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten werde.“ Es gilt auch unsrerseits die Schließung eines „Totenbundes“, d.h. es gilt, dass auch wir uns vor Gott die Hand darauf geben, lieber, wenn es sein muss, die blutgenetzte Märtyrerkrone hinzunehmen, als die Schmach auf uns laden zu wollen, durch unsere glaubenslose Feigheit Kinder und Kindeskinder in eine Barbarei hineingeschickt zu haben, wie sie grauenvoller nie auf Erden hauste. - Weihen wir mit Leib und Seele uns ganz dem Herrn, und in dem Herrn dem Dienste der heilenden, helfenden, entzaubernden und zurechtweisenden Liebe für unsre in Irrtum verstrickten Brüder nah und fern! O, dann wird das verheißungsreiche Psalmwort, das, neu besiegelt, von der Krone unseres geliebten Königes uns so hell entgegenblitzt, auch uns zu Gute kommen. Auch wir „sitzen dann unter dem Schatten des Allmächtigen.“ Auch wir sprechen zu dem Herrn: „Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe!“ - Auch über uns breiten dann „Seine Fittige sich aus, und auch unsre Zuversicht ist unter Seinen Flügeln“; - und auch auf unsere Stadt und unseres Landes Pforte schreibt Sein Finger dann die aller Sorgen uns überhebende Inschrift: „Ich will eine feurige Mauer umher sein, und will darinnen sein, und will mich herrlich darin erzeigen!“

Ja, also geschehe es! Amen.

Herr, Herr Gott, du bist groß, und dein Name ist groß, und Du kannst es mit der Tat beweisen, der du den Bogen der Starken zerbrichst, und zertrittst die Brut der Ottern, die im Finstern schleichet; der du die Seelen deiner Heiligen bewahrst, und errettest sie vom Stricke der Gottlosen. Nein, deine Hand- ist nicht verkürzt, dass sie nicht erlösen konnte. Wir haben einen Gott, der da hilft, und einen Herrn, Herrn, der vom Tode errettet. - Wir durften's aufs Neue mit Augen sehen, mit Händen greifen. - Dank, tausend Dank Dir, Hüter Israels, der du nicht schläfst noch schlummerst, für das Wunder gnadenreicher Bewahrung, durch welches du aufs Neue an unserm geliebten Könige, deinem Knecht, und in ihm an uns Allen, Allen Dich verherrlicht hast. Siehe, der als Bekenner deines Namens und deines Wortes dastand, nun hast du ihn auch gesetzt zum lebendigen Zeugen für dieses Wortes ewige Wahrheit. - Wie ist Ja und. Amen an ihm geworden, was Du verheißen hast denen, die aus Dich trauen! - Fürwahr, wer zu Dir spricht: „Meine Zuversicht, meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe“, den deckest du mit deinen Fittigen, dass er nicht erschrecken müsse weder vor dem Grauen der Nacht, noch vor den Pfeilen, die des Tages fliegen. Wir haben es mit unsern Augen gesehen, und unsre Seele singt dir Halleluja.

Lob Dir, Preis und Ehre, Herr unser Gott, wie für des Königes herrliche Beschirmung, so für die mütterliche Fürsorglichkeit und Treue, womit Du die geliebte Königin, das zarte Gefäß, cm dem Schmerzenstage und bisher aufrecht gehalten, gestärkt, gehoben, und tröstend an Dein Herz genommen hast. Ach dass sie, die ihre höchste Freude im Segnen findet und Beglücken, diese tränenreichen Wege wandeln muss! Aber Du zählest ihre Zähren, und fassest sie in deinen Schlauch; und einst verklärst Du sie zu unvergänglichen Edelsteinen in ihrer Himmelskrone; denn sie wurden vor Dir, sie wurden in Deinen Schoß geweint. O gehe hin, und erquicke die hohe Betrübte mächtiglich, und richte sie auf mit der Zuversicht, dass Du auch zu unserm Könige gesprochen habest: Aus sechs Trübsalen will ich Dich erretten, und in der siebenten wird Dich kein Uebel rühren.

Herr, lass Dir gefallen das Stammeln des Dankes, das in millionenstimmigem Chore heute zu Dir emporsteigt, und erhöre die tausende und aber tausende von brünstigen Fürbitten, womit die Treuen im Lande an diesem Tage Deinen Thron bestürmen. - Verleihe, dass an dieses Festes Feier eine neue Ära feuriger Liebe wie zum Vaterlande, so zum Könige und seinem Hause sich knüpfe, und dass Alles sich erhebe wie ein Mann für einen König, dessen Feinde Deine Feinde sind; denn wie würden sie wider ihn sein, wenn sie wider Dich nicht wären? - Du hast zu ihm gesprochen, wie zu David einst, dem Manne nach Deinem Herzen: „Ich bin mit dir gewesen und habe deine Feinde niedergeworfen vor dir her, und dir einen Namen gemacht, wie die Großen auf Erden Namen haben“. O, Du lassest ihm auch gelten, was in Deinem Auftrag Abigail dem Sohne des Bethlehemiters zurief: „Wenn sich ein Mensch erheben wird, dich zu verfolgen, und nach deiner Seele- stehet, so wird deine Seele eingebunden sein im Bündlein der Lebendigen bei dem Herrn, deinem Gott. Aber die Seelen deiner Feinde wird er schleudern in der Schleuderschale“. - Ja, Du wirst ihn auch fernerhin behüten wie Deinen Augapfel, und ihn bald wieder von seinen Wunden genesen auf den Plan stellen, und Ströme des Segens durch ihn über das Land verbreiten. Des sind wir in guter Zuversicht, und preisen im voraus für Alles Deinen heiligen Namen! -

Ach möchte Dir's gefallen, auch in Gnaden des Unglückseligen zu gedenken, der seine Hand gegen Deinen Gesalbten zu bewaffnen sich erfrechte! Öffne ihm die Augen, dass er in seiner Freveltat den Angriff auf Deine eigene Allerhöchste Majestät erkenne, und gib ihm Gnade zur Buße, auf dass, ob auch sein Leib der Gerechtigkeit verfalle, seine unsterbliche Seele errettet werde. Dein Blut, o .Jesu Christe, wäscht auch von solchen Flecken rein. Auch ein Manasse, auch ein Schacher tragen in dem Jerusalem da droben die Himmelskrone. O, unter ihnen sei einst auch er, als ein ewiges laut redendes Denkmal Deiner unausforschlichen Barmherzigkeit. - Erhöre uns, erhöre uns! -

Uns selbst aber bewahre vor dem Argen! Sammle uns um Dich, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel. Zeuch uns Deine Waffenrüstung an zum Kampfe wider die finsteren Gewalten, die uns umtoben, und gib, dass Keiner unter uns sei, der nicht einst mit Deinem Apostel rühmen dürfte: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird.“ Amen. -

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