5. Mose 4,7
Andachten
„Wo ist so ein herrlich Volk, zu dem Götter also nahe sich tun als der HErr, unser Gott, sooft wir Ihn anrufen?“ („ Wo ist so ein herrliches Volk. dem ein Gott so nahe ist wie uns der HErr, unser Gott, sooft wir Ihn anrufen?“)
Es war allerdings etwas besonders Großes, Wichtiges und Einziges in Israel, dass sich der HErr, sooft Er angerufen wurde, den Anrufenden nahetrat. So konnte es kein Volk auf Erden haben, weil alle Völker den Götzendienst hatten, stumme Götzen anbeteten.
Nahe machte sich der HErr durch Erhörungen aller Art, durch Wohltun der Gemüter, insbesondere beim hohenpriesterlichen Segen, den man im Tempel empfing, und nahe kam Er unter den Beobachtungen der gottesdienstlichen Ordnungen und Anstalten. Wer in den Tempel kam, konnte etwas zur Beruhigung seines Herzens und zum Trost finden wie eine Hanna, die nach der Unterredung mit dem Hohenpriester Eli so getröstet von dannen ging. Leicht war es einem Israeliten, die Nähe seines Gottes zu empfinden, wo er Ihn auch anrief, wie uns namentlich die Psalmen lehren können.
Der HErr gab sich aber auch persönlicher in Israel den Anrufenden kund; und wenn es auch durch Engel geschah, war es immer der HErr, und nur Er. Er ließ sich förmlich fragen und erteilte Rat und Antwort, sooft man's bedurfte. So bekam auch David auf seiner Flucht vor Saul vermittelst des priesterlichen Leibrocks - denn gewisse Formen, unter denen sich Gott bezeigte, waren da notwendig - öfters Rat und Aufschluss. Mose insbesondere konnte zu jeder Stunde den HErrn fragen und bekam in allen schwierigen Sachen Auskunft. Auch Josua konnte so mit Gott reden. Später blieb's mehr bei den Hohenpriestern. Und als diese lau und gleichgültig wurden, erweckte Gott unter dem Volk beliebig Seher und Propheten, bei welchen jedermann sich Rat erholen konnte und durch welche Gott auch ungefragt Weisungen, Drohungen und Verheißungen gab, wie es die Pflege des Volks erfordern mochte. Das war doch etwas Schönes und Liebliches, wie es kein Volk auf Erden gehabt hat! In der Folge brachte der Hang des Volkes zum Götzendienst große Störungen, und es mischten sich auch falsche Propheten ein. Nach der Babylonischen Gefangenschaft, da sich das Volk mehr an Formen hielt als an Gott und weltlicher wurde, hörten die persönlichen Bezeigungen Gottes bald ganz auf und wurden nicht einmal unter den großen Kämpfen der Makkabäer fühlbar, oder nur in sehr schwachem Grade.
Was aber Israel einst hatte, sollte im Neuen Bunde viel völliger werden, wie schon die Verheißungen anzeigen, besonders die Verheißungen des Heiligen Geistes, der als Lehrer, Tröster und Führer allen Gliedern der Gemeine zukommen sollte. Alle sollten von Gott gelehrt sein, unter Seinem unmittelbaren Einfluss und Schutz stehen und das Nahesein des Heilandes fühlen, sooft sie Ihn anrufen würden.
Wohl sind wir nach und nach in eine arme Zeit hineingekommen und mögen mehr die Empfindung Seiner Ferne als Seiner Nähe haben. Aber noch hat Er sich nicht Seinen Kindern so verborgen, dass Er nicht mehr nahekäme, wenn wir ernstlicher und lauterer Ihn anrufen würden. Auch Weisungen können wir im Stillen bekommen durch Winke und Züge, die der Geist Gottes den Herzen gibt.
Wohl sehnen wir uns nach völligeren Bezeigungen des HErrn, wie sie vormals waren; und sie mögen auch, wenn es Zeit ist, wiederkehren.
Aber würden wir das, was wir haben, nur treuer benützen und würden wir kindlicher glauben: wir könnten's wahrlich immer noch erfahren, dass Er sich uns nahen tut, sooft wir Ihn anrufen! (Christoph Blumhardt)
Welch eine Gemeine, die ein Tempel des lebendigen Gottes ist! Ein lebendiger Gott muss einen lebendigen Tempel haben. Die toten Götzen wohnen in toten, steinernen Häusern. Welche Herablassung Gottes zu uns! Wie soll uns diese Liebe beschämen? wie sollen wir als Tempel Gottes Leib und Geist dem Herrn heiligen. 1. Korinther 6,20. Seele, wie kannst du je vergessen, wer in dir wohnet, wessen Haus und Tempel du bist? Dein Herz ist dem Herrn geheiligt durch das Blut Christi, mit dem du erkaufet bist; zerstöre, entweihe, schände diesen Gott geweihten Tempel nicht durch unwürdige Gedanken und Gesinnungen; vielmehr soll dich der Gedanke: Gott wohnet und wandelt in mir! zu unermüdeten Wachsamkeit erwecken, und darin beständig erhalten, dass du des Gottes würdig wandelst, denkest, redest und handelst, der sich so tief zu dir herablässt, so nahe bei dir bleibt und dich so hoch erhebt und ehret, da er dein Herz zu seiner Wohnung, zu seinem Throne erwählet hat. Wir können das alles ja kaum glauben, denn es ist zu groß, zu viel, zu gnädig; aber Christus hat es selbst gesagt. Johannes 14,23. Und da der Herr es schon im alten Bunde so feierlich angekündigt und verheißen hat; da wirklich jede fromme Seele, die in ihr Herz einkehrt, und mit Glauben und Demut den Herrn inwendig sucht, ihn findet und seinen Umgang genießt, so können wir nicht zweifeln; wir haben was wir glauben, und was uns der Wahrhaftige verheißen hat. Lasst uns nur sein Volk sein, d.h. ihm von Herzen treu ergeben, mit Blut und Gut anhänglich sein, so wird er nicht aufhören, unser Gott, unser Immanuel zu sein. (Johannes Evangelista Gossner)
Denn wo ist ein so herrliches Volk; zu dem Götter also nahe sich tun, als der Herr unser Gott, so oft wir ihn anrufen. Und wo ist so ein herrliches Volk, das so gerechte Sitten und Gebote habe, als alles dies Gesetz, das ich euch heutiges Tages vorlege? Hüte dich nur und bewahre deine Seele wohl, dass du nicht vergisst die Geschichte, die deine Augen gesehen haben, und dass sie nicht aus deinem Herzen kommen alle dein Leben lang, und sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun.
Also fährt Mose fort in seinem wunderschönen Lobgesang, der uns wahrlich als ein rechter Pfingst-Gesang ins Herz dringen und von den Lippen klingen mag. Von dem Herrn rühmt er's, dass Er sich so nahe herzu tue Denen, die Ihn anrufen, und von dem Volke rühmt er's, dass es so gerechte Sitten und Gebote habe. Davon war denn auch freilich viel zu rühmen, wenn man‘s verglich mit dem Gräuel der Abgötterei und mit dem furchtbaren sündlichen Verderben unter den Heiden. Aber Mose wusste auch wohl, wo der Schaden steckte, wenn Er alsbald mahnt: Hüte Dich nur, und bewahre Deine Seele wohl, dass Du nicht vergisst die Geschichte, die Deine Augen gesehen haben! Nun stehen hier vor uns die Pfingstleute des neuen Bundes! So nahe hat sich der Herr noch nie und nirgends herzu getan, als zu diesen, denn Er hat Seinen Geist über sie ausgegossen, und es ist nun geschehen, was Jesus verheißen hat: wir werden zu Ihm kommen, und Wohnung bei Ihm machen; und nun ist hier ein Volk, welches die gerechten Sitten und Gebote nicht bloß auf zwei steinerne Tafeln geschrieben hat, sondern welchem die Liebe Gottes ausgegossen ist ins Herz, und von nun an daran zu erkennen ist, dass sie sich unter einander lieben, so wie Jesus sie zuvor geliebt hat. Da mögen wir wohl rühmen: wo ist ein so herrlich' Volk? - Aber das: „Hüte Dich nur und bewahre Deine Seele!“ steht auch hier daneben geschrieben! das „Vergessen der Geschichte“ ist das alte Leiden und die große Gefahr! „Sie treiben viele Künste und sind doch eitel Dünste“ heißt's mit Recht. Die Geschichte, die Deine Augen gesehen haben, nämlich die großen Taten Gottes, geschehen zur Erlösung der Welt; darauf sollen wir bauen und trauen, sonst ist's mit aller Herrlichkeit vorbei und wir sind ein jämmerlich Volk. Herrgott vom Himmel sieh' darein, dass wir's nicht aus dem Herzen kommen lassen unser Leben lang und es kund tun unsern Kindern und Kindeskindern! (Nikolaus Fries)