Lukas 12,35
Andachten
Lasst eure Lenden umgürtet sein, und eure Lichter brennen.
Die Israeliten waren gewohnt, lange Oberkleider zu tragen, welche in der Bibel zuweilen Mäntel genannt werden, und bei Nacht in dieselben sich einzuwickeln und so zu schlafen, 2 Mos. 22,26.27. Wenn sie nun arbeiten oder zu Fuß reisen wollten, so gürteten sie sich um die Lenden, damit das Oberkleid sie nicht hindere. Da also der Heiland sagte: lasst eure Lenden umgürtet sein, so war der Sinn Seines Gebotes dieser: seid immerdar beflissen zu laufen in dem Kampf, der euch verordnet ist, und dem Kleinod der Seligkeit nachzujagen, seid immer fertig zum Dienst Gottes und zur Ausrichtung Seines Willens, seid nicht träge, was ihr tun sollt. Ephes. 6,14. sagt Paulus: steht nun, als umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit. Die Wahrheit nämlich, die ein Christ in der Anwendung auf sich selbst erkennt und glaubt, soll verhüten, dass er nicht aufs Ungewisse laufe, in die Luft Streiche tue, und in einer selbsterwählten Geschäftigkeit sich selbst ermüde und zerstreue, wie diejenigen unter den Thessalonichern getan haben, von denen Paulus 2 Thess. 3,11. schrieb, dass sie unordentlich wandeln, nicht arbeiten, und unnötige Nebendinge treiben. Ein Jeder soll tun, was ihm von dem HErrn befohlen, wozu er berufen ist, und wozu er Gaben empfangen hat, und auf die Gelegenheiten warten, die der HErr ihm von Zeit zu Zeit zeigt, etwas Gutes auszurichten, und dabei seine Hoffnung ganz auf die Gnade setzen, s. Röm. 12,7.8. 1 Kor. 7,20.24. Jer. 1,17. 1 Petr. 1,13. Eben dieses lehrt auch der Heiland selbst, indem Er befiehlt, dass neben der Umgürtung der Lenden, oder neben der Willigkeit und Fertigkeit, Gott zu dienen, auch unsere Lichter brennen sollen. Wir sollen also nicht nach einer finstern Willkür oder nach blinden Trieben handeln, auch sollen wir nicht Anderen die Splitter aus den Augen ziehen wollen, und selber Balken in den Augen behalten, sondern erleuchtet sein, im Lichte wandeln, und unser Licht leuchten lassen vor den Leuten, dass sie nicht nur unsere guten Worte hören, sondern unsere guten Werke sehen, und unsern Vater im Himmel preisen. Ach dass wir in unserer Kirche viele Leute mit umgürteten Lenden und brennenden Lichtern hätten, so würde es besser darin stehen! Geschäftige Leute gibt es genug. Sie arbeiten aber sich selbst. Sie laufen Irrwischen der menschlichen Gunst und des Reichtums nach. Dem HErrn dienen sie nicht. Seine leibeigenen Knechte und Mägde wollen sie nicht sein. Wo sie mit Verleugnung ihrer selbst den Willen Gottes tun und Sein Reich befördern sollen, da sind ihre Lenden nicht umgürtet. Der Faule spricht: es ist ein Löwe draußen, ich möchte erwürget werden auf der Gassen, Spr. Sal. 22,13. Auch fehlt es an dem brennenden Lichte, weil man den Geist der Weisheit und der Offenbarung nicht empfangen hat, an dessen Statt man sich mit der Lampe der Vernunft behilft, welche doch die geistlichen Dinge nicht entdeckt, und den Menschen nicht so weise macht, dass er Gottes Ehre und der Kirche und des Staates Wohl lauter und kräftig befördern könnte. Der HErr sende Sein Licht und Seine Wahrheit, dass sie uns leiten, und bringen zu Seinem heiligen Berg und zu Seiner Wohnung. (Magnus Friedrich Roos)
Lasst eure Lenden umgürtet sein.
Gegürtete Lenden brauchte der Morgenländer in seinem weiten, wallenden Gewande, um bereit zu sein zum Aufbruch aus dem Hause. Daheim in der Ruhe machte man sich's bequem, legte den Gürtel ab - galt es aber einen Gang aus dem Hause, so gürtete man sich, um rüstig dahinschreiten zu können. Lasst eure Lenden umgürtet sein, was heißt das also für uns heutzutage andres, als: Seid allezeit zum Aufbruch bereit, seid fertig zum Abschied aus dieser Welt, lebet heute als solche, die morgen vielleicht sterben. Man sollte denken, dazu brauche es nicht erst einer Mahnung aus Gottes Wort. Jeden Tag hören wir die Totenglocke läuten, jeden Abend lesen wir Trauerbriefe in der Zeitung, mit jedem Morgen sind wir dem Grabe wieder näher, und dass wir sterben müssen, das ist die einzige Wahrheit, die auch der Ungläubigste nicht leugnen kann. Sollte das uns nicht manchmal nachdenklich machen? Sollte das nicht unserm ganzen Leben eine ernstere Färbung geben, durch unsere ganze Stimmung jenen Pilgersinn hindurchtönen lassen, der da weiß: Wir haben hier keine bleibende Stätte? Sollten wir nicht bescheidener in unseren Entwürfen, mäßiger in unsern Genüssen, nüchterner bei unserm Besitze, demütiger bei unsern vermeintlichen Vorzügen werden durch den Gedanken: Ich bin ein Pilgrim auf Erden wie alle meine Väter? Wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts mit hinausbringen? Und doch, wie selten ist dieser Pilgersinn unter uns! Wie wenige verstehen diese Kunst, zu haben als hätten sie nicht und zu leben wie sie, wenn sie sterben, wünschen werden gelebt zu haben! Wie breiten wir uns aus auf dieser Erde mit unsern Entwürfen, als hätten wir mindestens unsere hundert Jahre vor uns! Wie siedeln wir uns an in dieser vergänglichen Welt mit all unsern Wünschen und Gedanken, als gehörte sie unser auf ewig. Wie lassen wir uns binden und fesseln an die Güter dieses Lebens mit tausend Banden, statt uns zum Aufbruch zu gürten und zum Abschied bereit zu halten! Darum findet der Herr so wenig wachende Seelen unter uns, und unter zehn, die da sterben, sind acht, man wird wohl sagen dürfen neun, die werden vom Tod überrascht wie vom Dieb in der Nacht, wie im Sturm, wie im Schlaf, wie im Traum, wie im Rausch wird die arme Seele hinübergerückt in die ernste, große Ewigkeit! Aber selig der Knecht, welchen der Herr wachend findet, wenn er kommt, die Lenden umgürtet, fertig zum Aufbruch! Selig, wer beizeiten sein Herz losmacht von der Anhänglichkeit ans Irdische! (Carl Gerok)