Matthäus 5,4
Andachten
„Selig sind die da weinen, denn sie sollen getröstet werden.“
„Welche neue Art von Tränen!“ sagt der heilige Augustin „sie machen diejenigen, welche sie vergießen, glücklich. Ihr Glück besteht darin, dass sie betrübt sind, dass sie seufzen über die uns umgebende Verderbnis der Welt, über die Fallen, von denen wir umstellt sind, über den unerschöpflichen Grund von Verderbtheit mitten in unserem Herzen. Die Furcht, Gottes Liebe zu verlieren, uns zu entfernen von dem schmalen Wege, ist ein großes göttliches Geschenk. Diesen Grund haben die Tränen der Frommen. Wenn man in Gefahr ist, seinen kostbarsten Besitz, ja sich selbst zu verlieren, so ist es schwer, sich zu freuen. Wenn man nur Eitelkeit, nur Verirrung, Ärgernis, nur Vernachlässigung und Verachtung Gottes, den man liebt, sieht, so ist es unmöglich, nicht betrübt zu sein. Lasst uns also weinen, da unsere Augen so viel Ursache zum Weinen finden: unsere Traurigkeit wird Gott erfreuen. Er selbst wirkt sie in uns, Seine Liebe lässt unsere Tränen fließen, Er selbst will kommen und sie abwischen.
Man vernimmt wohl, wie Jesus Christus sagt: „Wehe euch, die ihr lachet!“ und man will doch lachen. Man hört ihn sagen: „Wehe euch Reichen, die ihr euern Trost in dieser Welt suchet!“ und man sucht immer weiter nach Reichtum, Er sagt: „Selig sind, die da weinen“ und man fürchtet nichts so sehr als Tränen. Wir müssen hienieden nicht nur die Gefahren unserer Lage beweinen, sondern alles, was eitel und verderbt ist. Weinen wir über uns selbst und unsern Nächsten! Alles was wir sehen nach innen und außen kann unsern Geist nur betrüben, ist nur Versuchung und Sünde. Alles verdient Tränen. Das wahre Unglück ist das, dass wir Dinge lieben, welche die Liebe so wenig verdienen. Wie viel Ursache zum Weinen! Es ist das Beste, was man tun kann. Selige Tränen, die die Gnade wirket, die uns Ekel empfinden lassen über die Vergänglichkeit der Dinge und in uns die Sehnsucht nach den ewigen Gütern wecken. (François Fénelon)
Es gibt im Gebiet neutestamentlichen Glaubenslebens, - und nur von diesem kann die Rede sein! - ein Leidtragen um die Sünde, welches vorzugsweise sich anschließt an das Gefühl des tiefen Jammers, des Zwiespaltes, der Fried- und Freudlosigkeit, des ganzen Elends, das auch einem christgläubigen Herzen in der Nachfolge JEsu durch den Zusammenhang mit der Sünde hienieden nicht erspart bleibt; denn wir tragen eben unseren Schatz in irdischen Gefäßen, und in diesen wuchert eben das Gesetz der Sünde fort, welches in den Gliedern ist. Von solcher Leiderfahrung aus seufzt und schreit das Herz um Erlösung, und gewiss erhörlich. Ach, dass wir es fleißig üben möchten, damit wir bewahrt werden und bleiben zur Seligkeit! Aber das Höchste ist solches Leidtragen gleichwohl entschieden nicht. Ist unser Leben durch den Glauben also mit Christo in Gott gegründet und versenkt, wie es nach der Schrift sein kann und soll; so wird jedes Leid um die Sünde zugleich zu einem Leid um die Ehre Gottes, so wird das unseres Leides eigentlichster Tiefgehalt, dass wir mit jeder, auch der scheinbar kleinsten Sünde der Ehre Gottes zu nahe treten, dass wir mit jeder Untreue über die herrliche Erlösung Jesu Christi eine Schmach bringen, indem wir dem Verkläger etwas zu tun geben. - Und dann, meine Freunde, wenn wir auch im tiefsten Leid im Grunde nicht uns suchen, sondern Gott, Gottes Ehre, Gottes Namen; wenn wir um Gottes willen Leid tragen um unsere Sünde: dann stehen wir in der Tat auf dem Boden, von dem aus der große Gott sich fassen lässt an Seiner Gerechtigkeit; dann wird eine Berufung auf diese Seine Gerechtigkeit uns nicht den Vorwurf eintragen: „Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst?“ (Röm. 9, 20), sondern im Gegenteil dasselbe herzliche Wohlgefallen Gottes, dessen freundlicher Vermittler der Engel Gabriel für Daniel wurde in der Botschaft: „du bist lieb und wert“ (V. 23); „fürchte dich nicht, du lieber Mann; Friede sei mit dir!“ (10, 19). Amen. (Theodor Hans).
Es ist kein Mensch, dem nicht der Trost zu Teil werden könnte, den der Herr Jesus den Leidtragenden verheißt; auch ist kein Mensch, der nicht Ursache hat, Leid zu tragen. Aber doch werden nicht alle Leidtragenden getröstet mit dem verheißenen Trost; denn der göttliche Trost gehört nur für die göttliche Traurigkeit, die zur Seligkeit wirkt eine Reue, die niemand gereut. Tausend Leidende suchen aber nur den Trost der Welt für die Traurigkeit der Welt, Trost in der Wiederherstellung oder im Ersatz des verlorenen zeitlichen Gutes, in der Genugtuung für die erlittene Kränkung, in der Hilfe aus leiblicher Not. Aber der Verlust des höchsten Gutes lässt sie gleichgültig; die Sünde hat ihnen noch keine Träne erpresst; und wenn im Zeitlichen nur alles nach ihres Herzens Lust und Neigung ginge, sie würden nimmer zu den Leidtragenden und Trostbedürftigen sich zählen. Und wenn auch der himmlische Trost der Vergebung der Sünden ihnen gereicht würde, sie würden nicht wissen, was sie damit machen sollten. Aber diejenigen, denen die erkannte und bereute Sünde ein schmerzliches Leiden ist, die sich nach nichts inniger sehnen, als nach der Erlösung von der Sünde Schuld, Strafe und Herrschaft, nach rechtschaffener Heiligkeit und Gerechtigkeit und der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes: das sind die selig zu preisenden Leidtragenden, die getröstet werden sollen mit einem Trost, der sich überschwänglich erweist über alles Leiden. Bei ihnen steht kein Trotz, keine Hoffart, keine Selbstgerechtigkeit, keine Unbußfertigkeit, kein Unglaube, Leichtsinn und Weltsinn dem tröstenden Herrn im Weg. Ihnen hat Gott verheißen: „Ich will euch trösten, wie man seine Mutter tröstet. Ich will ihr Trauern in Freude verkehren, und sie trösten und erfreuen nach ihrer Betrübnis.“ Ihnen hat Gott seinen Sohn gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung zu predigen - ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Rache unseres Gottes, zu trösten alle Traurigen. Hast du aber für das größte Leiden bei Christo Trost und Hilfe gefunden, so bist du fortan bei allen Leiden der Zeit niemals trostlos. Blicke nun nicht mehr voll Angst und Furcht in die dunkle Zukunft, denn dein Tröster spricht: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Denn so du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht sollen ersäufen; und so du durchs Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht anzünden.“ Sorge nun nicht ums Durchkommen; denn hat Gott uns also geliebt, dass er auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Sei nun geduldig in Trübsalen, denn denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Das Wort Gottes bleibe deines Herzens inniger Trost; und unter seiner freundlichen Ermunterung und Zusprache gehe zu denen hin, von welchen Johannes (Offenb. Joh. 7,14-17.) gesagt wurde: „Diese sind's, die gekommen sind aus großer Trübsal, und haben ihre Kleider gewaschen, und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhl Gottes, und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel. Und der auf dem Stuhl sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne, oder irgend eine Hitze. Denn das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ - Ja selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden(Matth. 5,4.)! (Carl Philipp Johann Spitta)
Selig sind, die da trauern; denn sie werden getröstet werden.
Trauernd und doch selig! Traurigkeit und Verzweiflung sind zulegt das Los der Kinder dieser Welt. Aber es gibt auch für die Jünger Christi eine Traurigkeit, ein Leidtragen, einen Zustand tiefer Wehmut, und zwar einen Zustand, der Gott wohlgefällig und ihnen heilsam ist. Jesus preist die Trauernden selig. Er will sie also traurig sehen! Allezeit fröhlich, und dennoch trauernd sollen Gottes Kinder sein: trauernd über die Unbußfertigkeit der Welt, den geistlichen Tod der Menge und die Macht der Sünde, trauernd über den Geist des Ungehorsams, des Unglaubens und der Gesetzlosigkeit, trauernd über die eigene Ohnmacht, Schwachheit, Gleichgültigkeit und Sünde. Es mag eigentümlich erscheinen, dass gerade diejenigen Leid tragen, die dem Herrn nähergekommen sind. Ist denn nicht Jesus ihr Friede? Jawohl, so ist es! Warum sind sie dann traurig? Weil sie sich noch so weit hinter dem gesteckten Ziel zurück wissen. Fruchtbar kann sich doch unser Leben erst gestalten, wenn der Geist Christi in uns lebt und herrscht. Dann ist vor uns eine neue Welt aufgeschlossen. „Selig, die ihr jetzt weinet; ihr werdet lachen.“ Jesus kam stets vom Irdischen hinweg hinein ins Himmlische. Er hat gezeigt, wie gar eng die Dinge im Diesseits und im Jenseits zusammenhängen, wie Saat und Ernte. Die „geistlich Armen“ kommen zu Gott, sie haben hier viel getrauert und geweint, nun werden sie getröstet; Gott selbst wischt die Tränen ab von ihren Augen. Verlasse dich nur ganz und gar auf deinen Herrn; Er hat Zeit für alle, die auf Ihn sehen. (Markus Hauser)
Durch das Tränental kommen wir nach Zion. Man hätte denken sollen, Leidtragen und Seligsein ständen im Gegensatz zu einander, aber der allweise Heiland verbindet sie in dieser Seligpreisung. Was nun Er zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Leidtragen um die Sünde, - unsre eigne und die Sünde andrer - ist des Herrn Siegel, das Er auf seine Treuen setzt. Wenn der Geist der Gnaden auf das Haus Davids ausgegossen ist, oder auf irgend ein andres Haus, so wird es Leid tragen. Durch heiliges Leidtragen empfangen wir die besten unsrer Segnungen, eben wie die seltensten Waren auf dem Wasserwege zu uns kommen. Nicht nur soll der Leidtragende an irgend einem zukünftigen Tage selig sein, sondern Christus erklärt ihn schon jetzt für selig. Der Heilige Geist wird sicherlich die Herzen trösten, die um die Sünde leidtragen. Sie sollen durch das Blut Jesu und durch die reinigende Macht des Heiligen Geistes getröstet werden. Sie sollen getröstet werden über die große Sünde ihrer Stadt und ihres Zeitalters durch die Zusicherung, dass Gott sich verherrlichen will, wie sehr sich auch die Menschen gegen Ihn empören mögen. Sie sollen getröstet werden mit der Erwartung, dass sie binnen kurzer Zeit gänzlich von der Sünde befreit und bald hinauf genommen werden sollen, um auf ewig vor dem glorreichen Angesichte ihres Herrn zu weilen. (Charles Haddon Spurgeon)
Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Dem Weltverstand ist das eine große Torheit, dass Jesus die selig preist, die im Leid sind. Und doch wie viel Licht und Leben gießt er mit diesem Wort über die tausend dunklen Stunden, die in keinem Leben fehlen. Der Herr hat Trost für alles Leid. Aber nicht dann sollst du getröstet werden, wenn du dich dagegen empörst, sondern wenn du es geduldig hinnimmst und dich Gott in die Arme wirfst, wenn du auf ihn vertraust, wenn du durch dein Leiden beten und glauben lernst. Erst dann kannst du getröstet werden, wenn du in dem äußern Weh des tieferen, innern Wehes inne wirst, der innern Armut und Verlorenheit vor Gott; wenn dich die Trübsal zur Erkenntnis der letzten, tiefsten Ursache alles Erbenleides bringt, der Sünde, und von da dich dem Heiland in die Arme führt. Die also Leid tragen, die preist Jesus selig, denn sie sollen getröstet werden mit dem ewigen Trost seiner vergebenden Gnade. Willst du darum in deiner Trübsal wahrhaft getröstet werden, dann lerne in deinem Leid leidtragen über dich selbst und deine Schuld, weinen über deine Gottesferne. Darum weinen so Viele trostlos über ihr trauriges Schicksal, weil sie noch nie geweint über sich selbst, ihren Undank gegen Gott. Aber selig, die da Leid tragen über ihre Armut vor Gott, und die in diesem Leid sich heilsbegierig zum Erlöser wenden. Du Gott alles Trostes, deine Gedanken sind nicht unsre Gedanken; aber du hast, auch wo du uns Leiden sendest, nur Gedanken des Friedens über uns. Dein Wille geschehe. Lass unter deiner Heimsuchung unser altes Herz brechen mit seinem Trotz und seiner Unbußfertigkeit, und wenn wir dich dann mit zerschlagenem Herzen und geängstetem Geiste suchen, dann erfülle uns mit dem ewigen Troste deiner Gnade, mit Versöhnung und Frieden, und hilf uns also leiden, dass wir dadurch selig werden. Amen. (Adolf Clemen)
Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Ohne wahrhaftige geistliche Armut gibt es kein wahres Leidtragen, das Letztere ist die Frucht von Ersterem. Dieses Leidtragen, das aus der Armut im Geiste hervorgeht, hat die Verheißung getröstet zu werden. Es gibt verschiedenes Leidtragen, das keine Verheißung hat. Ein Mensch kann traurig sein über die Folgen seiner Sünde; er wird aber nicht getröstet, so lange er nicht über die Sünde traurig ist. Ja, er kann zeitweilig auch über seine Sünde traurig sein; aber in seinem Herzen ist doch noch versteckte Liebe zur Sünde; bald entschuldigt er diese wieder und bleibt gefangen und kann nicht getröstet werden, weil der heilige Geist keinen Sündendiener trösten kann. Daraus geht hervor, dass der Herr unter dem Leidtragen, das Verheißung hat, den Seelenzustand versteht, bei dem der Mensch tiefen Schmerz empfindet über seine Sünde, sich innerlich von ihr abwendet und das Bewusstsein hat, Gottes Zorn verdient zu haben. Ein solcher Mensch ist wahr vor seinem Gott, und kann durch die Gnade und Barmherzigkeit Gottes getröstet werden, weil er nicht nur hilfsbedürftig, sondern hilfesuchend ist, um Gott zu gefallen. Schon ehe ein solcher Mensch getröstet ist, ist er im Schmerz über die Sünde und im Hass gegen die Sünde, in Übereinstimmung mit dem gerechten Gott, und für ihn ist Trost und Vergebung der Sünden bereit, er darf es nur annehmen. Bei solchen Seelen kommt es dann zu einem gründlichen Wesen, zu vollem Herzensfrieden, zu kräftiger Geistesarbeit. Der Herr kann sie als wirklich Getröstete dann auch brauchen zum Troste Ans derer. Sie haben Leid getragen über eigene Sünde und so haben sie Herz und Auge für den Jammer der Menschheit und das Seufzen der Kreatur. Sie fühlen, beten, tragen und arbeiten mit ihrem Hohenpriester Jesus als Leidtragende und werden getröstet mit der Verheißung, dass die Kreatur frei werden wird von ihrem Seufzen.
Herr Jesu! Du hast auch mich getröstet; habe Dank dafür! Gib mir Gnade auch Andere zu trösten. Amen. (Elias Schrenk)
Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Es gibt ein Leidtragen, das an sich gar keine Verheißung hat, das ist das Leidtragen, die Traurigkeit der Welt. Es wird viel getrauert in der Welt; es wird viel geweint in der Welt; es fließen jede Minute reiche Tränenströme in Palästen wie in Hütten, denn es ist viel Elend, schrecklich viel Elend in der Welt. Man weint sich satt, man weint sich müde, man weint sich die Augen wund, man klagt und jammert über heiße Schmerzen, zerscheiterte Hoffnungen, vereitelte Wünsche, zertrümmertes Glück, liebe Tote, über bittere Folgen der Unbedachtsamkeit und Übereilung, der Sünden und Übertretungen. Aber diese Traurigkeit ist meistens eine Traurigkeit der Welt, die keine Verheißung hat. Die geht nach unten, nicht nach oben, die starrt nach unten, blickt nicht voll Hoffnung auf nach oben die weint nicht um Gottes willen und zu Gott hin, die weint nur um des Übels, um der traurigen Folgen der Sünde, nicht um der Sünde selbst willen. Solche Traurigkeit wirket den Tod, solche Traurigkeit stürzt den Menschen in Unzufriedenheit, Unmut, Murren, Trotz, Verzweiflung, ja in Selbstmord. Beispiele solcher Traurigkeit sind Saul und Judas. Ihnen galt die Verheißung nicht: Selig sind, die da Leid tragen. Wem gilt sie denn? Denen, die Leid tragen über ihre geistliche Armut, über ihre Sünde, diese einzige Quelle und Ursache alles Übels. Wehes in der Welt. Wer die Entdeckung macht, dass er arm ist, wird traurig. Wer seine Geistesarmut, Nacktheit, Blöße, Schande vor Gott erkannt hat, trägt Leid, wird göttlich traurig, weint zu Gott hin, weint um Gottes willen, dass er ihn betrübt hat, dass er nicht in dem rechten Verhältnis zu ihm steht, dass er durch die Sünde von ihm geschieden ist, dass sein Zorn auf ihm ruht. Das sind andere Tränen als die der weltlichen Traurigkeit! Die hat ein David geweint leset nur Psalm 51, die hat Petrus geweint, die hat jene Sünderin in Simons Hause geweint, (Lucä 7). Diese Traurigkeit hat das Wort der Klagelieder (Jeremiä 3, 39) verstanden: „Was murren denn die Leute im Leben also? Ein jeglicher murre wider seine Sünde“! Die hat die Sünde als die Mutter alles Übels erkannt. Jede andere Traurigkeit kann zu dieser führen. Wo ein Herz unter den Schlägen Gottes, unter seinen Gerichten und Heimsuchungen weich und zerschlagen und empfänglich für den göttlichen Trost wird und anfängt, auf die Stimme der Wahrheit zu merken, da kommt es auch zu dieser göttlichen Traurigkeit. Ja in den meisten Fällen bringt der Herr nur durch Trübsal dahin. Als der verlorene Sohn im Elend war und Träber zu essen begehrte, da ward er göttlich betrübt und beschloss, bußfertig zu seinem Vater zurückzukehren; und es steht geschrieben: Die Anfechtung lehrt aufs Wort merken“; und: „Herr, wenn Trübsal da ist, so suchet man dich, und wenn du sie züchtigest, so rufen sie ängstlich“. O lass dich also dein Leid zur göttlichen Traurigkeit führen! Gottes Wille und Absicht ist es. Achte auf die Stimme des Wortes Gottes, der Wahrheit, in deinem Leid, und es wird geschehen. Selig sind, die also Leid tragen! Aufs Leidtragen, aufs herzliche, aufrichtige Leidtragen über die Sünde kommt es an. Das Maß solchen Leidtragens, solcher Traurigkeit wird nicht bestimmt. Bei dem einen ist es eine sanfte, gelinde und doch tief gefühlte Traurigkeit, bei dem andern wird sie zu einem heftigen, stürmischen, oft lange anhaltenden Bußkampf. Nötig aber ist solcher Bußkampf nicht; nötig ist nur das Leidtragen, der wahrhaftige Schmerz, die innige Wehmut über die Sünde. Und selig sind, die also Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden! Ja selig ist es, weinend zu des Herrn Füßen zu liegen! In Bußtränen fallen die Strahlen der Gnadensonne und trocknen sie. Die Leidtragenden werden getröstet, getröstet mit dem Trost des Evangeliums. Ja sie werden, sie sollen getröstet werden. Hört es, ihr göttlich traurigen Seelen! ihr sollt getröstet werden, so gewiss wie jene Sünderin, zu der der Herr sprach: Dir sind deine Sünden vergeben“! (Ludwig Josephson.)
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Wie am Weinstock, wenn er im Frühjahr beschnitten ist, das erste Lebenszeichen, die erste Hoffnung auf Frucht darin besteht, dass er blutet, so besteht auch beim Menschen das erste Lebenszeichen darin, dass das Herz blutet über seine Sünde. Kannst du solches Leid tragen? Hast du schon Etwas erfahren von der göttlichen Traurigfeit, welche wirkt eine Reue zur Seligkeit, die Niemand gereuet? Ärger über die Sünden ist genug da. Wenn sie uns Schmach und Schande gebracht haben, dann zürnen wir über uns selbst. Mancher hat sich schon mit der Faust vor die Stirn geschlagen und gerufen: Nein, dass ich so töricht, so unklug und so schwach gewesen bin!„ Und es ist doch keine Reue, es ist doch kein Leidtragen. Es ist nur ein Grimm über den Schaden, die Schande und die eigene Torheit. Solche werden nicht getröstet; sie ärgern sich aufs Neue, so oft sie nicht ihrer Sünde, sondern ihrer Torheit und ihrer Schadens gedenken. Das rechte Leidtragen ist die Trauer über meine eigene Verderbtheit und Schwachheit, und über mein unkindliches Wesen gegen meinen Vater in dem Himmel. Wem es darum leid tut, der ist schon auf dem Wege, dass er ein Kind Gottes werde. Er wird getröstet werden.
Barmherziger Gott. Wiederum beginnen wir den letzten Tag der Woche. Und wenn wir fragen: „Wer ist bisher unsre Hilfe und unser Trost gewesen, trotz all unserer Übertretung?“ dann müssen wir bekennen: Du allein hast uns aufrecht erhalten! O mache uns recht dankbar für solches Erbarmen, dankbar besonders auch im Gefühle der Schuld, die diese Barmherzigkeit nimmer verdient hat. O lass uns heute immer daran denken, dass wir Strafe verdienen für unsere Untreue, damit wir jeden Gnadenerweis, den der Tag bringen wird, als ein Zeichen des Trostes hinnehmen, welchen du denen verheißen hast, die Leid tragen. Amen. (Friedrich Ahlfeld)