Herberger, Valerius - In der heiligen Advent-Zeit.
JESUS, Der himmlische Tau und Kraftregen in aller rechtgläubigen Christenherzen, lasset uns die tröstlichen Gnadenzeichen der Erlösung des menschlichen Geschlechts sehr erfreulich in Tau- und Regentröpflein sehen.
Herzliche Seufzer zu beten um die gebenedeiten Tautröpflein und fruchtbaren Regentröpflein der heilsamen Gnade JEsu Christi, dass er solche gießen wolle auf die lechzenden Erdenklöße aller frommen, betrübten und doch gläubigen Herzen, aus dem tröstlichen „Träufelt“ des Propheten Jesaia, mit welchem herzlichen Seufzer auch die ganze Christenheit, in der weiten breiten Welt, die heil. Advent-Zeit über um ihren Heiland und Erretter Gott anrufet. Wollte Gott, dass alle gottliebende Herzen solches täten die ganze Zeit ihres Lebens; denn die Worte sind ja schön und anmutig!
Jesaia 45. V. 8.
Träufelt ihr Himmel von oben, und die Wolken regnen die Gerechtigkeit; die Erde tue sich auf, und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit zu. Ich, der Herr, schaffe es. (In Christo ist Himmel und Erden, das ist, die göttliche und menschliche Natur persönlich vereiniget, der hat das menschliche Geschlecht aus der geistlichen Dienstbarkeit erlöst, und das verlorene Heil, Gerechtigkeit und Seligkeit wieder gebracht.)
Gelobet sei Gott in Ewigkeit, dass er mich diese selige Zeit hat erleben lassen. Ach, wie haben nach dieser heil. Adventzeit sich gesehnt unsere liebe Vorfahren, wenn sie dies ihr Rorate, oder träufelt ihr Himmel, gebetet haben. Ewiger, allmächtiger Gott, ach Gott vom Himmel, lass doch das frische Tautröpflein, das kräftige Regentröpflein, deinen lieben Sohn, vom Himmel kommen, und menschliche Natur vom Erdboden annehmen, dass uns armen Menschen geholfen werde zum Gewächs unserer Seligkeit, dass wir armen, lechzenden, matten Erdblumen erquicket und erfrischet werden, gleich wie den matten Blümlein zu ihrer Schönheit wird geholfen durch die sanften Regen- und Tautröpflein. Ach, dass du den Himmel auffrisst und herab führest! Herr, wir warten auf dein Heil. Ach, dass die Hilfe aus Zion über Israel käme, und der Herr sein gefangen Volk erlöste, so würde Jacob fröhlich sein, und Israel sich freuen. Ach Herr, sei nicht lange außen mit dem gnädigen Advent, und mit der allerheiligsten Menschwerdung deines Sohnes. Nun komm der Heiden Heiland. Ach JEsu, lass uns über deiner allerheiligsten Menschwerdung herzlich froh werden; zukomm dein Reich, zeuch ein in das Schloss unsers Herzens, da sei König und Regent, gebeut von dannen allen unsern Adern, Gedanken und Gliedmaßen, dass sie dir gehorchen, tröste uns mit den Tautröpflein deiner Gnade, erfrische uns mit den Regentröpflein deines Verdienstes, dass sich unsere Herzerde mit Freuden auftue, durch dich selig werde, und dir in wohlgefälliger Helligkeit und Gerechtigkeit ewig diene. Sollen Tautröpflein werden, so muss ein laulichter warmer Dunst aus der Erden, welcher den Tag über von der Sonne ist gewärmet worden, empor steigen. Wenn nun die Nachtkälte von oben herab demselbigen Dunst entgegentritt, so wird er destilliert, und in Wasser verwandelt; das sind Tautröpflein. Also muss eine Bewegung von oben herab, und auch von unten auf geschehen, ehe Tautröpflein werden. Herr JEsu, hier sehe ich im Spiegel, was dies sei, das du im Propheten Hag. 2 hast gesagt: „Es ist noch ein kleines dahin, dass ich Himmel und Erden, das Meer und das Trockne bewegen werde. Ja alle Heiden will ich bewegen, da soll dann kommen aller Heiden Trost.“ In deiner Menschwerdung wird der Himmel und Erden durch eine kräftige Wirkung beweget, du gehest hervor aus dem Throne deiner göttlichen Majestät, und demütigest dich unter das keusche Herz deiner hochgelobten Mutter Maria auf Erden, und brüderst dich mit unserm Fleisch und Blut, und bist also wahrer Gott und Mensch in Einer Person; darüber werden wir uns wundern in Ewigkeit. Die Wärme der Gerechtigkeit und Kühle der Barmherzigkeit deines Vaters treten zusammen, also wirst du uns geschenkt, und kommst mit großer Sanftmut auf Erden zu uns armen Sündern, gleich wie die Tautropfen unter die Blümlein. Himmel und Erden hat zu schaffen, wenn soll es regnen. Die Erde muss feuchte Dünste geben, der Himmel muss dieselben in Wolken sammeln, und sie darnach mit Tropfen herab fallen lassen, als wenn es durch ein kleines Sieblein gesiedet und geteilt würde: Herr JEsu, da hab ich wiederum im Bildnis zu schauen deine wunderbare Menschwerdung. Himmel und Erden muss darin geschäftig sein, damit ich einen Heiland hätte, der Gott und Mensch in einer Person wäre. Ach lieber himmlischer Vater, schenke uns ins Herz deinen liebsten Sohn, denn er hat mit seinen Wohltaten die Natur und Eigenschaft der Tautropfen und kräftigen Regentropfen. Und demnach verleihe, dass unser Herz guter Erde Geschicklichkeit habe, einmal mürbe und zerbrochen, ein zerknirschtes und demütiges Herz, darnach gläubig, selig, und endlich fruchtbar und gewächsig. Amen!
Wenn aber jemand fragen wollte, ist's auch möglich, dass dies kann geschehen, so gibt Gott selber darauf Antwort: Ich, der Herr, schaffe, oder verschaffe es. Das ist: Ja, es soll Amen und gewiss sein, ich will zum Wollen das Vollbringen geben. Ach lieber himmlischer Vater, deine Zusage werde auch an meinem Herzen wahr; du Herr, schaffe es. Amen!
Herr JEsu, verleihe mir auch ein solches gläubiges Herz, das von dir immer denket und sinnet. Wie haben die lieben Erzväter so brünstiglich alle Stunden und Augenblicke sich nach deiner Zukunft gesehnt! Ach hilf, dass ich gleicher Weise feurig und andächtig sei, dir für deine gebenedeite Menschwerdung zu danken, und deine Gnade zu preisen. Amen!
JESUS, Unser Bluts- und Muts-Freund, bringet alles wieder zurecht, was Adam und Eva durch den Fall verderbet haben. 5. Buch Mos. 33. V. 3.
Wie hat der Herr die Leute so lieb!
Ach Herr JEsu, wie hat das Herz der lieben Erzväter gegen dich gebrannt, wie sehnlich haben sie nach dir Verlangen getragen, wie haben sie sich um deine Liebe gerissen, und um deine Freundschaft gedrungen. Hilf, dass ich auch ein herzliches Verlangen nach dir trage, dass mein Herz stets nach dir sich sehne, dass ich mich auch um deine Freundschaft reiße, und um dein Wort und heilige Sakramente mich dringe. Herr JEsu, du hast den Himmel zerrissen, und bist hernach gefahren, uns zu erlösen, nach dem Wunsch der Erzväter: Ach, dass du den Himmel zerrisst! Herr JEsu, bist du der Zerreißer, denn du hast den Zaun zerrissen zwischen Juden und Heiden, und die Feindschaft weggenommen. Herr JEsu, du hebest auch an, uns Liebe anzutragen, du stellest dich freundlich gegen uns, als wärest du unsers gleichen, du willst uns auch grüßen und freundlich zusprechen in allen unsern Nöten. Maria soll nicht allein eine holdselige genannt werden, sondern wir allzumal, die wir an dich glauben, sollen in deiner Huld, Liebe, Treue und Gunst schweben. Du, Herr JEsu, bist zweistämmig. Nach deiner göttlichen Herrlichkeit bist du vom Himmel aus dem Herzen deines Vaters von Ewigkeit entsprossen und geboren. Nach deiner zarten menschlichen Natur aber bist du unter dem Herzen Mariä durch Überschattung des heil. Geistes empfangen, getragen, und ein wahrhaftiger Mensch, doch ohne alle Sünde, geboren worden; denn du solltest den ganzen Menschen an Leib und Seele selig machen, du solltest Himmel und Erde wieder mit beständiger Freundschaft verbinden, welches du auch gar glücklich verrichtet hast. Herr JEsu Christe, ich sage dir Dank für diese Wohltat; ach mache auch in meinem Herzen, in meinen Gedanken, ja in meinem ganzen Leben gut und dir wohlgefällig, was durch die Sünde in mir ist verderbet worden. Es ist unsers Leibes, unserer Gliedmaßen Ehre und Herrlichkeit, dass du Herr JEsu selbst dich in unser Fleisch und Blut gekleidet hast, diese große Ehre hast du keiner andern Kreatur erzeiget. Darum sollen auch die Engel diese Ehre nicht haben; du nimmst nirgends die Engel an dich, aber den Samen Abraham nimmst du an dich. Das ist uns ja ein ewiger Ruhm, dass eine Person, die unsers Geblüts, unserer Natur und unseres Geschlechts ist, im gesessenen Rat der hochgelobten Dreieinigkeit zu finden. Was dies für eine große Ehre sei des menschlichen Geschlechts, wollen wir, wills Gott, im ewigen Leben besser erfahren. Herr JEsu, dir sei Dank gesagt, dass du unser Fleisch und Blut so hoch in deiner Person geehrt und getadelt hast; für diese Ehre wollen wir dich wieder ehren und preisen in Ewigkeit. Amen!
JESUS, Der edle Mensch, der durch seine heilige Menschwerdung das sündhaftige menschliche Geschlecht zur ewigen Ehre und Freude gebracht.
1 Timoth. 2. V. 5.
Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen (es ist ein einiger, der die Menschen mit Gott versöhnet), nämlich der Mensch Christus Jesus, (welcher Gott und Mensch ist in Einer Person, dass er Gott und Menschen versöhnen könnte).
Liebes Herz, St. Paulus will nicht, dass JEsus ein bloßer Mensch sei, sondern will nur anzeigen, dass er eben der Mensch oder Mann sei, auf welchen die Erzväter haben gehofft. Ach mein Herr JEsu, du hast ja menschliche Natur wahrhaftig an dich angenommen, das ist des menschlichen Geschlechts Ehre, Herrlichkeit und Vorzug vor allen andern Kreaturen, Engeln und Tieren. Habe Dank für deine große Ehre, dass du dich mit unserer Natur hast befreundet und verlobet. Der Teufel hatte durch die Sünde den Menschen zu Hohn und Spott gesetzt; aber du hast durch deine Menschwerdung uns zu ewiger Ehre gebracht; je mehr der Teufel uns beschämet, je höher hast du uns beseliget und geehrt. Weil der Teufel den Menschen betrogen, hast du durch deine Menschwerdung den Menschen wieder geadelt. Durch einen Menschen war die Sünde, der Tod und alles Unglück in die Welt kommen, darum wolltest du ein wahrer Mensch sein, dass durch dich, als durch einen wahren Menschen, die Unschuld, das ewige Leben und alles Heil und Glück in die Welt wieder geführt würde. Der Mensch war von Gott gerissen und getrennt, darum nimmst du menschliche Natur an dich, dass also der Mensch wiederum Gott werde vereiniget. Denn so gewiss in deiner Person Gott und Mensch vereiniget werden, so gewiss werden auch durch dein Verdienst Gott und das menschliche Geschlecht wieder mit ewiger Freundschaft gesellet, vertragen, verknüpfet, verbunden und verglichen. Ein Mensch hatte Schuld gemacht und gesündigt: darum bist du ein wahrer Mensch, dass durch einen Menschen wieder die Schuld gezahlt, die Sünde getilgt, und der Gerechtigkeit Gottes ein Genüge geschehen möchte. Herr JEsu, du sollst aber nicht ein gemeiner schlechter Mensch sein, sondern der Kern des ganzen menschlichen Geschlechts, aller Menschen Ehre und Herrlichkeit, deine Ankunft soll auch von der Welt nicht geringen Standes sein, du sollst nicht ein schwaches Gedächtnis haben, sondern in deinem Herzen die Denkzettel unserer Namen genau und gewiss behalten, und unser nimmermehr vergessen. Also bist du ein reicher, edler Mann, edel von Vater und Mutter, aus dem Herzen des Vaters von Ewigkeit, und von der königlichen Jungfrau Maria in der Zeit geboren, du bist der schönste unter den Menschenkindern. Ach wie tröstlich ist uns das, Herr JEsu, dass du wahrer Mensch bist, unser Bruder und Blutsfreund; ach, welch eine Ehre wird's uns sein in alle Ewigkeit, dass du unser Fleisch und Blut in den geheimen Rat deines Vaters und des heil. Geistes gesetzt hast. Im Himmel wollen wir's sehen, und uns herzlich darüber freuen. Amen!