Apostelgeschichte 21,12
Andachten
Als wir aber solches hörten, baten wir ihn, und die desselbigen Orts waren, dass er nicht hinauf gen Jerusalem zöge. Paulus aber antwortete: Was macht ihr, dass ihr weint und brecht mir mein Herz? Denn ich bin bereit, mich nicht allein binden zu lassen, sondern auch zu sterben zu Jerusalem, um des Namens willen des Herrn Jesu“.
Alle Freunde und Gefährten des Apostels, auch Lukas selber, der Erzähler der Apostelgeschichte, stehen zusammen gegen ihn mit der inbrünstigen Bitte, ja mit heißen Tränen: er möchte den Unglücksweissagungen, die ihm geworden waren, Gehör geben und ferne bleiben von der alten blutbefleckten Stadt, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind. Wohl meint es diese menschliche Liebe herzlich gut, aber sie meint eben, was menschlich und nicht was göttlich ist, und da kann einem pflichttreuen Knecht Gottes oft die Zärtlichkeit seiner Freunde, die besorgte Liebe einer Gattin, die wohlgemeinte Pflege zärtlicher Kinder, der vorsichtige Rat eines ängstlichen Freundes seine Pflicht recht erschweren und seinen Berufsweg verlegen. Darf er sich aber dadurch aufhalten lassen, wenn er weiß: die Pflicht ruft mich; der Herr schickt mich? Nein, wer Vater oder Mutter, wer Sohn oder Tochter mehr liebt, denn mich, spricht der Herr, der ist mein nicht wert! Nein: des Herrn Wille geschehe! Damit reißt ein Knecht Gottes nicht nur die Fallstricke seiner Feinde sondern auch die Liebesbande seiner Freunde entzwei, wie unser Heiland selber, da er zu seinem Petrus sprach: „Hebe dich von mir, du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist;“ wie hier Paulus, da er zu seinen Freunden sprach: Was macht ihr, dass ihr weint und brecht mir mein Herz?“ wie einst Luther, da ihm auf dem Wege nach Worms sein Freund Spalatin nahe vor der Stadt noch Boten entgegenschickte, er sollte nicht hineingehen, und er antwortete: „Und wenn soviel Teufel in Worms wären als Ziegel auf den Dächern, so wollte ich doch hingehen!“
Selig der Mann, der auch durch das Liebste auf Erden sich nicht losreißen lässt von dem, der uns lieber sein soll als der liebste Freund, und der auch der rührendsten Tränen menschlicher Liebe gegenüber fest hält an der göttlichen Liebe und an der Losung des Gehorsams und der Ergebung: „Des Herrn Wille geschehe!“ (Carl von Gerok)