Johannes 16,27
Andachten
Der Vater hat euch lieb!
Als nun der Herr am Abend vor seinem Leiden die Seinen um sich versammelt sah, redete er zu ihnen nicht nur manches ernste Wort von seinem nahe bevorstehenden Abschied, und den schmerzlichen Erfahrungen, die sie unter und von den Menschen machen würden, sondern ließ auch manches Trostwort hineinfließen, das ihren erschrockenen und unter den Abschiedsschmerzen blutenden Herzen ein lindernder und heilender Balsam sein sollte. Zu solchen Trostworten gehört, wenn er sagt (Joh. 16,27.): „Er selbst, der Vater, hat euch lieb, darum, dass ihr mich liebt, und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“ - Er selbst, der Vater, hat euch lieb. O süßes Wort! das heißt ja so viel, als sagte er: „Kinder, was ist denn für Not? Ihr steht zu Gott in dem allerseligsten Verhältnis. Er ist euer Vater, die Liebe, womit er mich liebt, wendet er euch zu. Ihr dürft vor sein Angesicht kommen und ihm alle eure Anliegen vortragen. Er hört euer Flehen, er nimmt euer Gebet an; er zählt eure Tränen und weiß sie zu trocknen. Euer Leben mit allen seinen Vorfällen und Unfällen, mit seinen heiteren und trüben Stunden, steht in seiner Hand; und wenn es zu Ende geht, so ist Sterben nicht euer Schade, sondern Gewinn, ihr geht aus der Fremde in die Heimat, aus der Herberge ins Vaterhaus, und weil ihr Kinder seid, so seid ihr auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.“ - Wenn aber die bekümmerten Seelen denken mochten: „Warum hat uns denn der Vater lieb; sind wir doch arme, schwache, sündige Geschöpfe, die kein Verdienst und keine Würdigkeit vor ihm aufweisen können?“ so gibt der Heiland ihnen den Grund dieser göttlichen Vaterliebe an, indem er sagt: „Darum hat euch der Vater lieb, dass ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“ Also die Liebe zum Heiland, die aus dem Glauben an ihn kommt, das ist es, was Menschen zu Heiligen und Geliebten Gottes macht. Zwar hasst Gott nichts, was er geschaffen hat, und erbarmt sich aller seiner Werke. Zwar hat er also die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, und will, dass allen Menschen geholfen werde. Aber er fordert auch, um seine allgemeine Menschenliebe dir zu beweisen, Glauben an den höchsten Beweis seiner Liebe in Christo, oder Liebe zum Heiland aus Glauben an ihn. Wenn du das Glaubwürdigste nicht glauben und das Liebenswürdigste nicht lieben magst, so offenbarst du ja einen solchen ungöttlichen und feindseligen Sinn, ein solches verstocktes und unbußfertiges Herz, dass du dich selbst zu einem Gegenstand des göttlichen Missfallens machst, dir selbst den Zorn häufst auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, und durch dein Verhalten gegen Jesum zeigst, dass deine Verdammnis recht ist. - Lieber Mensch, gehörst du deinem Sinne nach zu den Jüngern, zu welchen der Herr sprach: „Er selbst, der Vater, hat euch lieb, darum, dass ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin?“ Oder gehörst du deinem Sinne nach zu jenen Juden, zu welchen der Herr sprach (Joh. 8,42.): „Wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr mich; denn ich bin ausgegangen und komme von Gott!“? (Carl Johann Philipp Spitta)
Er selbst der Vater hat euch lieb, darum dass ihr Mich liebt, und glaubt, dass Ich von Gott ausgegangen bin.
Als der HErr Jesus in der Stadt Davids, nämlich zu Bethlehem, geboren war, sagte der Engel zu den Hirten: euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der HErr; und vorher sprach der Engel Gabriel zu der Maria: das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden. Dieses Alles fassten Maria und Joseph, die Hirten und alle Jünger Jesu bald und bekannten es auch, ungeachtet andere Laute von Jesu mancherlei irrige Gedanken hatten. Doch war die Erkenntnis der Person Jesu bei den Jüngern noch unvollständig, bis Er am Ende Seines letzten ausführlichen Gesprächs, das Er vor Seinem Leiden mit ihnen hielt, zu ihnen sagte: Er selbst der Vater hat euch lieb, darum dass ihr Mich liebt, und glaubt, dass Ich von Gott ausgegangen bin. Indem Er dieses zu ihnen sagte, teilte Er ihnen Sein Licht mit, dass sie diese Worte verstehen und glauben konnten. Er setzte aber, um ihre Erkenntnis heller und fester zu machen, hinzu: Ich bin vom Vater ausgegangen, und kommen in die Welt; wiederum verlasse Ich die Welt, und gehe zum Vater; die Jünger aber wiederholten den ersten Teil Seiner Worte, und sagten V. 30.: wir glauben, dass Du von Gott ausgegangen bist; und der Heiland drückte das Siegel Seines Wohlgefallens darauf, indem Er V. 31. sprach: jetzt glaubt ihr. Es war also dem Heiland sehr daran gelegen, Seine Jünger noch vor Seinem Leiden dahin zu bringen, dass sie glaubten, Er sei vom Vater oder von Gott ausgegangen. Sie hatten solches vorher nie geleugnet, aber, wie es scheint, nie daran gedacht. Nun war es ihnen klar, dass der Heiland nicht erst durch Seine Empfängnis und Geburt von der Maria entstanden, sondern vorher schon gewesen, und von Gott ausgegangen sei, da Er in die Welt kam. Er hatte schon bei dem Vater eine unermessliche Herrlichkeit, ehe die Welt war, Joh. 17,5. Er ist das Leben, das bei dem Vater war, ehe es erschien, 1 Joh. 1,2. Er war als das Wort im Anfang bei Gott, Joh. 1,1., und wurde hernach Fleisch. Er kam als das Licht, welches vorher in der Finsternis geschienen hatte, aber von der Finsternis nicht begriffen worden war, durch Seine Menschwerdung in die Welt, Joh. 1,5.9. Da Er ein Mensch wurde, wurde Gott im Fleisch geoffenbart, 1 Tim. 3,16., und das Leben, das bei dem Vater gewesen war, erschien, 1 Joh. 1,1.2. Diese Aussprüche der Heiligen Schrift zeigen deutlich an, dass Christus neben dem Fleisch, nach welchem Er von den Vätern herkam und von einem Weibe geboren wurde, auch noch eine göttliche Natur habe, nach welcher Er zwar mit dem Vater immer Eins blieb, aber doch auch vom Vater ausging, um in die Welt zu kommen, und Sich der Welt als Gottmensch zu offenbaren, und insonderheit mit den Menschen durch Annahme der menschlichen Natur in eine neue Verbindung zu treten, bei welcher Er der Mittler zwischen Gott und ihnen sein könnte. Wer nun dieses Alles glaubt, und Jesum als seinen Erlöser, in dem alle Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, und aus dessen Fülle man Gnade um Gnade nehmen kann, lieb hat, den liebt der Vater; denn weil der Vater den Sohn mit einer unermesslichen Liebe liebt, so liebt Er auch alle diejenigen, die Seinen Sohn lieb haben. Lasst uns also Jesum lieben, damit die Liebe, womit der Vater Seinen Sohn liebt, nach Joh. 17,26. auch in uns sei, und Er in uns. (Magnus Friedrich Roos)